Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





kommenste Wesen, und geniesset einer un-
veränderlichen Seligkeit. Dieses macht
ihm ein gnädiges Verlangen auch andern
Dingen eine Seligkeit zu gönnen, und
derowegen rufft er sie aus dem Nichts
hervor und bringet sie zur Würcklichkeit.
Ja vermöge dieser Liebe kann er nicht an-
ders, als daß er die Geschöpffe zu einem
solchen hohen Grad der Vollkommenheit
bringet, als ihr Wesen leidet, und durch
weise Mittel kann erhalten werden. (*)

Dieses
(*) Jch sage, in GOtt ist eine Geneigheit de-
nen Creaturen so viel Vollkommenheiten mitzu-
theilen, als vermöge ihres Wesens geschehen
kann, und weise Mittel vorhanden sind, diesen
Endzweck ins Werck zu richten. Es ist unmöglich,
daß mehr als ein GOtt seyn solte, und es kann nur
ein Wesen unter allen das vollkommenste seyn.
Derowegen müssen alle Dinge, die ausser GOtt
sind, gewisse Schrancken haben, über welche sie
nicht hinauf steigen können. Es ist also auch un-
möglich, daß GOtt denen andern Dingen gleiche
Vollkommenheiten mit ihm selber solte anerschaf-
fen, er kann das, was vor sich endlich ist, nicht
unendlich machen, und derowegen kann er denen
Geschöpffen nicht mehrere Vollkommenheiten
mittheilen, als die Beschaffenheit eines endlichen
Wesens es zulässet. Wie er nicht machen kann,
daß 8. sey 100. so kann es auch nicht seyn, daß
er denen Creaturen mehr Vollkommenheiten ge-
ben solte, als ihre Schrancken fassen können.
Und da hat denn die eine Creatur engere, die an-
dere aber weitere Schrancken, nachdem es nem-
lich die Möglichkeit derer Dinge mit sich bringet.
B 4





kommenſte Weſen, und genieſſet einer un-
veraͤnderlichen Seligkeit. Dieſes macht
ihm ein gnaͤdiges Verlangen auch andern
Dingen eine Seligkeit zu goͤnnen, und
derowegen rufft er ſie aus dem Nichts
hervor und bringet ſie zur Wuͤrcklichkeit.
Ja vermoͤge dieſer Liebe kann er nicht an-
ders, als daß er die Geſchoͤpffe zu einem
ſolchen hohen Grad der Vollkommenheit
bringet, als ihr Weſen leidet, und durch
weiſe Mittel kann erhalten werden. (*)

Dieſes
(*) Jch ſage, in GOtt iſt eine Geneigheit de-
nen Creaturen ſo viel Vollkommenheiten mitzu-
theilen, als vermoͤge ihres Weſens geſchehen
kann, und weiſe Mittel vorhanden ſind, dieſen
Endzweck ins Werck zu richten. Es iſt unmoͤglich,
daß mehr als ein GOtt ſeyn ſolte, und es kañ nur
ein Weſen unter allen das vollkommenſte ſeyn.
Derowegen muͤſſen alle Dinge, die auſſer GOtt
ſind, gewiſſe Schrancken haben, uͤber welche ſie
nicht hinauf ſteigen koͤnnen. Es iſt alſo auch un-
moͤglich, daß GOtt denen andern Dingen gleiche
Vollkommenheiten mit ihm ſelber ſolte anerſchaf-
fen, er kann das, was vor ſich endlich iſt, nicht
unendlich machen, und derowegen kann er denen
Geſchoͤpffen nicht mehrere Vollkommenheiten
mittheilen, als die Beſchaffenheit eines endlichen
Weſens es zulaͤſſet. Wie er nicht machen kann,
daß 8. ſey 100. ſo kann es auch nicht ſeyn, daß
er denen Creaturen mehr Vollkommenheiten ge-
ben ſolte, als ihre Schrancken faſſen koͤnnen.
Und da hat denn die eine Creatur engere, die an-
dere aber weitere Schrancken, nachdem es nem-
lich die Moͤglichkeit derer Dinge mit ſich bringet.
B 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0059" n="23"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
kommen&#x017F;te We&#x017F;en, und genie&#x017F;&#x017F;et einer un-<lb/>
vera&#x0364;nderlichen Seligkeit. Die&#x017F;es macht<lb/>
ihm ein gna&#x0364;diges Verlangen auch andern<lb/>
Dingen eine Seligkeit zu go&#x0364;nnen, und<lb/>
derowegen rufft er &#x017F;ie aus dem Nichts<lb/>
hervor und bringet &#x017F;ie zur Wu&#x0364;rcklichkeit.<lb/>
Ja vermo&#x0364;ge die&#x017F;er Liebe kann er nicht an-<lb/>
ders, als daß er die Ge&#x017F;cho&#x0364;pffe zu einem<lb/>
&#x017F;olchen hohen Grad der Vollkommenheit<lb/>
bringet, als ihr We&#x017F;en leidet, und durch<lb/>
wei&#x017F;e Mittel kann erhalten werden. <note xml:id="a11" next="#a12" place="foot" n="(*)">Jch &#x017F;age, in GOtt i&#x017F;t eine Geneigheit de-<lb/>
nen Creaturen &#x017F;o viel Vollkommenheiten mitzu-<lb/>
theilen, als vermo&#x0364;ge ihres We&#x017F;ens ge&#x017F;chehen<lb/>
kann, und wei&#x017F;e Mittel vorhanden &#x017F;ind, die&#x017F;en<lb/>
Endzweck ins Werck zu richten. Es i&#x017F;t unmo&#x0364;glich,<lb/>
daß mehr als ein GOtt &#x017F;eyn &#x017F;olte, und es kan&#x0303; nur<lb/>
ein We&#x017F;en unter allen das vollkommen&#x017F;te &#x017F;eyn.<lb/>
Derowegen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en alle Dinge, die au&#x017F;&#x017F;er GOtt<lb/>
&#x017F;ind, gewi&#x017F;&#x017F;e Schrancken haben, u&#x0364;ber welche &#x017F;ie<lb/>
nicht hinauf &#x017F;teigen ko&#x0364;nnen. Es i&#x017F;t al&#x017F;o auch un-<lb/>
mo&#x0364;glich, daß GOtt denen andern Dingen gleiche<lb/>
Vollkommenheiten mit ihm &#x017F;elber &#x017F;olte aner&#x017F;chaf-<lb/>
fen, er kann das, was vor &#x017F;ich endlich i&#x017F;t, nicht<lb/>
unendlich machen, und derowegen kann er denen<lb/>
Ge&#x017F;cho&#x0364;pffen nicht mehrere Vollkommenheiten<lb/>
mittheilen, als die Be&#x017F;chaffenheit eines endlichen<lb/>
We&#x017F;ens es zula&#x0364;&#x017F;&#x017F;et. Wie er nicht machen kann,<lb/>
daß 8. &#x017F;ey 100. &#x017F;o kann es auch nicht &#x017F;eyn, daß<lb/>
er denen Creaturen mehr Vollkommenheiten ge-<lb/>
ben &#x017F;olte, als ihre Schrancken fa&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen.<lb/>
Und da hat denn die eine Creatur engere, die an-<lb/>
dere aber weitere Schrancken, nachdem es nem-<lb/>
lich die Mo&#x0364;glichkeit derer Dinge mit &#x017F;ich bringet.</note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Die&#x017F;es</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0059] kommenſte Weſen, und genieſſet einer un- veraͤnderlichen Seligkeit. Dieſes macht ihm ein gnaͤdiges Verlangen auch andern Dingen eine Seligkeit zu goͤnnen, und derowegen rufft er ſie aus dem Nichts hervor und bringet ſie zur Wuͤrcklichkeit. Ja vermoͤge dieſer Liebe kann er nicht an- ders, als daß er die Geſchoͤpffe zu einem ſolchen hohen Grad der Vollkommenheit bringet, als ihr Weſen leidet, und durch weiſe Mittel kann erhalten werden. (*) Dieſes (*) Jch ſage, in GOtt iſt eine Geneigheit de- nen Creaturen ſo viel Vollkommenheiten mitzu- theilen, als vermoͤge ihres Weſens geſchehen kann, und weiſe Mittel vorhanden ſind, dieſen Endzweck ins Werck zu richten. Es iſt unmoͤglich, daß mehr als ein GOtt ſeyn ſolte, und es kañ nur ein Weſen unter allen das vollkommenſte ſeyn. Derowegen muͤſſen alle Dinge, die auſſer GOtt ſind, gewiſſe Schrancken haben, uͤber welche ſie nicht hinauf ſteigen koͤnnen. Es iſt alſo auch un- moͤglich, daß GOtt denen andern Dingen gleiche Vollkommenheiten mit ihm ſelber ſolte anerſchaf- fen, er kann das, was vor ſich endlich iſt, nicht unendlich machen, und derowegen kann er denen Geſchoͤpffen nicht mehrere Vollkommenheiten mittheilen, als die Beſchaffenheit eines endlichen Weſens es zulaͤſſet. Wie er nicht machen kann, daß 8. ſey 100. ſo kann es auch nicht ſeyn, daß er denen Creaturen mehr Vollkommenheiten ge- ben ſolte, als ihre Schrancken faſſen koͤnnen. Und da hat denn die eine Creatur engere, die an- dere aber weitere Schrancken, nachdem es nem- lich die Moͤglichkeit derer Dinge mit ſich bringet. B 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/59
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/59>, abgerufen am 28.04.2024.