Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

ihre Einnahme und Ehre ihnen nicht Aus-
flüchte eingeflösset haben, die denen ähnlich
gewesen, welche sie den Wundern Jesu
entgegen setzten? Matth. C. 12. v. 24. Se-
hen wir nicht noch heutiges Tages, wie die
aufgeklärtesten Köpfe die größten Thorhei-
ten annehmen, glauben und vertheidigen
können, wenn grosse Vortheile damit ver-
bunden sind? Die christliche Religion wür-
de also auch durch diese Art von Erschei-
nungen des Erlösers nichts gewonnen ha-
ben. Wir kennen den irdisch gesinnten
Menschen nicht genug, wenn wir dieses
hoffen.

§. 10.
Warum
Christus
dem Pila-
tus nicht er-
schienen.

Warum erschien aber der auferstande-
ne Heiland nicht einem Pilatus und andern
angesehenen Römern zu Jerusalem? Die-
se würden sofort seyn gläubig worden, und
das ganze Römische Gebiethe von dem
Christenthume überzeuget haben. Auch
hier hoffet man etwas ganz unwahrschein-
liches. Man bedenke auch hier, daß, wenn
das Römische Gebiethe auf die Aussage ei-
nes Pilatus so gleich das Christenthum an-
genommen, einige Hundert der vornehm-
sten Römer, und mit ihnen einige Tau-
send geringere ihr Ansehen und die grossen
Einkünfte, so sie von dem Götzendienste
hatten, auf einmal verlohren hätten, und
die ganze Verfassung ihres Staates da-

durch

ihre Einnahme und Ehre ihnen nicht Aus-
fluͤchte eingefloͤſſet haben, die denen aͤhnlich
geweſen, welche ſie den Wundern Jeſu
entgegen ſetzten? Matth. C. 12. v. 24. Se-
hen wir nicht noch heutiges Tages, wie die
aufgeklaͤrteſten Koͤpfe die groͤßten Thorhei-
ten annehmen, glauben und vertheidigen
koͤnnen, wenn groſſe Vortheile damit ver-
bunden ſind? Die chriſtliche Religion wuͤr-
de alſo auch durch dieſe Art von Erſchei-
nungen des Erloͤſers nichts gewonnen ha-
ben. Wir kennen den irdiſch geſinnten
Menſchen nicht genug, wenn wir dieſes
hoffen.

§. 10.
Warum
Chriſtus
dem Pila-
tus nicht er-
ſchienen.

Warum erſchien aber der auferſtande-
ne Heiland nicht einem Pilatus und andern
angeſehenen Roͤmern zu Jeruſalem? Die-
ſe wuͤrden ſofort ſeyn glaͤubig worden, und
das ganze Roͤmiſche Gebiethe von dem
Chriſtenthume uͤberzeuget haben. Auch
hier hoffet man etwas ganz unwahrſchein-
liches. Man bedenke auch hier, daß, wenn
das Roͤmiſche Gebiethe auf die Auſſage ei-
nes Pilatus ſo gleich das Chriſtenthum an-
genommen, einige Hundert der vornehm-
ſten Roͤmer, und mit ihnen einige Tau-
ſend geringere ihr Anſehen und die groſſen
Einkuͤnfte, ſo ſie von dem Goͤtzendienſte
hatten, auf einmal verlohren haͤtten, und
die ganze Verfaſſung ihres Staates da-

durch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0166" n="146"/>
ihre Einnahme und Ehre ihnen nicht Aus-<lb/>
flu&#x0364;chte eingeflo&#x0364;&#x017F;&#x017F;et haben, die denen a&#x0364;hnlich<lb/>
gewe&#x017F;en, welche &#x017F;ie den Wundern Je&#x017F;u<lb/>
entgegen &#x017F;etzten? Matth. C. 12. v. 24. Se-<lb/>
hen wir nicht noch heutiges Tages, wie die<lb/>
aufgekla&#x0364;rte&#x017F;ten Ko&#x0364;pfe die gro&#x0364;ßten Thorhei-<lb/>
ten annehmen, glauben und vertheidigen<lb/>
ko&#x0364;nnen, wenn gro&#x017F;&#x017F;e Vortheile damit ver-<lb/>
bunden &#x017F;ind? Die chri&#x017F;tliche Religion wu&#x0364;r-<lb/>
de al&#x017F;o auch durch die&#x017F;e Art von Er&#x017F;chei-<lb/>
nungen des Erlo&#x0364;&#x017F;ers nichts gewonnen ha-<lb/>
ben. Wir kennen den irdi&#x017F;ch ge&#x017F;innten<lb/>
Men&#x017F;chen nicht genug, wenn wir die&#x017F;es<lb/>
hoffen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 10.</head><lb/>
          <note place="left">Warum<lb/>
Chri&#x017F;tus<lb/>
dem Pila-<lb/>
tus nicht er-<lb/>
&#x017F;chienen.</note>
          <p>Warum er&#x017F;chien aber der aufer&#x017F;tande-<lb/>
ne Heiland nicht einem Pilatus und andern<lb/>
ange&#x017F;ehenen Ro&#x0364;mern zu Jeru&#x017F;alem? Die-<lb/>
&#x017F;e wu&#x0364;rden &#x017F;ofort &#x017F;eyn gla&#x0364;ubig worden, und<lb/>
das ganze Ro&#x0364;mi&#x017F;che Gebiethe von dem<lb/>
Chri&#x017F;tenthume u&#x0364;berzeuget haben. Auch<lb/>
hier hoffet man etwas ganz unwahr&#x017F;chein-<lb/>
liches. Man bedenke auch hier, daß, wenn<lb/>
das Ro&#x0364;mi&#x017F;che Gebiethe auf die Au&#x017F;&#x017F;age ei-<lb/>
nes Pilatus &#x017F;o gleich das Chri&#x017F;tenthum an-<lb/>
genommen, einige Hundert der vornehm-<lb/>
&#x017F;ten Ro&#x0364;mer, und mit ihnen einige Tau-<lb/>
&#x017F;end geringere ihr An&#x017F;ehen und die gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Einku&#x0364;nfte, &#x017F;o &#x017F;ie von dem Go&#x0364;tzendien&#x017F;te<lb/>
hatten, auf einmal verlohren ha&#x0364;tten, und<lb/>
die ganze Verfa&#x017F;&#x017F;ung ihres Staates da-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">durch</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0166] ihre Einnahme und Ehre ihnen nicht Aus- fluͤchte eingefloͤſſet haben, die denen aͤhnlich geweſen, welche ſie den Wundern Jeſu entgegen ſetzten? Matth. C. 12. v. 24. Se- hen wir nicht noch heutiges Tages, wie die aufgeklaͤrteſten Koͤpfe die groͤßten Thorhei- ten annehmen, glauben und vertheidigen koͤnnen, wenn groſſe Vortheile damit ver- bunden ſind? Die chriſtliche Religion wuͤr- de alſo auch durch dieſe Art von Erſchei- nungen des Erloͤſers nichts gewonnen ha- ben. Wir kennen den irdiſch geſinnten Menſchen nicht genug, wenn wir dieſes hoffen. §. 10. Warum erſchien aber der auferſtande- ne Heiland nicht einem Pilatus und andern angeſehenen Roͤmern zu Jeruſalem? Die- ſe wuͤrden ſofort ſeyn glaͤubig worden, und das ganze Roͤmiſche Gebiethe von dem Chriſtenthume uͤberzeuget haben. Auch hier hoffet man etwas ganz unwahrſchein- liches. Man bedenke auch hier, daß, wenn das Roͤmiſche Gebiethe auf die Auſſage ei- nes Pilatus ſo gleich das Chriſtenthum an- genommen, einige Hundert der vornehm- ſten Roͤmer, und mit ihnen einige Tau- ſend geringere ihr Anſehen und die groſſen Einkuͤnfte, ſo ſie von dem Goͤtzendienſte hatten, auf einmal verlohren haͤtten, und die ganze Verfaſſung ihres Staates da- durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/166
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/166>, abgerufen am 30.04.2024.