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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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zwiefach gehäufet werden? Thut derjeni-
ge etwas Böses, welcher das geringere
Uebel wählet, um ein Grösseres zu verhü-
ten, und die Bosheit eines Feindes auf
solche Ausbrüche richtet, die weniger schäd-
lich sind, und eine kleinere Sünde gesche-
hen lässet, weil man sonst zu einer grössern
Anlaß geben würde? Jst es etwas Böses,
wenn man einen Menschen, der seine Bos-
heiten mit der größten Verschlagenheit
ausübet, und durch keine gelinden Mittel
davon abzuziehen ist, dahin verblendet und
dreiste machet, daß er seine bösen Anschlä-
ge mit wenigerer Vorsichtigkeit auszufüh-
ren suchet, und selbige eben dadurch ver-
nichtet werden? Man bemerke doch sehr
wol, daß man in einem solchen Falle einen
Menschen nicht boshaftiger, sondern nur
unvorsichtig machet, damit man seiner
Bosheit desto leichter ein Ziel setzen könne.
Jch füge noch ein Exempel hinzu. Jener
Pohlnische Magnate hat sein Gebiethe an
einem grossen Walde, worinne sich Hei-
damacken oder Räuber aufhalten. Sie
rauben mit grosser Klugheit, und bleiben
dem Walde immer so nahe, daß, wenn
man ihnen nachjaget, sie allezeit glücklich
entkommen. Man beschliesset derowegen
sie einige Zeit in ihren Raubereyen nicht
zu stöhren, damit sie dreister und unvor-
sichtiger werden, und sich so weit vom
Walde entfernen, daß man sie vom selbi-

gen

zwiefach gehaͤufet werden? Thut derjeni-
ge etwas Boͤſes, welcher das geringere
Uebel waͤhlet, um ein Groͤſſeres zu verhuͤ-
ten, und die Bosheit eines Feindes auf
ſolche Ausbruͤche richtet, die weniger ſchaͤd-
lich ſind, und eine kleinere Suͤnde geſche-
hen laͤſſet, weil man ſonſt zu einer groͤſſern
Anlaß geben wuͤrde? Jſt es etwas Boͤſes,
wenn man einen Menſchen, der ſeine Bos-
heiten mit der groͤßten Verſchlagenheit
ausuͤbet, und durch keine gelinden Mittel
davon abzuziehen iſt, dahin verblendet und
dreiſte machet, daß er ſeine boͤſen Anſchlaͤ-
ge mit wenigerer Vorſichtigkeit auszufuͤh-
ren ſuchet, und ſelbige eben dadurch ver-
nichtet werden? Man bemerke doch ſehr
wol, daß man in einem ſolchen Falle einen
Menſchen nicht boshaftiger, ſondern nur
unvorſichtig machet, damit man ſeiner
Bosheit deſto leichter ein Ziel ſetzen koͤnne.
Jch fuͤge noch ein Exempel hinzu. Jener
Pohlniſche Magnate hat ſein Gebiethe an
einem groſſen Walde, worinne ſich Hei-
damacken oder Raͤuber aufhalten. Sie
rauben mit groſſer Klugheit, und bleiben
dem Walde immer ſo nahe, daß, wenn
man ihnen nachjaget, ſie allezeit gluͤcklich
entkommen. Man beſchlieſſet derowegen
ſie einige Zeit in ihren Raubereyen nicht
zu ſtoͤhren, damit ſie dreiſter und unvor-
ſichtiger werden, und ſich ſo weit vom
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[222/0242] zwiefach gehaͤufet werden? Thut derjeni- ge etwas Boͤſes, welcher das geringere Uebel waͤhlet, um ein Groͤſſeres zu verhuͤ- ten, und die Bosheit eines Feindes auf ſolche Ausbruͤche richtet, die weniger ſchaͤd- lich ſind, und eine kleinere Suͤnde geſche- hen laͤſſet, weil man ſonſt zu einer groͤſſern Anlaß geben wuͤrde? Jſt es etwas Boͤſes, wenn man einen Menſchen, der ſeine Bos- heiten mit der groͤßten Verſchlagenheit ausuͤbet, und durch keine gelinden Mittel davon abzuziehen iſt, dahin verblendet und dreiſte machet, daß er ſeine boͤſen Anſchlaͤ- ge mit wenigerer Vorſichtigkeit auszufuͤh- ren ſuchet, und ſelbige eben dadurch ver- nichtet werden? Man bemerke doch ſehr wol, daß man in einem ſolchen Falle einen Menſchen nicht boshaftiger, ſondern nur unvorſichtig machet, damit man ſeiner Bosheit deſto leichter ein Ziel ſetzen koͤnne. Jch fuͤge noch ein Exempel hinzu. Jener Pohlniſche Magnate hat ſein Gebiethe an einem groſſen Walde, worinne ſich Hei- damacken oder Raͤuber aufhalten. Sie rauben mit groſſer Klugheit, und bleiben dem Walde immer ſo nahe, daß, wenn man ihnen nachjaget, ſie allezeit gluͤcklich entkommen. Man beſchlieſſet derowegen ſie einige Zeit in ihren Raubereyen nicht zu ſtoͤhren, damit ſie dreiſter und unvor- ſichtiger werden, und ſich ſo weit vom Walde entfernen, daß man ſie vom ſelbi- gen

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/242>, abgerufen am 29.04.2024.