Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

Ehen gewollt, entdecket sich, wenn man
die andere Absicht der Ehen betrachtet.
Durch die Ehen sollen die Menschen fort-
gepflanzet, und folglich Kinder erzeuget
und erzogen werden. 1 B. Mos. C. 1. v. 28.
Und zwar ist es dem Heiligsten nicht um
ungezogene und rohe, sondern um wolge-
zogene Menschen zu thun. Die Erziehung
aber lieget beyden Eltern ob. Ephes. Cap. 6.
v. 4. 1 Tim. Cap. 5. v. 9. 10. Wie können
sie aber beyde für die Erziehung der Kin-
der recht sorgen, wenn sie sich scheiden?
Es kömmt dieses hinzu. Die Scheidung
geschiehet nicht aus Liebe sondern aus Haß,
und ein Ehegatte wird hierbey des andern
Feind. Kann in diesem Falle wol bey den
Kindern gegen beyde Eltern eine recht zärt-
liche Liebe bleiben? Nicht leicht. Die
Liebe und das Mittleiden gegen den einen
von ihren Eltern wird die Liebe gegen den
andern nothwendig mindern. Die Kinder
werden dem einen mehr anhangen wie dem
andern. Hiedurch wird natürlicher Weise
auch die Liebe bey dem einen Theile der El-
tern gegen die Kinder erkalten. Woher
soll man alsdenn eine recht eifrige Sorgfalt
für die Erziehung der Kinder bey solchen
lauen oder kalten Eltern erwarten? Es ist
also leicht begreiflich, daß die Erziehung
der Kinder ordentlicher Weise besser von
statten gehet, und die Pflichten, so Eltern
und Kinder einander schuldig sind, besser

können
R 3

Ehen gewollt, entdecket ſich, wenn man
die andere Abſicht der Ehen betrachtet.
Durch die Ehen ſollen die Menſchen fort-
gepflanzet, und folglich Kinder erzeuget
und erzogen werden. 1 B. Moſ. C. 1. v. 28.
Und zwar iſt es dem Heiligſten nicht um
ungezogene und rohe, ſondern um wolge-
zogene Menſchen zu thun. Die Erziehung
aber lieget beyden Eltern ob. Epheſ. Cap. 6.
v. 4. 1 Tim. Cap. 5. v. 9. 10. Wie koͤnnen
ſie aber beyde fuͤr die Erziehung der Kin-
der recht ſorgen, wenn ſie ſich ſcheiden?
Es koͤmmt dieſes hinzu. Die Scheidung
geſchiehet nicht aus Liebe ſondern aus Haß,
und ein Ehegatte wird hierbey des andern
Feind. Kann in dieſem Falle wol bey den
Kindern gegen beyde Eltern eine recht zaͤrt-
liche Liebe bleiben? Nicht leicht. Die
Liebe und das Mittleiden gegen den einen
von ihren Eltern wird die Liebe gegen den
andern nothwendig mindern. Die Kinder
werden dem einen mehr anhangen wie dem
andern. Hiedurch wird natuͤrlicher Weiſe
auch die Liebe bey dem einen Theile der El-
tern gegen die Kinder erkalten. Woher
ſoll man alsdenn eine recht eifrige Sorgfalt
fuͤr die Erziehung der Kinder bey ſolchen
lauen oder kalten Eltern erwarten? Es iſt
alſo leicht begreiflich, daß die Erziehung
der Kinder ordentlicher Weiſe beſſer von
ſtatten gehet, und die Pflichten, ſo Eltern
und Kinder einander ſchuldig ſind, beſſer

koͤnnen
R 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0281" n="261"/>
Ehen gewollt, entdecket &#x017F;ich, wenn man<lb/>
die andere Ab&#x017F;icht der Ehen betrachtet.<lb/>
Durch die Ehen &#x017F;ollen die Men&#x017F;chen fort-<lb/>
gepflanzet, und folglich Kinder erzeuget<lb/>
und erzogen werden. 1 B. Mo&#x017F;. C. 1. v. 28.<lb/>
Und zwar i&#x017F;t es dem Heilig&#x017F;ten nicht um<lb/>
ungezogene und rohe, &#x017F;ondern um wolge-<lb/>
zogene Men&#x017F;chen zu thun. Die Erziehung<lb/>
aber lieget beyden Eltern ob. Ephe&#x017F;. Cap. 6.<lb/>
v. 4. 1 Tim. Cap. 5. v. 9. 10. Wie ko&#x0364;nnen<lb/>
&#x017F;ie aber beyde fu&#x0364;r die Erziehung der Kin-<lb/>
der recht &#x017F;orgen, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;cheiden?<lb/>
Es ko&#x0364;mmt die&#x017F;es hinzu. Die Scheidung<lb/>
ge&#x017F;chiehet nicht aus Liebe &#x017F;ondern aus Haß,<lb/>
und ein Ehegatte wird hierbey des andern<lb/>
Feind. Kann in die&#x017F;em Falle wol bey den<lb/>
Kindern gegen beyde Eltern eine recht za&#x0364;rt-<lb/>
liche Liebe bleiben? Nicht leicht. Die<lb/>
Liebe und das Mittleiden gegen den einen<lb/>
von ihren Eltern wird die Liebe gegen den<lb/>
andern nothwendig mindern. Die Kinder<lb/>
werden dem einen mehr anhangen wie dem<lb/>
andern. Hiedurch wird natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e<lb/>
auch die Liebe bey dem einen Theile der El-<lb/>
tern gegen die Kinder erkalten. Woher<lb/>
&#x017F;oll man alsdenn eine recht eifrige Sorgfalt<lb/>
fu&#x0364;r die Erziehung der Kinder bey &#x017F;olchen<lb/>
lauen oder kalten Eltern erwarten? Es i&#x017F;t<lb/>
al&#x017F;o leicht begreiflich, daß die Erziehung<lb/>
der Kinder ordentlicher Wei&#x017F;e be&#x017F;&#x017F;er von<lb/>
&#x017F;tatten gehet, und die Pflichten, &#x017F;o Eltern<lb/>
und Kinder einander &#x017F;chuldig &#x017F;ind, be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ko&#x0364;nnen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0281] Ehen gewollt, entdecket ſich, wenn man die andere Abſicht der Ehen betrachtet. Durch die Ehen ſollen die Menſchen fort- gepflanzet, und folglich Kinder erzeuget und erzogen werden. 1 B. Moſ. C. 1. v. 28. Und zwar iſt es dem Heiligſten nicht um ungezogene und rohe, ſondern um wolge- zogene Menſchen zu thun. Die Erziehung aber lieget beyden Eltern ob. Epheſ. Cap. 6. v. 4. 1 Tim. Cap. 5. v. 9. 10. Wie koͤnnen ſie aber beyde fuͤr die Erziehung der Kin- der recht ſorgen, wenn ſie ſich ſcheiden? Es koͤmmt dieſes hinzu. Die Scheidung geſchiehet nicht aus Liebe ſondern aus Haß, und ein Ehegatte wird hierbey des andern Feind. Kann in dieſem Falle wol bey den Kindern gegen beyde Eltern eine recht zaͤrt- liche Liebe bleiben? Nicht leicht. Die Liebe und das Mittleiden gegen den einen von ihren Eltern wird die Liebe gegen den andern nothwendig mindern. Die Kinder werden dem einen mehr anhangen wie dem andern. Hiedurch wird natuͤrlicher Weiſe auch die Liebe bey dem einen Theile der El- tern gegen die Kinder erkalten. Woher ſoll man alsdenn eine recht eifrige Sorgfalt fuͤr die Erziehung der Kinder bey ſolchen lauen oder kalten Eltern erwarten? Es iſt alſo leicht begreiflich, daß die Erziehung der Kinder ordentlicher Weiſe beſſer von ſtatten gehet, und die Pflichten, ſo Eltern und Kinder einander ſchuldig ſind, beſſer koͤnnen R 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/281
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/281>, abgerufen am 27.04.2024.