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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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vorzüglich diese angegeben: es sey die Ver-
mischung der Eltern mit den Kindern so
unnatürlich, daß es nicht nöthig gewesen,
dieserwegen ein Gesetz zu geben. Allein
die Vermischung mit Enkeln scheinet mir
noch unnatürlicher und unanständiger zu
seyn, und dennoch ist ein ausdrückliches
Verboth dieserwegen im zehnten Verse
vorhanden. Es ist daher gar nicht wahr-
scheinlich, daß der Vermischung der El-
tern mit den Kindern gar nicht sollte ge-
dacht seyn. Warum ist aber das Wort
Kinder oder Sohn und Tochter nicht ge-
braucht worden, sondern die Wörter
Fleisch seines Fleisches, das ist: Fleisch
von seinem Fleische?
Man bemerke, es
stehet im Hebräischen: keiner nahe sich zu
irgend einem Fleische seines Fleisches, oder
zu irgend jemanden, der unmittelbar von
ihm abstammet. Jch erkläre dieses aus
folgendem. Es ist nicht wahrscheinlich,
daß ein jeglicher Jude, wenn er ausser der
Ehe ein Kind gezeuget, selbiges allezeit
unter seine ehelichen Kinder und Erben
werde aufgenommen haben, besonders in
einem solchen Falle als 2 B. Mos. C. 22.
v. 16. 17. beschrieben ist. Jst ferner die
Jüdische Ueberlieferung richtig, die der
Rabbi Maimonides aufgezeichnet *),
so wurden die Kinder, welche ein Jude

mit
*) Jn dem Jad Chasaka Lib. V. Statut. I.

vorzuͤglich dieſe angegeben: es ſey die Ver-
miſchung der Eltern mit den Kindern ſo
unnatuͤrlich, daß es nicht noͤthig geweſen,
dieſerwegen ein Geſetz zu geben. Allein
die Vermiſchung mit Enkeln ſcheinet mir
noch unnatuͤrlicher und unanſtaͤndiger zu
ſeyn, und dennoch iſt ein ausdruͤckliches
Verboth dieſerwegen im zehnten Verſe
vorhanden. Es iſt daher gar nicht wahr-
ſcheinlich, daß der Vermiſchung der El-
tern mit den Kindern gar nicht ſollte ge-
dacht ſeyn. Warum iſt aber das Wort
Kinder oder Sohn und Tochter nicht ge-
braucht worden, ſondern die Woͤrter
Fleiſch ſeines Fleiſches, das iſt: Fleiſch
von ſeinem Fleiſche?
Man bemerke, es
ſtehet im Hebraͤiſchen: keiner nahe ſich zu
irgend einem Fleiſche ſeines Fleiſches, oder
zu irgend jemanden, der unmittelbar von
ihm abſtammet. Jch erklaͤre dieſes aus
folgendem. Es iſt nicht wahrſcheinlich,
daß ein jeglicher Jude, wenn er auſſer der
Ehe ein Kind gezeuget, ſelbiges allezeit
unter ſeine ehelichen Kinder und Erben
werde aufgenommen haben, beſonders in
einem ſolchen Falle als 2 B. Moſ. C. 22.
v. 16. 17. beſchrieben iſt. Jſt ferner die
Juͤdiſche Ueberlieferung richtig, die der
Rabbi Maimonides aufgezeichnet *),
ſo wurden die Kinder, welche ein Jude

mit
*) Jn dem Jad Chaſaka Lib. V. Statut. I.
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[342/0362] vorzuͤglich dieſe angegeben: es ſey die Ver- miſchung der Eltern mit den Kindern ſo unnatuͤrlich, daß es nicht noͤthig geweſen, dieſerwegen ein Geſetz zu geben. Allein die Vermiſchung mit Enkeln ſcheinet mir noch unnatuͤrlicher und unanſtaͤndiger zu ſeyn, und dennoch iſt ein ausdruͤckliches Verboth dieſerwegen im zehnten Verſe vorhanden. Es iſt daher gar nicht wahr- ſcheinlich, daß der Vermiſchung der El- tern mit den Kindern gar nicht ſollte ge- dacht ſeyn. Warum iſt aber das Wort Kinder oder Sohn und Tochter nicht ge- braucht worden, ſondern die Woͤrter Fleiſch ſeines Fleiſches, das iſt: Fleiſch von ſeinem Fleiſche? Man bemerke, es ſtehet im Hebraͤiſchen: keiner nahe ſich zu irgend einem Fleiſche ſeines Fleiſches, oder zu irgend jemanden, der unmittelbar von ihm abſtammet. Jch erklaͤre dieſes aus folgendem. Es iſt nicht wahrſcheinlich, daß ein jeglicher Jude, wenn er auſſer der Ehe ein Kind gezeuget, ſelbiges allezeit unter ſeine ehelichen Kinder und Erben werde aufgenommen haben, beſonders in einem ſolchen Falle als 2 B. Moſ. C. 22. v. 16. 17. beſchrieben iſt. Jſt ferner die Juͤdiſche Ueberlieferung richtig, die der Rabbi Maimonides aufgezeichnet *), ſo wurden die Kinder, welche ein Jude mit *) Jn dem Jad Chaſaka Lib. V. Statut. I.

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/362>, abgerufen am 29.04.2024.