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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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wohneten, als Knechte verkaufen mußten,
eine Verordnung gemacht. Ein Theil der-
selben ist dieser. Es sollte ein solcher gelö-
set werden können von seinem Bruder oder
Vaters Bruder oder dessen Söhnen, oder
von dem Fleische seines Fleisches aus seiner
Familie, oder wenn er auch selber sich so
viel erwerben könnte, sollte der Fremdling
gehalten seyn, einen solchen gekauften Jsrae-
liten für ein bestimmtes Lösegeld wieder
loszugeben. Es ist hier zu entscheiden,
wer darunter zu verstehen: ein Fleisch von
seinem Fleische aus seiner Familie.
Luther
hat dieses übersetzet: sein nächster
Blutsfreund seines Geschlechtes. Diese
Uebersetzung aber findet gar nicht statt,
weil die nächsten Blutsfreunde ausser sei-
nen Kindern schon genannt sind. Denn
auf den Vater wird hier gar nicht gesehen,
weil vermuthlich zum voraus gesetzet wird,
daß wenn selbiger im Stande, seinem
Sohne zu helfen, dieser nicht zugeben wür-
de, daß der Sohn sich als Knecht ver-
kaufte, oder es wird auch zum voraus ge-
setzt, daß der Vater schon gestorben, oder
alt und unvermögend. Es müssen dero-
wegen unter obigen Worten Kinder und
Enkel oder weitläuftige Verwandte ver-
standen werden. Denn hätte man auf ei-
nen Vater Rücksicht genommen; so wäre
selbiger vor den Brüdern und Vettern ge-
nannt worden. Was ist nun wahrschein-

licher,

wohneten, als Knechte verkaufen mußten,
eine Verordnung gemacht. Ein Theil der-
ſelben iſt dieſer. Es ſollte ein ſolcher geloͤ-
ſet werden koͤnnen von ſeinem Bruder oder
Vaters Bruder oder deſſen Soͤhnen, oder
von dem Fleiſche ſeines Fleiſches aus ſeiner
Familie, oder wenn er auch ſelber ſich ſo
viel erwerben koͤnnte, ſollte der Fremdling
gehalten ſeyn, einen ſolchen gekauften Jſrae-
liten fuͤr ein beſtimmtes Loͤſegeld wieder
loszugeben. Es iſt hier zu entſcheiden,
wer darunter zu verſtehen: ein Fleiſch von
ſeinem Fleiſche aus ſeiner Familie.
Luther
hat dieſes uͤberſetzet: ſein naͤchſter
Blutsfreund ſeines Geſchlechtes. Dieſe
Ueberſetzung aber findet gar nicht ſtatt,
weil die naͤchſten Blutsfreunde auſſer ſei-
nen Kindern ſchon genannt ſind. Denn
auf den Vater wird hier gar nicht geſehen,
weil vermuthlich zum voraus geſetzet wird,
daß wenn ſelbiger im Stande, ſeinem
Sohne zu helfen, dieſer nicht zugeben wuͤr-
de, daß der Sohn ſich als Knecht ver-
kaufte, oder es wird auch zum voraus ge-
ſetzt, daß der Vater ſchon geſtorben, oder
alt und unvermoͤgend. Es muͤſſen dero-
wegen unter obigen Worten Kinder und
Enkel oder weitlaͤuftige Verwandte ver-
ſtanden werden. Denn haͤtte man auf ei-
nen Vater Ruͤckſicht genommen; ſo waͤre
ſelbiger vor den Bruͤdern und Vettern ge-
nannt worden. Was iſt nun wahrſchein-

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[347/0367] wohneten, als Knechte verkaufen mußten, eine Verordnung gemacht. Ein Theil der- ſelben iſt dieſer. Es ſollte ein ſolcher geloͤ- ſet werden koͤnnen von ſeinem Bruder oder Vaters Bruder oder deſſen Soͤhnen, oder von dem Fleiſche ſeines Fleiſches aus ſeiner Familie, oder wenn er auch ſelber ſich ſo viel erwerben koͤnnte, ſollte der Fremdling gehalten ſeyn, einen ſolchen gekauften Jſrae- liten fuͤr ein beſtimmtes Loͤſegeld wieder loszugeben. Es iſt hier zu entſcheiden, wer darunter zu verſtehen: ein Fleiſch von ſeinem Fleiſche aus ſeiner Familie. Luther hat dieſes uͤberſetzet: ſein naͤchſter Blutsfreund ſeines Geſchlechtes. Dieſe Ueberſetzung aber findet gar nicht ſtatt, weil die naͤchſten Blutsfreunde auſſer ſei- nen Kindern ſchon genannt ſind. Denn auf den Vater wird hier gar nicht geſehen, weil vermuthlich zum voraus geſetzet wird, daß wenn ſelbiger im Stande, ſeinem Sohne zu helfen, dieſer nicht zugeben wuͤr- de, daß der Sohn ſich als Knecht ver- kaufte, oder es wird auch zum voraus ge- ſetzt, daß der Vater ſchon geſtorben, oder alt und unvermoͤgend. Es muͤſſen dero- wegen unter obigen Worten Kinder und Enkel oder weitlaͤuftige Verwandte ver- ſtanden werden. Denn haͤtte man auf ei- nen Vater Ruͤckſicht genommen; ſo waͤre ſelbiger vor den Bruͤdern und Vettern ge- nannt worden. Was iſt nun wahrſchein- licher,

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/367>, abgerufen am 29.04.2024.