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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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terthan gewesen. Jch antworte, ein Jo-
seph hat niemals von seiner Gewalt Ge-
brauch gemacht gegen seinen Vater, und
ihm nie auf eine widrige Art empfinden las-
sen, daß er der Herr von Aegypten war,
sondern allezeit eine recht tiefe kindliche Ehr-
erbietung gegen seinen Vater beobachtet,
und ich kann mich nicht überreden, daß es
je der wolgefällige Wille Gottes seyn kön-
ne, daß ein Vater auf die Ehrerbietung
seines Sohnes Verzicht thue, und sich ihm
eben so unterwerfe, wie ein Unterthan un-
ter diejenigen, so über ihn befehlen. Man
setze, ein Sohn eines gemeinen Soldaten
würde der Corporal seines Vaters. Sollte
es dem liebreichsten Gotte wol gefällig seyn,
daß der Vater darein willigte, daß ihn
der Sohn, wie einen andern Soldaten
abprügelte, wenn er sein Gewehr nicht rein
genug hielte. Sollte Gott dem Sohne
wol erlauben, den Vater in diesem Falle
zu schlagen, oder würde es vielmehr sein
Wolgefallen seyn, wenn der Sohn dem
Vater das Gewehr reinigte? Der Kaiser-
liche General St. Amour, war eines
Bauern Sohn, dessen Vater noch lebte,
als er General war. Man setze, es wäre
dieser Vater in einem Kriege von einen Of-
ficier, der ihn nicht gekannt, aufgebothen
gewesen, Faschinen vor eine belagerte
Festung zu fahren, die man stürmen wol-
len: er hätte selbige aber nebst andern

Bauern

terthan geweſen. Jch antworte, ein Jo-
ſeph hat niemals von ſeiner Gewalt Ge-
brauch gemacht gegen ſeinen Vater, und
ihm nie auf eine widrige Art empfinden laſ-
ſen, daß er der Herr von Aegypten war,
ſondern allezeit eine recht tiefe kindliche Ehr-
erbietung gegen ſeinen Vater beobachtet,
und ich kann mich nicht uͤberreden, daß es
je der wolgefaͤllige Wille Gottes ſeyn koͤn-
ne, daß ein Vater auf die Ehrerbietung
ſeines Sohnes Verzicht thue, und ſich ihm
eben ſo unterwerfe, wie ein Unterthan un-
ter diejenigen, ſo uͤber ihn befehlen. Man
ſetze, ein Sohn eines gemeinen Soldaten
wuͤrde der Corporal ſeines Vaters. Sollte
es dem liebreichſten Gotte wol gefaͤllig ſeyn,
daß der Vater darein willigte, daß ihn
der Sohn, wie einen andern Soldaten
abpruͤgelte, wenn er ſein Gewehr nicht rein
genug hielte. Sollte Gott dem Sohne
wol erlauben, den Vater in dieſem Falle
zu ſchlagen, oder wuͤrde es vielmehr ſein
Wolgefallen ſeyn, wenn der Sohn dem
Vater das Gewehr reinigte? Der Kaiſer-
liche General St. Amour, war eines
Bauern Sohn, deſſen Vater noch lebte,
als er General war. Man ſetze, es waͤre
dieſer Vater in einem Kriege von einen Of-
ficier, der ihn nicht gekannt, aufgebothen
geweſen, Faſchinen vor eine belagerte
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[362/0382] terthan geweſen. Jch antworte, ein Jo- ſeph hat niemals von ſeiner Gewalt Ge- brauch gemacht gegen ſeinen Vater, und ihm nie auf eine widrige Art empfinden laſ- ſen, daß er der Herr von Aegypten war, ſondern allezeit eine recht tiefe kindliche Ehr- erbietung gegen ſeinen Vater beobachtet, und ich kann mich nicht uͤberreden, daß es je der wolgefaͤllige Wille Gottes ſeyn koͤn- ne, daß ein Vater auf die Ehrerbietung ſeines Sohnes Verzicht thue, und ſich ihm eben ſo unterwerfe, wie ein Unterthan un- ter diejenigen, ſo uͤber ihn befehlen. Man ſetze, ein Sohn eines gemeinen Soldaten wuͤrde der Corporal ſeines Vaters. Sollte es dem liebreichſten Gotte wol gefaͤllig ſeyn, daß der Vater darein willigte, daß ihn der Sohn, wie einen andern Soldaten abpruͤgelte, wenn er ſein Gewehr nicht rein genug hielte. Sollte Gott dem Sohne wol erlauben, den Vater in dieſem Falle zu ſchlagen, oder wuͤrde es vielmehr ſein Wolgefallen ſeyn, wenn der Sohn dem Vater das Gewehr reinigte? Der Kaiſer- liche General St. Amour, war eines Bauern Sohn, deſſen Vater noch lebte, als er General war. Man ſetze, es waͤre dieſer Vater in einem Kriege von einen Of- ficier, der ihn nicht gekannt, aufgebothen geweſen, Faſchinen vor eine belagerte Feſtung zu fahren, die man ſtuͤrmen wol- len: er haͤtte ſelbige aber nebſt andern Bauern

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/382>, abgerufen am 30.04.2024.