Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

noch eine Staatsursache, warum sie den
Götzendienst errichteten. Sie fürchteten
nämlich, ihr Volk möchte sich zu den Königen
Juda wieder wenden, wenn sie des Gottes-
dienstes wegen nach Jerusalem gehen müß-
ten *). Wenn nun ein grosser Abfall geschah,
so fiel alle bürgerliche Strafe der Untreue
hinweg. Gott begegnete alsdenn diesem Ue-
bel mit dem allerweisesten Mittel. Wenn
nämlich die Jsraeliten bey andern Göttern
ihr Glück suchten, so machte er sie am aller-
unglücklichsten. Er ließ Hunger und Pest
unter sie kommen, er übergab sie ihren Fein-
den, und ließ sie empfinden, daß sie ver-
geblich auf die Hülfe eines Götzen hoffeten.
Wenn sie sich denn ganz hülfloß und ver-
lassen sahen, so suchten sie den Herrn den
lebendigen Gott wieder. Nahm er sich
denn ihrer von neuen an, und ließ es ih-
nen eine Zeitlang wieder wol gehen, so ver-
gassen sie nach und nach der vorigen Zei-
ten, und wurden der Regierung des ei-
nigen Gottes wieder überdrüßig, druckten
und tödteten die Propheten des Herrn, und
suchten abermahls fremde und todte Götter,
und nöthigten den Allmächtigen, ihnen von
neuen zu zeigen, daß ausser ihm kein Gott
sey. Und wer hätte denken sollen, daß
mehr den tausend Jahre dazu gehöret, ehe
die Erkänntniß und Verehrung des einigen

lebendigen
*) 1 B. Kön. Cap. 12. v. 26-29.

noch eine Staatsurſache, warum ſie den
Goͤtzendienſt errichteten. Sie fuͤrchteten
naͤmlich, ihr Volk moͤchte ſich zu den Koͤnigen
Juda wieder wenden, wenn ſie des Gottes-
dienſtes wegen nach Jeruſalem gehen muͤß-
ten *). Wenn nun ein groſſer Abfall geſchah,
ſo fiel alle buͤrgerliche Strafe der Untreue
hinweg. Gott begegnete alsdenn dieſem Ue-
bel mit dem allerweiſeſten Mittel. Wenn
naͤmlich die Jſraeliten bey andern Goͤttern
ihr Gluͤck ſuchten, ſo machte er ſie am aller-
ungluͤcklichſten. Er ließ Hunger und Peſt
unter ſie kommen, er uͤbergab ſie ihren Fein-
den, und ließ ſie empfinden, daß ſie ver-
geblich auf die Huͤlfe eines Goͤtzen hoffeten.
Wenn ſie ſich denn ganz huͤlfloß und ver-
laſſen ſahen, ſo ſuchten ſie den Herrn den
lebendigen Gott wieder. Nahm er ſich
denn ihrer von neuen an, und ließ es ih-
nen eine Zeitlang wieder wol gehen, ſo ver-
gaſſen ſie nach und nach der vorigen Zei-
ten, und wurden der Regierung des ei-
nigen Gottes wieder uͤberdruͤßig, druckten
und toͤdteten die Propheten des Herrn, und
ſuchten abermahls fremde und todte Goͤtter,
und noͤthigten den Allmaͤchtigen, ihnen von
neuen zu zeigen, daß auſſer ihm kein Gott
ſey. Und wer haͤtte denken ſollen, daß
mehr den tauſend Jahre dazu gehoͤret, ehe
die Erkaͤnntniß und Verehrung des einigen

lebendigen
*) 1 B. Koͤn. Cap. 12. v. 26-29.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0096" n="76"/>
noch eine Staatsur&#x017F;ache, warum &#x017F;ie den<lb/>
Go&#x0364;tzendien&#x017F;t errichteten. Sie fu&#x0364;rchteten<lb/>
na&#x0364;mlich, ihr Volk mo&#x0364;chte &#x017F;ich zu den Ko&#x0364;nigen<lb/>
Juda wieder wenden, wenn &#x017F;ie des Gottes-<lb/>
dien&#x017F;tes wegen nach Jeru&#x017F;alem gehen mu&#x0364;ß-<lb/>
ten <note place="foot" n="*)">1 B. Ko&#x0364;n. Cap. 12. v. 26-29.</note>. Wenn nun ein gro&#x017F;&#x017F;er Abfall ge&#x017F;chah,<lb/>
&#x017F;o fiel alle bu&#x0364;rgerliche Strafe der Untreue<lb/>
hinweg. Gott begegnete alsdenn die&#x017F;em Ue-<lb/>
bel mit dem allerwei&#x017F;e&#x017F;ten Mittel. Wenn<lb/>
na&#x0364;mlich die J&#x017F;raeliten bey andern Go&#x0364;ttern<lb/>
ihr Glu&#x0364;ck &#x017F;uchten, &#x017F;o machte er &#x017F;ie am aller-<lb/>
unglu&#x0364;cklich&#x017F;ten. Er ließ Hunger und Pe&#x017F;t<lb/>
unter &#x017F;ie kommen, er u&#x0364;bergab &#x017F;ie ihren Fein-<lb/>
den, und ließ &#x017F;ie empfinden, daß &#x017F;ie ver-<lb/>
geblich auf die Hu&#x0364;lfe eines Go&#x0364;tzen hoffeten.<lb/>
Wenn &#x017F;ie &#x017F;ich denn ganz hu&#x0364;lfloß und ver-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ahen, &#x017F;o &#x017F;uchten &#x017F;ie den Herrn den<lb/>
lebendigen Gott wieder. Nahm er &#x017F;ich<lb/>
denn ihrer von neuen an, und ließ es ih-<lb/>
nen eine Zeitlang wieder wol gehen, &#x017F;o ver-<lb/>
ga&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie nach und nach der vorigen Zei-<lb/>
ten, und wurden der Regierung des ei-<lb/>
nigen Gottes wieder u&#x0364;berdru&#x0364;ßig, druckten<lb/>
und to&#x0364;dteten die Propheten des Herrn, und<lb/>
&#x017F;uchten abermahls fremde und todte Go&#x0364;tter,<lb/>
und no&#x0364;thigten den Allma&#x0364;chtigen, ihnen von<lb/>
neuen zu zeigen, daß au&#x017F;&#x017F;er ihm kein Gott<lb/>
&#x017F;ey. Und wer ha&#x0364;tte denken &#x017F;ollen, daß<lb/>
mehr den tau&#x017F;end Jahre dazu geho&#x0364;ret, ehe<lb/>
die Erka&#x0364;nntniß und Verehrung des einigen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lebendigen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0096] noch eine Staatsurſache, warum ſie den Goͤtzendienſt errichteten. Sie fuͤrchteten naͤmlich, ihr Volk moͤchte ſich zu den Koͤnigen Juda wieder wenden, wenn ſie des Gottes- dienſtes wegen nach Jeruſalem gehen muͤß- ten *). Wenn nun ein groſſer Abfall geſchah, ſo fiel alle buͤrgerliche Strafe der Untreue hinweg. Gott begegnete alsdenn dieſem Ue- bel mit dem allerweiſeſten Mittel. Wenn naͤmlich die Jſraeliten bey andern Goͤttern ihr Gluͤck ſuchten, ſo machte er ſie am aller- ungluͤcklichſten. Er ließ Hunger und Peſt unter ſie kommen, er uͤbergab ſie ihren Fein- den, und ließ ſie empfinden, daß ſie ver- geblich auf die Huͤlfe eines Goͤtzen hoffeten. Wenn ſie ſich denn ganz huͤlfloß und ver- laſſen ſahen, ſo ſuchten ſie den Herrn den lebendigen Gott wieder. Nahm er ſich denn ihrer von neuen an, und ließ es ih- nen eine Zeitlang wieder wol gehen, ſo ver- gaſſen ſie nach und nach der vorigen Zei- ten, und wurden der Regierung des ei- nigen Gottes wieder uͤberdruͤßig, druckten und toͤdteten die Propheten des Herrn, und ſuchten abermahls fremde und todte Goͤtter, und noͤthigten den Allmaͤchtigen, ihnen von neuen zu zeigen, daß auſſer ihm kein Gott ſey. Und wer haͤtte denken ſollen, daß mehr den tauſend Jahre dazu gehoͤret, ehe die Erkaͤnntniß und Verehrung des einigen lebendigen *) 1 B. Koͤn. Cap. 12. v. 26-29.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/96
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/96>, abgerufen am 28.04.2024.