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Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841.

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schon mehrmals Gesagtes nicht von neuem zu wiederholen,
gedenken wir hier nur des Staatsschulden-Edicts vom
17. Januar 1820, in welchem die Staatsschuld und alle
künftigen Anleihen unter "Garantie der Reichs-
stände
" gestellt werden. Wie sollte zur Zeit gemeinsa-
mer Noth der Staat, so lange er der Reichsstände ent-
behrt, ohne Umgehung des Gesezes eine neue Anleihe
machen? Wahrlich! Die Staatsgläubiger würden, bräche
früh oder spät ein Krieg aus, dessen Chancen doch nicht
zu bestimmen sind, durch das Edict v. 17. Januar eine
noch geringere Garantie haben, als in den Jahren 180
an den in der Berliner Bank deponirten Wittwen- und
Waisengeldern. --

2. Was aber bei Entscheidung der Frage noch von
größerm Gewicht ist, auch an der erforderlichen Rechts-
form
würde es einer derartigen Aufhebung des Gesezes
v. 22. Mai 1815 gebrechen.

"Alle Menschen," -- sagt Justus Möser der rechts-
eifrige advocatus patriae, -- "alle Menschen können
irren, der König wie der Philosoph, und letztere vielleicht
am ersten, da sie beide zu hoch stehen und von der Menge
der Sachen, die vor ihren Augen schweben, keine einzige
vollkommen ruhig und genau betrachten können. Dieser-
wegen haben es sich alle Nationen zur Grundfeste ih-
rer Freiheit
und ihres Eigenthums gemacht, daß dasje-
nige was ein Mensch für Recht oder Wahrheit erkennt,

ſchon mehrmals Geſagtes nicht von neuem zu wiederholen,
gedenken wir hier nur des Staatsſchulden-Edicts vom
17. Januar 1820, in welchem die Staatsſchuld und alle
kuͤnftigen Anleihen unter „Garantie der Reichs-
ſtaͤnde
“ geſtellt werden. Wie ſollte zur Zeit gemeinſa-
mer Noth der Staat, ſo lange er der Reichsſtaͤnde ent-
behrt, ohne Umgehung des Geſezes eine neue Anleihe
machen? Wahrlich! Die Staatsglaͤubiger wuͤrden, braͤche
fruͤh oder ſpaͤt ein Krieg aus, deſſen Chancen doch nicht
zu beſtimmen ſind, durch das Edict v. 17. Januar eine
noch geringere Garantie haben, als in den Jahren 180
an den in der Berliner Bank deponirten Wittwen- und
Waiſengeldern. —

2. Was aber bei Entſcheidung der Frage noch von
groͤßerm Gewicht iſt, auch an der erforderlichen Rechts-
form
wuͤrde es einer derartigen Aufhebung des Geſezes
v. 22. Mai 1815 gebrechen.

„Alle Menſchen,“ — ſagt Juſtus Moͤſer der rechts-
eifrige advocatus patriae, — „alle Menſchen koͤnnen
irren, der Koͤnig wie der Philoſoph, und letztere vielleicht
am erſten, da ſie beide zu hoch ſtehen und von der Menge
der Sachen, die vor ihren Augen ſchweben, keine einzige
vollkommen ruhig und genau betrachten koͤnnen. Dieſer-
wegen haben es ſich alle Nationen zur Grundfeſte ih-
rer Freiheit
und ihres Eigenthums gemacht, daß dasje-
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[45/0051] ſchon mehrmals Geſagtes nicht von neuem zu wiederholen, gedenken wir hier nur des Staatsſchulden-Edicts vom 17. Januar 1820, in welchem die Staatsſchuld und alle kuͤnftigen Anleihen unter „Garantie der Reichs- ſtaͤnde“ geſtellt werden. Wie ſollte zur Zeit gemeinſa- mer Noth der Staat, ſo lange er der Reichsſtaͤnde ent- behrt, ohne Umgehung des Geſezes eine neue Anleihe machen? Wahrlich! Die Staatsglaͤubiger wuͤrden, braͤche fruͤh oder ſpaͤt ein Krieg aus, deſſen Chancen doch nicht zu beſtimmen ſind, durch das Edict v. 17. Januar eine noch geringere Garantie haben, als in den Jahren 180[FORMEL] an den in der Berliner Bank deponirten Wittwen- und Waiſengeldern. — 2. Was aber bei Entſcheidung der Frage noch von groͤßerm Gewicht iſt, auch an der erforderlichen Rechts- form wuͤrde es einer derartigen Aufhebung des Geſezes v. 22. Mai 1815 gebrechen. „Alle Menſchen,“ — ſagt Juſtus Moͤſer der rechts- eifrige advocatus patriae, — „alle Menſchen koͤnnen irren, der Koͤnig wie der Philoſoph, und letztere vielleicht am erſten, da ſie beide zu hoch ſtehen und von der Menge der Sachen, die vor ihren Augen ſchweben, keine einzige vollkommen ruhig und genau betrachten koͤnnen. Dieſer- wegen haben es ſich alle Nationen zur Grundfeſte ih- rer Freiheit und ihres Eigenthums gemacht, daß dasje- nige was ein Menſch fuͤr Recht oder Wahrheit erkennt,

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Zitationshilfe: Jacoby, Johann: Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Mannheim, 1841, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacoby_fragen_1841/51>, abgerufen am 28.04.2024.