Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

Bild:
<< vorherige Seite

Deine Vorrede ist eine fast demonstrative Parodie der Jenaischen
Paralogismen; und aus diesem Scherz ist tiefer Ernst geworden. -- Ich
wolte, das Schiksal hätte dir und Salomo nicht das gegeben, was ihr
nicht begehret habt, damit ihr andern das öfter gäbet, was sie auch
nicht begehren. --5

Hier nim mein musivisches Steingen zu deiner Almanachs Musaik.
Ich schlug bisher den periodischen Schriftstellern mich ab, weil ich
zu meiner Renbahn ein Ries Drukpapier vor mir haben mus -- weil
kleine Romane bei mir zu grossen werden -- weil Satiren keiner gern
mag -- weil ich mit Leib und Seele immer nur in Einer Hauptarbeit10
webe und lebe. Aber dir und deinem Bruder gab ichs mit Freuden;
ja gefälts dir nicht, so zeug' ich etwas anderes und sogar was -- du
vorschreibst. Die Nothwendigkeit ist bei mir eine musa (tacita).

Ich fürchte, Baggesen hat auf sein Sendschreiben ein geistreicheres,
längeres und wärmeres d. h. ähnlicheres erwartet als mein Billet15
[184]war; thue für mich die 5te Bitte an ihn. Wüst' er meine Plane,
Satiren, Gleichnisse, Abhandlungen die schon da liegen und die in
20 Jahren kaum zu edieren sind -- und in 20 Jahren wächset eben so
viel neues wildes Fleisch nach --: so würd' er sich wundern, daß ich
mir nur noch Zeit nehme zu schreiben Weimar den 6ten.20

Ach Bruder, nun quälet mich dein Bild. Denn ich wil zu dir, mein
Herz schlägt nach dir. Nur auf 2 Tage wenn die Sarawüste der Haide
sich durch einen Erdfal abkürzte. Schreibe mir Baggesens Hochzeit.
Ich komme vielleicht, wiewohl mit vieler Hofnung, mich zu -- ver-
loben. Beim Himmel! das ist mir nöthiger als Himmelsbrod. Hätt'25
ich eine Frau -- das heisset bei mir blos ein junges, ganz sitlich-
reines, helles weibliches Wesen, keine genialische -- so fragt' ich nach
dem Gelde und nach dem Abendessen etwas, und nach Geselschaften
weniger und nach dem Leben mehr, das meine poetischen Träume
immer durchsichtiger und flitterhafter schlagen. Deutsche Weiber30
such' ich zuerst in Niedersachsen; gallische und Teufelsgrosmütter viel
südlicher.

-- Nim es mit dem vom Staate etc. gebognen und wundgeriebnen
Herder nicht genau. Er trägt auf seinen zarten Zweigen ausser den
Früchten die Konsistorialwäsche, die jener an ihn hängt zum Troknen.35
Ach welchen Zederngipfel würd er treiben ausserhalb der Kanzeldecke
und Sessionsstube. --

Deine Vorrede iſt eine faſt demonſtrative Parodie der Jenaiſchen
Paralogiſmen; und aus dieſem Scherz iſt tiefer Ernſt geworden. — Ich
wolte, das Schikſal hätte dir und Salomo nicht das gegeben, was ihr
nicht begehret habt, damit ihr andern das öfter gäbet, was ſie auch
nicht begehren. —5

Hier nim mein muſiviſches Steingen zu deiner Almanachs Muſaik.
Ich ſchlug bisher den periodiſchen Schriftſtellern mich ab, weil ich
zu meiner Renbahn ein Ries Drukpapier vor mir haben mus — weil
kleine Romane bei mir zu groſſen werden — weil Satiren keiner gern
mag — weil ich mit Leib und Seele immer nur in Einer Hauptarbeit10
webe und lebe. Aber dir und deinem Bruder gab ichs mit Freuden;
ja gefälts dir nicht, ſo zeug’ ich etwas anderes und ſogar was — du
vorſchreibſt. Die Nothwendigkeit iſt bei mir eine musa (tacita).

Ich fürchte, Baggesen hat auf ſein Sendſchreiben ein geiſtreicheres,
längeres und wärmeres d. h. ähnlicheres erwartet als mein Billet15
[184]war; thue für mich die 5te Bitte an ihn. Wüſt’ er meine Plane,
Satiren, Gleichniſſe, Abhandlungen die ſchon da liegen und die in
20 Jahren kaum zu edieren ſind — und in 20 Jahren wächſet eben ſo
viel neues wildes Fleiſch nach —: ſo würd’ er ſich wundern, daß ich
mir nur noch Zeit nehme zu ſchreiben Weimar den 6ten.20

Ach Bruder, nun quälet mich dein Bild. Denn ich wil zu dir, mein
Herz ſchlägt nach dir. Nur auf 2 Tage wenn die Sarawüſte der Haide
ſich durch einen Erdfal abkürzte. Schreibe mir Baggesens Hochzeit.
Ich komme vielleicht, wiewohl mit vieler Hofnung, mich zu — ver-
loben. Beim Himmel! das iſt mir nöthiger als Himmelsbrod. Hätt’25
ich eine Frau — das heiſſet bei mir blos ein junges, ganz ſitlich-
reines, helles weibliches Weſen, keine genialiſche — ſo fragt’ ich nach
dem Gelde und nach dem Abendeſſen etwas, und nach Geſelſchaften
weniger und nach dem Leben mehr, das meine poetiſchen Träume
immer durchſichtiger und flitterhafter ſchlagen. Deutſche Weiber30
ſuch’ ich zuerſt in Niederſachſen; galliſche und Teufelsgrosmütter viel
ſüdlicher.

— Nim es mit dem vom Staate ꝛc. gebognen und wundgeriebnen
Herder nicht genau. Er trägt auf ſeinen zarten Zweigen auſſer den
Früchten die Konſiſtorialwäſche, die jener an ihn hängt zum Troknen.35
Ach welchen Zederngipfel würd er treiben auſſerhalb der Kanzeldecke
und Seſſionsſtube. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <pb facs="#f0180" n="166"/>
        <p>Deine Vorrede i&#x017F;t eine fa&#x017F;t demon&#x017F;trative Parodie der Jenai&#x017F;chen<lb/>
Paralogi&#x017F;men; und aus die&#x017F;em Scherz i&#x017F;t tiefer Ern&#x017F;t geworden. &#x2014; Ich<lb/>
wolte, das Schik&#x017F;al hätte dir und Salomo nicht das gegeben, was ihr<lb/>
nicht begehret habt, damit ihr andern das öfter gäbet, was &#x017F;ie auch<lb/>
nicht begehren. &#x2014;<lb n="5"/>
</p>
        <p>Hier nim mein mu&#x017F;ivi&#x017F;ches Steingen zu deiner Almanachs Mu&#x017F;aik.<lb/>
Ich &#x017F;chlug bisher den periodi&#x017F;chen Schrift&#x017F;tellern mich ab, weil ich<lb/>
zu meiner Renbahn ein Ries Drukpapier vor mir haben mus &#x2014; weil<lb/>
kleine Romane bei mir zu gro&#x017F;&#x017F;en werden &#x2014; weil Satiren keiner gern<lb/>
mag &#x2014; weil ich mit Leib und Seele immer nur in Einer Hauptarbeit<lb n="10"/>
webe und lebe. Aber dir und deinem Bruder gab ichs mit Freuden;<lb/>
ja gefälts dir nicht, &#x017F;o zeug&#x2019; ich etwas anderes und &#x017F;ogar was &#x2014; du<lb/>
vor&#x017F;chreib&#x017F;t. Die Nothwendigkeit i&#x017F;t bei mir eine <hi rendition="#aq">musa (tacita).</hi></p><lb/>
        <p>Ich fürchte, <hi rendition="#aq">Baggesen</hi> hat auf &#x017F;ein Send&#x017F;chreiben ein gei&#x017F;treicheres,<lb/>
längeres und wärmeres d. h. ähnlicheres erwartet als mein Billet<lb n="15"/>
<note place="left"><ref target="1922_Bd3_184">[184]</ref></note>war; thue für mich die 5<hi rendition="#sup">te</hi> Bitte an ihn. Wü&#x017F;t&#x2019; er meine Plane,<lb/>
Satiren, Gleichni&#x017F;&#x017F;e, Abhandlungen die &#x017F;chon da liegen und die in<lb/>
20 Jahren kaum zu edieren &#x017F;ind &#x2014; und in 20 Jahren wäch&#x017F;et eben &#x017F;o<lb/>
viel neues wildes Flei&#x017F;ch nach &#x2014;: &#x017F;o würd&#x2019; er &#x017F;ich wundern, daß ich<lb/>
mir nur noch Zeit nehme zu &#x017F;chreiben <hi rendition="#aq">Weimar</hi> den 6<hi rendition="#sup">ten</hi>.<lb n="20"/>
</p>
        <p>Ach Bruder, nun quälet mich dein Bild. Denn ich wil zu dir, mein<lb/>
Herz &#x017F;chlägt nach dir. Nur auf 2 Tage wenn die Sarawü&#x017F;te der Haide<lb/>
&#x017F;ich durch einen Erdfal abkürzte. Schreibe mir <hi rendition="#aq">Baggesens</hi> Hochzeit.<lb/>
Ich komme vielleicht, wiewohl mit vieler Hofnung, mich zu &#x2014; ver-<lb/>
loben. Beim Himmel! das i&#x017F;t mir nöthiger als Himmelsbrod. Hätt&#x2019;<lb n="25"/>
ich eine Frau &#x2014; das hei&#x017F;&#x017F;et bei mir blos ein <hi rendition="#g">junges,</hi> ganz &#x017F;itlich-<lb/>
reines, helles weibliches We&#x017F;en, keine geniali&#x017F;che &#x2014; &#x017F;o fragt&#x2019; ich nach<lb/>
dem Gelde und nach dem Abende&#x017F;&#x017F;en etwas, und nach Ge&#x017F;el&#x017F;chaften<lb/>
weniger und nach dem Leben mehr, das meine poeti&#x017F;chen Träume<lb/>
immer durch&#x017F;ichtiger und flitterhafter &#x017F;chlagen. <hi rendition="#g">Deut&#x017F;che</hi> Weiber<lb n="30"/>
&#x017F;uch&#x2019; ich zuer&#x017F;t in Nieder&#x017F;ach&#x017F;en; galli&#x017F;che und Teufelsgrosmütter viel<lb/>
&#x017F;üdlicher.</p><lb/>
        <p>&#x2014; Nim es mit dem vom Staate &#xA75B;c. gebognen und wundgeriebnen<lb/><hi rendition="#aq">Herder</hi> nicht genau. Er trägt auf &#x017F;einen zarten Zweigen au&#x017F;&#x017F;er den<lb/>
Früchten die Kon&#x017F;i&#x017F;torialwä&#x017F;che, die jener an ihn hängt zum Troknen.<lb n="35"/>
Ach welchen Zederngipfel würd er treiben au&#x017F;&#x017F;erhalb der Kanzeldecke<lb/>
und Se&#x017F;&#x017F;ions&#x017F;tube. &#x2014;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0180] Deine Vorrede iſt eine faſt demonſtrative Parodie der Jenaiſchen Paralogiſmen; und aus dieſem Scherz iſt tiefer Ernſt geworden. — Ich wolte, das Schikſal hätte dir und Salomo nicht das gegeben, was ihr nicht begehret habt, damit ihr andern das öfter gäbet, was ſie auch nicht begehren. — 5 Hier nim mein muſiviſches Steingen zu deiner Almanachs Muſaik. Ich ſchlug bisher den periodiſchen Schriftſtellern mich ab, weil ich zu meiner Renbahn ein Ries Drukpapier vor mir haben mus — weil kleine Romane bei mir zu groſſen werden — weil Satiren keiner gern mag — weil ich mit Leib und Seele immer nur in Einer Hauptarbeit 10 webe und lebe. Aber dir und deinem Bruder gab ichs mit Freuden; ja gefälts dir nicht, ſo zeug’ ich etwas anderes und ſogar was — du vorſchreibſt. Die Nothwendigkeit iſt bei mir eine musa (tacita). Ich fürchte, Baggesen hat auf ſein Sendſchreiben ein geiſtreicheres, längeres und wärmeres d. h. ähnlicheres erwartet als mein Billet 15 war; thue für mich die 5te Bitte an ihn. Wüſt’ er meine Plane, Satiren, Gleichniſſe, Abhandlungen die ſchon da liegen und die in 20 Jahren kaum zu edieren ſind — und in 20 Jahren wächſet eben ſo viel neues wildes Fleiſch nach —: ſo würd’ er ſich wundern, daß ich mir nur noch Zeit nehme zu ſchreiben Weimar den 6ten. 20 [184]Ach Bruder, nun quälet mich dein Bild. Denn ich wil zu dir, mein Herz ſchlägt nach dir. Nur auf 2 Tage wenn die Sarawüſte der Haide ſich durch einen Erdfal abkürzte. Schreibe mir Baggesens Hochzeit. Ich komme vielleicht, wiewohl mit vieler Hofnung, mich zu — ver- loben. Beim Himmel! das iſt mir nöthiger als Himmelsbrod. Hätt’ 25 ich eine Frau — das heiſſet bei mir blos ein junges, ganz ſitlich- reines, helles weibliches Weſen, keine genialiſche — ſo fragt’ ich nach dem Gelde und nach dem Abendeſſen etwas, und nach Geſelſchaften weniger und nach dem Leben mehr, das meine poetiſchen Träume immer durchſichtiger und flitterhafter ſchlagen. Deutſche Weiber 30 ſuch’ ich zuerſt in Niederſachſen; galliſche und Teufelsgrosmütter viel ſüdlicher. — Nim es mit dem vom Staate ꝛc. gebognen und wundgeriebnen Herder nicht genau. Er trägt auf ſeinen zarten Zweigen auſſer den Früchten die Konſiſtorialwäſche, die jener an ihn hängt zum Troknen. 35 Ach welchen Zederngipfel würd er treiben auſſerhalb der Kanzeldecke und Seſſionsſtube. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/180
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/180>, abgerufen am 15.05.2024.