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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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meiner Namen-Wählerei, Romeiro stat Don Gaspard etc. stehen;
streich es aus wie alle Errata. -- Ich brauche bei deiner ersten Lektüre
(schenkst du ihm anders eine 2te) kein räsonnierendes Urtheil, sondern
nur eines ohne rationes dec[idendi] et d[ubitandi?]. Ach warum
hab ich nicht alle Theile auf einmal fertig und zu präsentieren!5


Nicht die Hälfte meines Volks konte im engen 1 Band zum Agieren
kommen; indes wil ich mich auch nicht übereilen. Sage mir doch
Spasses halber deine Konjekturen über die künftige Geschichte; wiewohl
es unmöglich ist, nur 2 rechte zu machen. --10

[am Rande: Jezt da ich viel auf einmal in ihm wiedergelesen:
freuet es mich daß ich noch jung darin bin und flamme und donnere.]

Warum hatten wir diese schönen Tage nicht in Jena? Ich fühlte
mich durch die Enge unsers Sehens damals gedrükt und verworren;
ich hatte so viel zu hören und zu sagen! Man wirft mirs hier vor, daß15
ich dich nicht her gezwungen. Die Kalb liebt dich herzlich; auch Amöne
gefält ihr ganz. Aber dieser scheint noch wenig zu gefallen; sie sieht
und hört eine neue Welt mit etwas Höferischen Augen und Ohren.
Auf ihre Moralität kan sie hier stolz werden, aber nicht auf ihr Wissen,
da sie hier eine weibliche Theilnahme an Gegenständen des Gesprächs20
findet, die ihr fremd ist. --

Lebe seelig, mein Geliebter!

Lies doch in der Meusels Litteraturzeitung die Rezension über mich
im Jenner.

238. An Karoline Herder.[194]25

Freudig erschrak ich über Ihre Morgen-Gabe, theuere Freundin!
Es ist eine glänzende Aurora am Buch; und nach der Mythologie
hat die Aurora 2 Pferde mehr als Apollo; unter diesen 2 mein' ich
die herliche Dichtung und den Wiz. --30

Erinnerungen hab' ich folgende kleine:

Über die Hexen.

",Kluge Frau' war der Name der alwissenden heiligen Weiber
"oder Alrunen; Hexen genant, weil sie in einem Wald einsam wohnten
"und niemand an diesen verhegten Plaz durfte. In Angelsächs. hies35

meiner Namen-Wählerei, Romeiro ſtat Don Gaſpard ꝛc. ſtehen;
ſtreich es aus wie alle Errata. — Ich brauche bei deiner erſten Lektüre
(ſchenkſt du ihm anders eine 2te) kein räſonnierendes Urtheil, ſondern
nur eines ohne rationes dec[idendi] et d[ubitandi?]. Ach warum
hab ich nicht alle Theile auf einmal fertig und zu präſentieren!5


Nicht die Hälfte meines Volks konte im engen 1 Band zum Agieren
kommen; indes wil ich mich auch nicht übereilen. Sage mir doch
Spaſſes halber deine Konjekturen über die künftige Geſchichte; wiewohl
es unmöglich iſt, nur 2 rechte zu machen. —10

[am Rande: Jezt da ich viel auf einmal in ihm wiedergeleſen:
freuet es mich daß ich noch jung darin bin und flamme und donnere.]

Warum hatten wir dieſe ſchönen Tage nicht in Jena? Ich fühlte
mich durch die Enge unſers Sehens damals gedrükt und verworren;
ich hatte ſo viel zu hören und zu ſagen! Man wirft mirs hier vor, daß15
ich dich nicht her gezwungen. Die Kalb liebt dich herzlich; auch Amöne
gefält ihr ganz. Aber dieſer ſcheint noch wenig zu gefallen; ſie ſieht
und hört eine neue Welt mit etwas Höferiſchen Augen und Ohren.
Auf ihre Moralität kan ſie hier ſtolz werden, aber nicht auf ihr Wiſſen,
da ſie hier eine weibliche Theilnahme an Gegenſtänden des Geſprächs20
findet, die ihr fremd iſt. —

Lebe ſeelig, mein Geliebter!

Lies doch in der Meuſels Litteraturzeitung die Rezenſion über mich
im Jenner.

238. An Karoline Herder.[194]25

Freudig erſchrak ich über Ihre Morgen-Gabe, theuere Freundin!
Es iſt eine glänzende Aurora am Buch; und nach der Mythologie
hat die Aurora 2 Pferde mehr als Apollo; unter dieſen 2 mein’ ich
die herliche Dichtung und den Wiz. —30

Erinnerungen hab’ ich folgende kleine:

Über die Hexen.

„‚Kluge Frau‘ war der Name der alwiſſenden heiligen Weiber
„oder Alrunen; Hexen genant, weil ſie in einem Wald einſam wohnten
„und niemand an dieſen verhegten Plaz durfte. In Angelſächſ. hies35

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[175/0189] meiner Namen-Wählerei, Romeiro ſtat Don Gaſpard ꝛc. ſtehen; ſtreich es aus wie alle Errata. — Ich brauche bei deiner erſten Lektüre (ſchenkſt du ihm anders eine 2te) kein räſonnierendes Urtheil, ſondern nur eines ohne rationes dec[idendi] et d[ubitandi?]. Ach warum hab ich nicht alle Theile auf einmal fertig und zu präſentieren! 5 d. 5. Ap. Nicht die Hälfte meines Volks konte im engen 1 Band zum Agieren kommen; indes wil ich mich auch nicht übereilen. Sage mir doch Spaſſes halber deine Konjekturen über die künftige Geſchichte; wiewohl es unmöglich iſt, nur 2 rechte zu machen. — 10 [am Rande: Jezt da ich viel auf einmal in ihm wiedergeleſen: freuet es mich daß ich noch jung darin bin und flamme und donnere.] Warum hatten wir dieſe ſchönen Tage nicht in Jena? Ich fühlte mich durch die Enge unſers Sehens damals gedrükt und verworren; ich hatte ſo viel zu hören und zu ſagen! Man wirft mirs hier vor, daß 15 ich dich nicht her gezwungen. Die Kalb liebt dich herzlich; auch Amöne gefält ihr ganz. Aber dieſer ſcheint noch wenig zu gefallen; ſie ſieht und hört eine neue Welt mit etwas Höferiſchen Augen und Ohren. Auf ihre Moralität kan ſie hier ſtolz werden, aber nicht auf ihr Wiſſen, da ſie hier eine weibliche Theilnahme an Gegenſtänden des Geſprächs 20 findet, die ihr fremd iſt. — Lebe ſeelig, mein Geliebter! Lies doch in der Meuſels Litteraturzeitung die Rezenſion über mich im Jenner. 238. An Karoline Herder. 25 W[eimar] d. 6. Ap. 99 [Sonnabend]. Freudig erſchrak ich über Ihre Morgen-Gabe, theuere Freundin! Es iſt eine glänzende Aurora am Buch; und nach der Mythologie hat die Aurora 2 Pferde mehr als Apollo; unter dieſen 2 mein’ ich die herliche Dichtung und den Wiz. — 30 Erinnerungen hab’ ich folgende kleine: Über die Hexen. „‚Kluge Frau‘ war der Name der alwiſſenden heiligen Weiber „oder Alrunen; Hexen genant, weil ſie in einem Wald einſam wohnten „und niemand an dieſen verhegten Plaz durfte. In Angelſächſ. hies 35

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/189>, abgerufen am 22.05.2024.