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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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84. An Luise Reim in Leipzig?
[Kopie]

-- Ich kan Ihren Brief nicht in der Ferne von 161/2 Meilen sondern
161/2 Zollen beantworten.

85. An Charlotte Reim in Leipzig.5

Sie hingegen, gute Charlotte, haben Ihren Brief nicht so kurz
gefasset wie Ihr Haar, sondern mir wenigstens die eine Hälfte meines
Willens gethan. Ihr lieber Brief brachte meiner Phantasie Ihre
[65]Augen, Ihre Stimme, Ihr Haar, Ihren Mund -- diesen indessen10
doch nicht ganz -- und sogar das Fenster mit, wo ich Sie oft quäle.

Ich hoff' es bald wieder zu thun; und da ein Christ täglich sterben
sol, wil ich von Ihnen täglich Abschied nehmen wie das lezte mal.

Ich wüste keine schönere Belohnung für Ihre Nähstunde meinetwegen,
als wenn das niedliche engelblasse Kind, das Sie in eine Nonne schwarz15
eingekleidet haben, Ihnen darin sein Lächeln entgegenbringen könte.

Grüssen Sie die mit der Natur auflebende liebe Platner!

Fliegen Sie mir alle, wenn ich in die Stube trete -- die ich dasmal
ungescheuet offen lasse -- freudetrunken entgegen! Und thun Sie Ihrem
vorigen Tischnachbar, und künftigen Gassennachbar überal seinen20
Willen! Das wird ihn laben! Adieu, Liebe!

Jean Paul
86. An Elisa Feind in Leipzig.
[Kopie]

Meinen Himmeln -- dem blauen -- dem warmen -- dem freund-
schaftlichen -- dem erhabnen gebürgigen -- diesen fehlt blos der25
harmonische, in den Sie mich führten. Als prophetischer Wetter-
jesaias, als schlechter Wetter-Jeremias. Ich werde das Opfer der
metereologischen [!] Hiobspost. Ob ich gleich von der Freundschaft zur
Freundschaft abreise, so zieht doch schon über meine jezigen blauen
Tage die Wolke des lezten, wo ich so geliebte Menschen verlieren mus.30

87. An Emilie von Berlepsch in Weimar.
[Kopie]

Von der blühenden Freundschaftsinsel seh' ich auf das weite Meer,

84. An Luiſe Reim in Leipzig?
[Kopie]

— Ich kan Ihren Brief nicht in der Ferne von 16½ Meilen ſondern
16½ Zollen beantworten.

85. An Charlotte Reim in Leipzig.5

Sie hingegen, gute Charlotte, haben Ihren Brief nicht ſo kurz
gefaſſet wie Ihr Haar, ſondern mir wenigſtens die eine Hälfte meines
Willens gethan. Ihr lieber Brief brachte meiner Phantaſie Ihre
[65]Augen, Ihre Stimme, Ihr Haar, Ihren Mund — dieſen indeſſen10
doch nicht ganz — und ſogar das Fenſter mit, wo ich Sie oft quäle.

Ich hoff’ es bald wieder zu thun; und da ein Chriſt täglich ſterben
ſol, wil ich von Ihnen täglich Abſchied nehmen wie das lezte mal.

Ich wüſte keine ſchönere Belohnung für Ihre Nähſtunde meinetwegen,
als wenn das niedliche engelblaſſe Kind, das Sie in eine Nonne ſchwarz15
eingekleidet haben, Ihnen darin ſein Lächeln entgegenbringen könte.

Grüſſen Sie die mit der Natur auflebende liebe Platner!

Fliegen Sie mir alle, wenn ich in die Stube trete — die ich dasmal
ungeſcheuet offen laſſe — freudetrunken entgegen! Und thun Sie Ihrem
vorigen Tiſchnachbar, und künftigen Gaſſennachbar überal ſeinen20
Willen! Das wird ihn laben! Adieu, Liebe!

Jean Paul
86. An Eliſa Feind in Leipzig.
[Kopie]

Meinen Himmeln — dem blauen — dem warmen — dem freund-
ſchaftlichen — dem erhabnen gebürgigen — dieſen fehlt blos der25
harmoniſche, in den Sie mich führten. Als prophetiſcher Wetter-
jeſaias, als ſchlechter Wetter-Jeremias. Ich werde das Opfer der
metereologiſchen [!] Hiobspoſt. Ob ich gleich von der Freundſchaft zur
Freundſchaft abreiſe, ſo zieht doch ſchon über meine jezigen blauen
Tage die Wolke des lezten, wo ich ſo geliebte Menſchen verlieren mus.30

87. An Emilie von Berlepſch in Weimar.
[Kopie]

Von der blühenden Freundſchaftsinſel ſeh’ ich auf das weite Meer,

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[60/0067] 84. An Luiſe Reim in Leipzig? [Hof, 18. (?) April 1798] — Ich kan Ihren Brief nicht in der Ferne von 16½ Meilen ſondern 16½ Zollen beantworten. 85. An Charlotte Reim in Leipzig. 5 Hof. d. 18 Apr. 98. Sie hingegen, gute Charlotte, haben Ihren Brief nicht ſo kurz gefaſſet wie Ihr Haar, ſondern mir wenigſtens die eine Hälfte meines Willens gethan. Ihr lieber Brief brachte meiner Phantaſie Ihre Augen, Ihre Stimme, Ihr Haar, Ihren Mund — dieſen indeſſen 10 doch nicht ganz — und ſogar das Fenſter mit, wo ich Sie oft quäle. [65] Ich hoff’ es bald wieder zu thun; und da ein Chriſt täglich ſterben ſol, wil ich von Ihnen täglich Abſchied nehmen wie das lezte mal. Ich wüſte keine ſchönere Belohnung für Ihre Nähſtunde meinetwegen, als wenn das niedliche engelblaſſe Kind, das Sie in eine Nonne ſchwarz 15 eingekleidet haben, Ihnen darin ſein Lächeln entgegenbringen könte. Grüſſen Sie die mit der Natur auflebende liebe Platner! Fliegen Sie mir alle, wenn ich in die Stube trete — die ich dasmal ungeſcheuet offen laſſe — freudetrunken entgegen! Und thun Sie Ihrem vorigen Tiſchnachbar, und künftigen Gaſſennachbar überal ſeinen 20 Willen! Das wird ihn laben! Adieu, Liebe! Jean Paul 86. An Eliſa Feind in Leipzig. [Hof, 18. April 1798] Meinen Himmeln — dem blauen — dem warmen — dem freund- ſchaftlichen — dem erhabnen gebürgigen — dieſen fehlt blos der 25 harmoniſche, in den Sie mich führten. Als prophetiſcher Wetter- jeſaias, als ſchlechter Wetter-Jeremias. Ich werde das Opfer der metereologiſchen [!] Hiobspoſt. Ob ich gleich von der Freundſchaft zur Freundſchaft abreiſe, ſo zieht doch ſchon über meine jezigen blauen Tage die Wolke des lezten, wo ich ſo geliebte Menſchen verlieren mus. 30 87. An Emilie von Berlepſch in Weimar. [Hof, 21. April 1798] Von der blühenden Freundſchaftsinſel ſeh’ ich auf das weite Meer,

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/67>, abgerufen am 30.04.2024.