-- den beiliegenden wilden Anfang hin; aber er bleibe nun unvoll- endet, sogar unleserlich; mein Herz sehen Sie doch darin.
[Beilage]
d. 9. Nov.
Die Mutter Emanuels an ihn.5
Bist du seelig? -- Ich werde noch seeliger durch dich -- Mein Sohn, der unter allen Menschen mich am meisten liebte, -- thut auf der Erde, was erst der Himmel erkennt -- er liebt und jede seiner Thaten vergrößert meinen Himmel.
Seelig machen ist Seelig sein -- Mein Sohn thut es; aber wenn10 ich auch mich sehne nach ihm, so ist er doch bei mir und kaum kommt er zu spät zu mir; denn er liebt in der todten kalten Welt. Und an der Erde lernt er den Himmel lieben.
Die Mutter an den Sohn.
Du hast mich nie vergessen, schon als ich irdisch lebte und noch15 weniger als ich überirdisch lebte. Du hast meinen Namen an deiner Hand; aber diese Hand bewegt den Himmel.
949. An Kunz in Bamberg.
[Kopie][Bayreuth, 18. Nov. 1814]
-- Die Weine betittelten sich auf der Zunge selber ohne Ihren20 Sortenzettel -- so gern ich mich von dem literarischen Sternen- himmel in der dunkeln Dezemberzeit erleuchten ließe -- fast zu callotisch -- Der Humor ist rein, die Flamme seiner Phantasie hoch genug, um alles Düstere zu zeigen, und seine Einbürgerung der prosaischten Alltäglichkeit in die poetischte Ewigkeit originell und25 kühn. Nur muß er solche Kräfte nicht für eine einzige Bahn ab- nutzen.
950. An Emanuel.
[Bayreuth, 20. Nov. 1814]
Guten Morgen, mein Alter! Hier stellt sich das von Ihnen30 montierte Regiment dar. Max läßt nicht drucken, wie sein Vater, sondern druckt schon selber. -- Das vorige mal, wo mir wieder Ihre Sichtbarkeit entnommen wurde, war ich in Hoffnung der- selben bis 7 Uhr zu Hause.
— den beiliegenden wilden Anfang hin; aber er bleibe nun unvoll- endet, ſogar unleſerlich; mein Herz ſehen Sie doch darin.
[Beilage]
d. 9. Nov.
Die Mutter Emanuels an ihn.5
Biſt du ſeelig? — Ich werde noch ſeeliger durch dich — Mein Sohn, der unter allen Menſchen mich am meiſten liebte, — thut auf der Erde, was erſt der Himmel erkennt — er liebt und jede ſeiner Thaten vergrößert meinen Himmel.
Seelig machen iſt Seelig ſein — Mein Sohn thut es; aber wenn10 ich auch mich ſehne nach ihm, ſo iſt er doch bei mir und kaum kommt er zu ſpät zu mir; denn er liebt in der todten kalten Welt. Und an der Erde lernt er den Himmel lieben.
Die Mutter an den Sohn.
Du haſt mich nie vergeſſen, ſchon als ich irdiſch lebte und noch15 weniger als ich überirdiſch lebte. Du haſt meinen Namen an deiner Hand; aber dieſe Hand bewegt den Himmel.
949. An Kunz in Bamberg.
[Kopie][Bayreuth, 18. Nov. 1814]
— Die Weine betittelten ſich auf der Zunge ſelber ohne Ihren20 Sortenzettel — ſo gern ich mich von dem literariſchen Sternen- himmel in der dunkeln Dezemberzeit erleuchten ließe — faſt zu callotiſch — Der Humor iſt rein, die Flamme ſeiner Phantaſie hoch genug, um alles Düſtere zu zeigen, und ſeine Einbürgerung der proſaiſchten Alltäglichkeit in die poetiſchte Ewigkeit originell und25 kühn. Nur muß er ſolche Kräfte nicht für eine einzige Bahn ab- nutzen.
950. An Emanuel.
[Bayreuth, 20. Nov. 1814]
Guten Morgen, mein Alter! Hier ſtellt ſich das von Ihnen30 montierte Regiment dar. Max läßt nicht drucken, wie ſein Vater, ſondern druckt ſchon ſelber. — Das vorige mal, wo mir wieder Ihre Sichtbarkeit entnommen wurde, war ich in Hoffnung der- ſelben bis 7 Uhr zu Hauſe.
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— den beiliegenden wilden Anfang hin; aber er bleibe nun unvoll-
endet, ſogar unleſerlich; mein Herz ſehen Sie doch darin.
d. 9. Nov.
Die Mutter Emanuels an ihn. 5
Biſt du ſeelig? — Ich werde noch ſeeliger durch dich — Mein
Sohn, der unter allen Menſchen mich am meiſten liebte, — thut
auf der Erde, was erſt der Himmel erkennt — er liebt und jede
ſeiner Thaten vergrößert meinen Himmel.
Seelig machen iſt Seelig ſein — Mein Sohn thut es; aber wenn 10
ich auch mich ſehne nach ihm, ſo iſt er doch bei mir und kaum kommt
er zu ſpät zu mir; denn er liebt in der todten kalten Welt. Und
an der Erde lernt er den Himmel lieben.
Die Mutter an den Sohn.
Du haſt mich nie vergeſſen, ſchon als ich irdiſch lebte und noch 15
weniger als ich überirdiſch lebte. Du haſt meinen Namen an deiner
Hand; aber dieſe Hand bewegt den Himmel.
949. An Kunz in Bamberg.
[Bayreuth, 18. Nov. 1814]
— Die Weine betittelten ſich auf der Zunge ſelber ohne Ihren 20
Sortenzettel — ſo gern ich mich von dem literariſchen Sternen-
himmel in der dunkeln Dezemberzeit erleuchten ließe — faſt zu
callotiſch — Der Humor iſt rein, die Flamme ſeiner Phantaſie hoch
genug, um alles Düſtere zu zeigen, und ſeine Einbürgerung der
proſaiſchten Alltäglichkeit in die poetiſchte Ewigkeit originell und 25
kühn. Nur muß er ſolche Kräfte nicht für eine einzige Bahn ab-
nutzen.
950. An Emanuel.
[Bayreuth, 20. Nov. 1814]
Guten Morgen, mein Alter! Hier ſtellt ſich das von Ihnen 30
montierte Regiment dar. Max läßt nicht drucken, wie ſein Vater,
ſondern druckt ſchon ſelber. — Das vorige mal, wo mir wieder
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/424>, abgerufen am 17.06.2024.
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