ja nichts hartes; ein Brief nimmt gar zu viel und zu lange, bis ein zweiter wieder gibt. -- Und so lebe froh, liebe Seele, und empfange mich so wie sonst und mit der Liebe und Freude, die ich mitbringe.
535. An Heinrich Voß in Heidelberg.
Stuttgart d. 23. Jun. 18195
Mein guter Heinrich! Wie schweigst du lange! Du bist ja nicht in Stuttgart wie ich und hast auch nicht wöchentlich zwei starke Briefe an deine Frau in Baireut zu schreiben. Die geselligen Strudel drehen mich hier. Jetzo lies das Durcheinander! Sophie hab' ich wegen meiner Abendeinladungen nur 1 mal gesehen. Ich höre10 sogar hier vom Konsistorialprozeß Schlegels. Sie sagt, sie hasse ihn nicht einmal, sondern verachte ihn vielmehr. -- Jungs Mspt hast du doch erhalten? Ohne große Durchstreichungen ist es bei allem übrigen Werthe zum Druck untauglich. -- Die Huber -- mir sehr zugethan -- hatte dein Blatt über mich an Cotta gegeben, der es15 endlich auf mein Begehr wieder vorgefunden und ihr zugestellt. Sie gestand mir Cottas Abneigung gegen dich; ich soll es vorher lesen wegen des zu starken Lobs. Ich lehnte das Lesen ab -- weil ich sonst nicht den Druck bejahen könnte -- und so deine Arbeit ver- geblich bliebe -- und rieth ihr, es nur auf deine und meine Gefahr20 drucken zu lassen. Ich denke aber doch, daß in dir der Freund nicht ganz den Kunstrichter wird verblendet haben. -- Schade wär' es auch, wenn die Dappingsche Arbeit, der eine so lange Anstrengung gewiß großen Werth gegeben, ungelesen unterginge. Könnt' ich sie wenigstens sehen!*) -- Reinbeck und Haug haben mich ganz über25 Cottas geizige Charakterzweideutigkeit belehrt und bekehrt; und ich finde neue Belege selber dazu in seinem Gesichte und in seinem Gast- malgeben ... Ich habe ihn nach dem ersten Besuche blos so oft besucht als er mich eingeladen, 2 mal. Künftig will ich mein Ver- trauen auf ihn, ob es mir gleich bisher nicht geschadet, von der30 Klugheit hüten lassen. --
Die Gräfin Beroldingen und ihr Mann dazu haben mir mehre Lustpartien und ein großes Stück der vornehmen und Gesandtenwelt
*) Mache doch die begeisterte von mir hier gegrüßte Schwester zur Mittlerin!
ja nichts hartes; ein Brief nimmt gar zu viel und zu lange, bis ein zweiter wieder gibt. — Und ſo lebe froh, liebe Seele, und empfange mich ſo wie ſonſt und mit der Liebe und Freude, die ich mitbringe.
535. An Heinrich Voß in Heidelberg.
Stuttgart d. 23. Jun. 18195
Mein guter Heinrich! Wie ſchweigſt du lange! Du biſt ja nicht in Stuttgart wie ich und haſt auch nicht wöchentlich zwei ſtarke Briefe an deine Frau in Baireut zu ſchreiben. Die geſelligen Strudel drehen mich hier. Jetzo lies das Durcheinander! Sophie hab’ ich wegen meiner Abendeinladungen nur 1 mal geſehen. Ich höre10 ſogar hier vom Konſiſtorialprozeß Schlegels. Sie ſagt, ſie haſſe ihn nicht einmal, ſondern verachte ihn vielmehr. — Jungs Mſpt haſt du doch erhalten? Ohne große Durchſtreichungen iſt es bei allem übrigen Werthe zum Druck untauglich. — Die Huber — mir ſehr zugethan — hatte dein Blatt über mich an Cotta gegeben, der es15 endlich auf mein Begehr wieder vorgefunden und ihr zugeſtellt. Sie geſtand mir Cottas Abneigung gegen dich; ich ſoll es vorher leſen wegen des zu ſtarken Lobs. Ich lehnte das Leſen ab — weil ich ſonſt nicht den Druck bejahen könnte — und ſo deine Arbeit ver- geblich bliebe — und rieth ihr, es nur auf deine und meine Gefahr20 drucken zu laſſen. Ich denke aber doch, daß in dir der Freund nicht ganz den Kunſtrichter wird verblendet haben. — Schade wär’ es auch, wenn die Dappingsche Arbeit, der eine ſo lange Anſtrengung gewiß großen Werth gegeben, ungeleſen unterginge. Könnt’ ich ſie wenigſtens ſehen!*) — Reinbeck und Haug haben mich ganz über25 Cottas geizige Charakterzweideutigkeit belehrt und bekehrt; und ich finde neue Belege ſelber dazu in ſeinem Geſichte und in ſeinem Gaſt- malgeben ... Ich habe ihn nach dem erſten Beſuche blos ſo oft beſucht als er mich eingeladen, 2 mal. Künftig will ich mein Ver- trauen auf ihn, ob es mir gleich bisher nicht geſchadet, von der30 Klugheit hüten laſſen. —
Die Gräfin Beroldingen und ihr Mann dazu haben mir mehre Luſtpartien und ein großes Stück der vornehmen und Geſandtenwelt
*) Mache doch die begeiſterte von mir hier gegrüßte Schweſter zur Mittlerin!
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ja nichts hartes; ein Brief nimmt gar zu viel und zu lange, bis ein
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mich ſo wie ſonſt und mit der Liebe und Freude, die ich mitbringe.
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Stuttgart d. 23. Jun. 1819 5
Mein guter Heinrich! Wie ſchweigſt du lange! Du biſt ja nicht
in Stuttgart wie ich und haſt auch nicht wöchentlich zwei ſtarke
Briefe an deine Frau in Baireut zu ſchreiben. Die geſelligen Strudel
drehen mich hier. Jetzo lies das Durcheinander! Sophie hab’
ich wegen meiner Abendeinladungen nur 1 mal geſehen. Ich höre 10
ſogar hier vom Konſiſtorialprozeß Schlegels. Sie ſagt, ſie haſſe
ihn nicht einmal, ſondern verachte ihn vielmehr. — Jungs Mſpt
haſt du doch erhalten? Ohne große Durchſtreichungen iſt es bei allem
übrigen Werthe zum Druck untauglich. — Die Huber — mir ſehr
zugethan — hatte dein Blatt über mich an Cotta gegeben, der es 15
endlich auf mein Begehr wieder vorgefunden und ihr zugeſtellt.
Sie geſtand mir Cottas Abneigung gegen dich; ich ſoll es vorher
leſen wegen des zu ſtarken Lobs. Ich lehnte das Leſen ab — weil
ich ſonſt nicht den Druck bejahen könnte — und ſo deine Arbeit ver-
geblich bliebe — und rieth ihr, es nur auf deine und meine Gefahr 20
drucken zu laſſen. Ich denke aber doch, daß in dir der Freund nicht
ganz den Kunſtrichter wird verblendet haben. — Schade wär’ es
auch, wenn die Dappingsche Arbeit, der eine ſo lange Anſtrengung
gewiß großen Werth gegeben, ungeleſen unterginge. Könnt’ ich
ſie wenigſtens ſehen! *) — Reinbeck und Haug haben mich ganz über 25
Cottas geizige Charakterzweideutigkeit belehrt und bekehrt; und ich
finde neue Belege ſelber dazu in ſeinem Geſichte und in ſeinem Gaſt-
malgeben ... Ich habe ihn nach dem erſten Beſuche blos ſo oft
beſucht als er mich eingeladen, 2 mal. Künftig will ich mein Ver-
trauen auf ihn, ob es mir gleich bisher nicht geſchadet, von der 30
Klugheit hüten laſſen. —
Die Gräfin Beroldingen und ihr Mann dazu haben mir mehre
Luſtpartien und ein großes Stück der vornehmen und Geſandtenwelt
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/286>, abgerufen am 17.06.2024.
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