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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

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Schönste, was mir wieder das Idyllenleben in Erlangen und ein wahr-
haft heimisches Glück zutheilt, die Nähe unserer Minna, und ihres
Mannes, den ich immer mehr lieben und schätzen lerne und der weit
mehr innern Reichthum verbirgt als zeigt. -- Auch mit ihm duz' ich
mich.5

Und damit gut! Gott wollt' es, ich sollte dießmal leis' innerlich, und
prunklos ein wenig froh sein.


Ich sehne mich unendlich nach einem Blatt von dir. Meines hast
du längst. Dem kalten, immer vergessenden und nach Retourladungen10
ausgehenden Kutscher konnt' ich keines mitgeben.


Das ist ein erbärmliches Briefschreiben; aber der Störungen sind
auch zu viele; inzwischen werden sie -- zunehmen. Noch nicht einmal
ins Theater hab' ich gekonnt. --15

[neues Blatt]Noch konnt' ich nicht ins Theater und nur einmal in
den japanischen Garten gelangen. Als Glück werd' ichs zu schätzen
wissen, wenn ich nur Emma's Kometen durchbringen kann. -- Die
edle Elisa (Recke) -- bei der ich 2 Tage hinter einander zu Mittag
sein mußte, so wie 2mal zu Thee, um auf meinem Ehrenpranger gezeigt20
zu werden -- gab mir einen langen warmen Gruß an dich mit. *) --35
Jetzo schreib' ich alles durch einander. -- Meine Adresse ist: an H. Regi-
strator Aderhold vor dem weißen Thor in den neuen Anlagen. Sobald
du etwas besonders beobachten sollst, will ich einen Strich am Rande
machen wie hier. -- Schicke ja eiligst die vergeßnen Farbenmuster für25
deine Auffärbkleider recht eilig. --

Gestern bracht' ich einen halben Tag auf dem Landgute der Ende zu,
das im schönsten Grade Romantisches und Bequemlichkeit verknüpft.
Diese fragte wie so viele warum ich nicht dich und Emma mitgebracht.
-- Den 10ten war Minnas Geburttag; ich fand aber bei dem Essen und30
Sprechen nichts dahin Abzielendes als einen Ringelkuchen in M-
Gestalt. --

*) Der halb verklärten Elisa -- deren Wiedergenesung durch meine Ankunft
anfing und die mir nebst deiner Minna bis jetzo die liebsten weiblichen Wesen ge-
blieben -- kann ich fast nichts abschlagen.

Schönſte, was mir wieder das Idyllenleben in Erlangen und ein wahr-
haft heimiſches Glück zutheilt, die Nähe unſerer Minna, und ihres
Mannes, den ich immer mehr lieben und ſchätzen lerne und der weit
mehr innern Reichthum verbirgt als zeigt. — Auch mit ihm duz’ ich
mich.5

Und damit gut! Gott wollt’ es, ich ſollte dießmal leiſ’ innerlich, und
prunklos ein wenig froh ſein.


Ich ſehne mich unendlich nach einem Blatt von dir. Meines haſt
du längſt. Dem kalten, immer vergeſſenden und nach Retourladungen10
ausgehenden Kutſcher konnt’ ich keines mitgeben.


Das iſt ein erbärmliches Briefſchreiben; aber der Störungen ſind
auch zu viele; inzwiſchen werden ſie — zunehmen. Noch nicht einmal
ins Theater hab’ ich gekonnt. —15

[neues Blatt]Noch konnt’ ich nicht ins Theater und nur einmal in
den japaniſchen Garten gelangen. Als Glück werd’ ichs zu ſchätzen
wiſſen, wenn ich nur Emma’s Kometen durchbringen kann. — Die
edle Elisa (Recke) — bei der ich 2 Tage hinter einander zu Mittag
ſein mußte, ſo wie 2mal zu Thee, um auf meinem Ehrenpranger gezeigt20
zu werden — gab mir einen langen warmen Gruß an dich mit. *)35
Jetzo ſchreib’ ich alles durch einander. — Meine Adreſſe iſt: an H. Regi-
ſtrator Aderhold vor dem weißen Thor in den neuen Anlagen. Sobald
du etwas beſonders beobachten ſollſt, will ich einen Strich am Rande
machen wie hier. — Schicke ja eiligſt die vergeßnen Farbenmuſter für25
deine Auffärbkleider recht eilig.

Geſtern bracht’ ich einen halben Tag auf dem Landgute der Ende zu,
das im ſchönſten Grade Romantiſches und Bequemlichkeit verknüpft.
Dieſe fragte wie ſo viele warum ich nicht dich und Emma mitgebracht.
— Den 10ten war Minnas Geburttag; ich fand aber bei dem Eſſen und30
Sprechen nichts dahin Abzielendes als einen Ringelkuchen in M-
Geſtalt. —

*) Der halb verklärten Elisa — deren Wiedergeneſung durch meine Ankunft
anfing und die mir nebſt deiner Minna bis jetzo die liebſten weiblichen Weſen ge-
blieben — kann ich faſt nichts abſchlagen.
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[169/0176] Schönſte, was mir wieder das Idyllenleben in Erlangen und ein wahr- haft heimiſches Glück zutheilt, die Nähe unſerer Minna, und ihres Mannes, den ich immer mehr lieben und ſchätzen lerne und der weit mehr innern Reichthum verbirgt als zeigt. — Auch mit ihm duz’ ich mich. 5 Und damit gut! Gott wollt’ es, ich ſollte dießmal leiſ’ innerlich, und prunklos ein wenig froh ſein. Freitags den 10ten Mai Ich ſehne mich unendlich nach einem Blatt von dir. Meines haſt du längſt. Dem kalten, immer vergeſſenden und nach Retourladungen 10 ausgehenden Kutſcher konnt’ ich keines mitgeben. Sonntags früh den 12ten Mai Das iſt ein erbärmliches Briefſchreiben; aber der Störungen ſind auch zu viele; inzwiſchen werden ſie — zunehmen. Noch nicht einmal ins Theater hab’ ich gekonnt. — 15 Noch konnt’ ich nicht ins Theater und nur einmal in den japaniſchen Garten gelangen. Als Glück werd’ ichs zu ſchätzen wiſſen, wenn ich nur Emma’s Kometen durchbringen kann. — Die edle Elisa (Recke) — bei der ich 2 Tage hinter einander zu Mittag ſein mußte, ſo wie 2mal zu Thee, um auf meinem Ehrenpranger gezeigt 20 zu werden — gab mir einen langen warmen Gruß an dich mit. *) — 35 Jetzo ſchreib’ ich alles durch einander. — Meine Adreſſe iſt: an H. Regi- ſtrator Aderhold vor dem weißen Thor in den neuen Anlagen. Sobald du etwas beſonders beobachten ſollſt, will ich einen Strich am Rande machen wie hier. — Schicke ja eiligſt die vergeßnen Farbenmuſter für 25 deine Auffärbkleider recht eilig. — Geſtern bracht’ ich einen halben Tag auf dem Landgute der Ende zu, das im ſchönſten Grade Romantiſches und Bequemlichkeit verknüpft. Dieſe fragte wie ſo viele warum ich nicht dich und Emma mitgebracht. — Den 10ten war Minnas Geburttag; ich fand aber bei dem Eſſen und 30 Sprechen nichts dahin Abzielendes als einen Ringelkuchen in M- Geſtalt. — *) Der halb verklärten Elisa — deren Wiedergeneſung durch meine Ankunft anfing und die mir nebſt deiner Minna bis jetzo die liebſten weiblichen Weſen ge- blieben — kann ich faſt nichts abſchlagen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/176>, abgerufen am 26.04.2024.