Guten Morgen, mein geliebter Kanapee-, Gassen- und Herzens Nachbar! Hier die kleine Bücherschau. Mögen Ihre Geschäfte Sie einmal zu einer gelangen lassen!5
R.
496. An Cotta.
Baireut d. 11. Sept. 1825
Sie steigen, uns allen willkommener Cotta, aus Ihrem Wagen nicht heraus, sondern hinauf, auf ein Flötzgebirge oder doch Todtliegendes10 von Schreibereien, in das ich auch mein Steinchen mit eingeschoben. [Diktiert] Seit Jahren arbeite ich an einer Ausgabe meiner sämmt- lichen Werke, welche von so vielen Deutschen bei der Zerstreuung, Theurung, Ungleichheit, ja Unsichtbarkeit vieler meiner Bücher längst gewünscht und gefodert wurde. Seit kurzen haben drei große Buch-15 handlungen sich zur Übernehmung derselben erboten; aber an die größte, nämlich an die Ihrige komme ich natürlich zuerst mit meinen Fragen und Antworten. In der künftigen Ostermesse 1826 erscheint unabänder- lich die erste Lieferung derselben. Zum Glück begünstigen mich außer äußerer mechanischer Mithülfe meine verbesserten Augen, bei denen20 dem Lichtraub des grauen Staars -- dieses schlimmsten Gevögels, das kein Paradies-Vogel sondern ein Paradies-Räuber ist -- durch die Bella-donna einige Gränzen gesetzt wurden. Ich zögere nicht länger, da zumal in Baden literarische Leichenräuber andrer Art nur auf das Zuschließen zweier Augen warten, um eine ganze Familie zu bestehlen.25 Daher soll die Ausgabe in vierteljährigen Lieferungen, jede zu 5 Bänd- chen, von Ostern an, erscheinen. Die sämmtlichen Werke werden nach meinen besten Berechnungen in 24 Alphabeten, in Bändchen so stark wie die der Levana, bestehen. Jede Lieferung würde zugleich Romane und Erzählungen und satyrische Aufsätze oder auch didaktische enthalten.30
Jetzo, alter Freund, entscheiden Sie, wieviel Sie mir für die Ausgabe in einer ganzen Summe oder auch für jeden einzeln[en] Bogen, bewilligen wollen. Kärglich genug waren meine frühern Belohnungen, z. B. 200 Thlr. für den Hesperus, 1/2 Lsdr. für den Bogen der Teufelspapiere, 2 Lsdr. für den Bogen des Sieben-35 käs. Von Ihnen allein datiert sich die loyalere Behandlung meiner
495. An Emanuel.
[Bayreuth, 21. Aug. 1825]
Guten Morgen, mein geliebter Kanapee-, Gaſſen- und Herzens Nachbar! Hier die kleine Bücherſchau. Mögen Ihre Geſchäfte Sie einmal zu einer gelangen laſſen!5
R.
496. An Cotta.
Baireut d. 11. Sept. 1825
Sie ſteigen, uns allen willkommener Cotta, aus Ihrem Wagen nicht heraus, ſondern hinauf, auf ein Flötzgebirge oder doch Todtliegendes10 von Schreibereien, in das ich auch mein Steinchen mit eingeſchoben. [Diktiert] Seit Jahren arbeite ich an einer Ausgabe meiner ſämmt- lichen Werke, welche von ſo vielen Deutſchen bei der Zerſtreuung, Theurung, Ungleichheit, ja Unſichtbarkeit vieler meiner Bücher längſt gewünſcht und gefodert wurde. Seit kurzen haben drei große Buch-15 handlungen ſich zur Übernehmung derſelben erboten; aber an die größte, nämlich an die Ihrige komme ich natürlich zuerſt mit meinen Fragen und Antworten. In der künftigen Oſtermeſſe 1826 erſcheint unabänder- lich die erſte Lieferung derſelben. Zum Glück begünſtigen mich außer äußerer mechaniſcher Mithülfe meine verbeſſerten Augen, bei denen20 dem Lichtraub des grauen Staars — dieſes ſchlimmſten Gevögels, das kein Paradies-Vogel ſondern ein Paradies-Räuber iſt — durch die Bella-donna einige Gränzen geſetzt wurden. Ich zögere nicht länger, da zumal in Baden literariſche Leichenräuber andrer Art nur auf das Zuſchließen zweier Augen warten, um eine ganze Familie zu beſtehlen.25 Daher ſoll die Ausgabe in vierteljährigen Lieferungen, jede zu 5 Bänd- chen, von Oſtern an, erſcheinen. Die ſämmtlichen Werke werden nach meinen beſten Berechnungen in 24 Alphabeten, in Bändchen ſo ſtark wie die der Levana, beſtehen. Jede Lieferung würde zugleich Romane und Erzählungen und ſatyriſche Aufſätze oder auch didaktiſche enthalten.30
Jetzo, alter Freund, entſcheiden Sie, wieviel Sie mir für die Ausgabe in einer ganzen Summe oder auch für jeden einzeln[en] Bogen, bewilligen wollen. Kärglich genug waren meine frühern Belohnungen, z. B. 200 Thlr. für den Hesperus, ½ Lsdr. für den Bogen der Teufelspapiere, 2 Lsdr. für den Bogen des Sieben-35 käs. Von Ihnen allein datiert ſich die loyalere Behandlung meiner
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495. An Emanuel.
[Bayreuth, 21. Aug. 1825]
Guten Morgen, mein geliebter Kanapee-, Gaſſen- und Herzens
Nachbar! Hier die kleine Bücherſchau. Mögen Ihre Geſchäfte Sie
einmal zu einer gelangen laſſen! 5
R.
496. An Cotta.
Baireut d. 11. Sept. 1825
Sie ſteigen, uns allen willkommener Cotta, aus Ihrem Wagen nicht
heraus, ſondern hinauf, auf ein Flötzgebirge oder doch Todtliegendes 10
von Schreibereien, in das ich auch mein Steinchen mit eingeſchoben.
[Diktiert] Seit Jahren arbeite ich an einer Ausgabe meiner ſämmt-
lichen Werke, welche von ſo vielen Deutſchen bei der Zerſtreuung,
Theurung, Ungleichheit, ja Unſichtbarkeit vieler meiner Bücher längſt
gewünſcht und gefodert wurde. Seit kurzen haben drei große Buch- 15
handlungen ſich zur Übernehmung derſelben erboten; aber an die größte,
nämlich an die Ihrige komme ich natürlich zuerſt mit meinen Fragen
und Antworten. In der künftigen Oſtermeſſe 1826 erſcheint unabänder-
lich die erſte Lieferung derſelben. Zum Glück begünſtigen mich außer
äußerer mechaniſcher Mithülfe meine verbeſſerten Augen, bei denen 20
dem Lichtraub des grauen Staars — dieſes ſchlimmſten Gevögels, das
kein Paradies-Vogel ſondern ein Paradies-Räuber iſt — durch die
Bella-donna einige Gränzen geſetzt wurden. Ich zögere nicht länger,
da zumal in Baden literariſche Leichenräuber andrer Art nur auf das
Zuſchließen zweier Augen warten, um eine ganze Familie zu beſtehlen. 25
Daher ſoll die Ausgabe in vierteljährigen Lieferungen, jede zu 5 Bänd-
chen, von Oſtern an, erſcheinen. Die ſämmtlichen Werke werden nach
meinen beſten Berechnungen in 24 Alphabeten, in Bändchen ſo ſtark
wie die der Levana, beſtehen. Jede Lieferung würde zugleich Romane
und Erzählungen und ſatyriſche Aufſätze oder auch didaktiſche enthalten. 30
Jetzo, alter Freund, entſcheiden Sie, wieviel Sie mir für
die Ausgabe in einer ganzen Summe oder auch für jeden
einzeln[en] Bogen, bewilligen wollen. Kärglich genug waren
meine frühern Belohnungen, z. B. 200 Thlr. für den Hesperus, ½ Lsdr.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/300>, abgerufen am 15.06.2024.
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