Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
derung der Erbschaft,856) und eben darum meinten die Juristen,
welche diesen Gesichtspunkt für den entscheidenden ansahen (s. u.),
daß die tutoris datio vor der Erbeseinsetzung stehen dürfe.857)
Ein anderes Beispiel, das ich jedoch erst bei einer andern Gele-
genheit klar machen kann, gewährt die cretio:
Titius heres esto, cernitoque etc. Ulp. XXII, 33.

2. Die Ausnahme. Der bei weitem wichtigste Anwen-
dungsfall ist die Stellung der exceptio in der Formula. Wer
mit mir die Ueberzeugung theilt, daß über Fragen der juristischen
Syntax nicht stylistische Rücksichten,858) sondern nur die Gesetze
der logischen Ordnung entschieden, kann darüber nicht zweifel-
haft sein, daß die exceptio an das Ende der intentio gehörte.
An das Ende der condemnatio gesetzt,859) hätte sie gesagt: erst
condemnire, o Richter, und dann untersuche, ob nicht eine Aus-
nahme vorliegt.

3. Der Zweck. Ich nenne die bekannte Eidesformel:
se uxorem liberorum quaerendorum causa habere.
Gell. IV,
3.

4. Die accessorische Disposition. Von den ver-
schiedenen Dispositionen eines Geschäftes ist diejenige zuerst
zu nennen, von deren Gültigkeit und Bestand alle andern ab-
hängen. Damit das Legat zu Recht bestehe, muß vorher die
Erbschaft angetreten sein, die Frage von den Legaten kann erst

856) Delibatio hereditatis L. 116 pr. de leg. I. (30).
857) Gaj. II, 231 .. quod nihil ex hereditate erogatur tutoris
datione.
858) Wie Savigny System V §. 226 Note e sie in die Wagschale wirft,
indem er gegen die im Text vertheidigte Ansicht den Einwand des "unbehülf-
lichen und undeutlichen Ausdrucks" geltend macht.
859) Was Savigny schlechthin will und Keller Röm. Civilproc. §. 34
Note 376 wenigstens für möglich hält. Die lex Rubria c. 20, die er anführt,
beweist dies nicht, denn die condemnatio steht in der von ihr aufgestellten
Formel ganz am Ende (C. S. N. P. A. d. h. Condemna, Si Non Paret
Absolve
). Der Schein des Gegentheils ist durch die Auflösung von E. J.
in eum jube veranlaßt -- eine Auflösung, die aus mehren, ziemlich auf der
Hand liegenden Gründen unmöglich ist.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
derung der Erbſchaft,856) und eben darum meinten die Juriſten,
welche dieſen Geſichtspunkt für den entſcheidenden anſahen (ſ. u.),
daß die tutoris datio vor der Erbeseinſetzung ſtehen dürfe.857)
Ein anderes Beiſpiel, das ich jedoch erſt bei einer andern Gele-
genheit klar machen kann, gewährt die cretio:
Titius heres esto, cernitoque etc. Ulp. XXII, 33.

2. Die Ausnahme. Der bei weitem wichtigſte Anwen-
dungsfall iſt die Stellung der exceptio in der Formula. Wer
mit mir die Ueberzeugung theilt, daß über Fragen der juriſtiſchen
Syntax nicht ſtyliſtiſche Rückſichten,858) ſondern nur die Geſetze
der logiſchen Ordnung entſchieden, kann darüber nicht zweifel-
haft ſein, daß die exceptio an das Ende der intentio gehörte.
An das Ende der condemnatio geſetzt,859) hätte ſie geſagt: erſt
condemnire, o Richter, und dann unterſuche, ob nicht eine Aus-
nahme vorliegt.

3. Der Zweck. Ich nenne die bekannte Eidesformel:
se uxorem liberorum quaerendorum causa habere.
Gell. IV,
3.

4. Die acceſſoriſche Dispoſition. Von den ver-
ſchiedenen Dispoſitionen eines Geſchäftes iſt diejenige zuerſt
zu nennen, von deren Gültigkeit und Beſtand alle andern ab-
hängen. Damit das Legat zu Recht beſtehe, muß vorher die
Erbſchaft angetreten ſein, die Frage von den Legaten kann erſt

856) Delibatio hereditatis L. 116 pr. de leg. I. (30).
857) Gaj. II, 231 .. quod nihil ex hereditate erogatur tutoris
datione.
858) Wie Savigny Syſtem V §. 226 Note e ſie in die Wagſchale wirft,
indem er gegen die im Text vertheidigte Anſicht den Einwand des „unbehülf-
lichen und undeutlichen Ausdrucks“ geltend macht.
859) Was Savigny ſchlechthin will und Keller Röm. Civilproc. §. 34
Note 376 wenigſtens für möglich hält. Die lex Rubria c. 20, die er anführt,
beweiſt dies nicht, denn die condemnatio ſteht in der von ihr aufgeſtellten
Formel ganz am Ende (C. S. N. P. A. d. h. Condemna, Si Non Paret
Absolve
). Der Schein des Gegentheils iſt durch die Auflöſung von E. J.
in eum jube veranlaßt — eine Auflöſung, die aus mehren, ziemlich auf der
Hand liegenden Gründen unmöglich iſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0348" n="642"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die juri&#x017F;t. Technik. <hi rendition="#aq">B.</hi> Des ält. Rechts.</fw><lb/>
derung der Erb&#x017F;chaft,<note place="foot" n="856)"><hi rendition="#aq">Delibatio hereditatis L. 116 pr. de leg. I.</hi> (30).</note> und eben darum meinten die Juri&#x017F;ten,<lb/>
welche die&#x017F;en Ge&#x017F;ichtspunkt für den ent&#x017F;cheidenden an&#x017F;ahen (&#x017F;. u.),<lb/>
daß die <hi rendition="#aq">tutoris datio</hi> <hi rendition="#g">vor</hi> der Erbesein&#x017F;etzung &#x017F;tehen dürfe.<note place="foot" n="857)"><hi rendition="#aq">Gaj. II, 231 .. quod nihil ex hereditate erogatur tutoris<lb/>
datione.</hi></note><lb/>
Ein anderes Bei&#x017F;piel, das ich jedoch er&#x017F;t bei einer andern Gele-<lb/>
genheit klar machen kann, gewährt die <hi rendition="#aq">cretio:</hi><lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Titius heres esto, cernitoque etc. Ulp. XXII,</hi> 33.</hi></p><lb/>
                        <p>2. Die <hi rendition="#g">Ausnahme</hi>. Der bei weitem wichtig&#x017F;te Anwen-<lb/>
dungsfall i&#x017F;t die Stellung der <hi rendition="#aq">exceptio</hi> in der Formula. Wer<lb/>
mit mir die Ueberzeugung theilt, daß über Fragen der juri&#x017F;ti&#x017F;chen<lb/>
Syntax nicht &#x017F;tyli&#x017F;ti&#x017F;che Rück&#x017F;ichten,<note place="foot" n="858)">Wie Savigny Sy&#x017F;tem <hi rendition="#aq">V</hi> §. 226 Note <hi rendition="#aq">e</hi> &#x017F;ie in die Wag&#x017F;chale wirft,<lb/>
indem er gegen die im Text vertheidigte An&#x017F;icht den Einwand des &#x201E;unbehülf-<lb/>
lichen und undeutlichen Ausdrucks&#x201C; geltend macht.</note> &#x017F;ondern nur die Ge&#x017F;etze<lb/>
der logi&#x017F;chen Ordnung ent&#x017F;chieden, kann darüber nicht zweifel-<lb/>
haft &#x017F;ein, daß die <hi rendition="#aq">exceptio</hi> an das Ende der <hi rendition="#aq">intentio</hi> gehörte.<lb/>
An das Ende der <hi rendition="#aq">condemnatio</hi> ge&#x017F;etzt,<note place="foot" n="859)">Was Savigny &#x017F;chlechthin will und Keller Röm. Civilproc. §. 34<lb/>
Note 376 wenig&#x017F;tens für möglich hält. Die <hi rendition="#aq">lex Rubria c.</hi> 20, die er anführt,<lb/>
bewei&#x017F;t dies nicht, denn die <hi rendition="#aq">condemnatio</hi> &#x017F;teht in der von ihr aufge&#x017F;tellten<lb/>
Formel <hi rendition="#g">ganz am Ende</hi> (<hi rendition="#aq">C. S. N. P. A.</hi> d. h. <hi rendition="#aq">Condemna, Si Non Paret<lb/>
Absolve</hi>). Der Schein des Gegentheils i&#x017F;t durch die Auflö&#x017F;ung von <hi rendition="#aq">E. J.</hi><lb/>
in <hi rendition="#aq">eum jube</hi> veranlaßt &#x2014; eine Auflö&#x017F;ung, die aus mehren, ziemlich auf der<lb/>
Hand liegenden Gründen <hi rendition="#g">unmöglich</hi> i&#x017F;t.</note> hätte &#x017F;ie ge&#x017F;agt: er&#x017F;t<lb/>
condemnire, o Richter, und dann unter&#x017F;uche, ob nicht eine Aus-<lb/>
nahme vorliegt.</p><lb/>
                        <p>3. Der <hi rendition="#g">Zweck</hi>. Ich nenne die bekannte Eidesformel:<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">se uxorem <hi rendition="#g">liberorum quaerendorum causa</hi> habere.<lb/>
Gell. IV,</hi> 3.</hi></p><lb/>
                        <p>4. Die <hi rendition="#g">acce&#x017F;&#x017F;ori&#x017F;che Dispo&#x017F;ition</hi>. Von den ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Dispo&#x017F;itionen <hi rendition="#g">eines</hi> Ge&#x017F;chäftes i&#x017F;t diejenige zuer&#x017F;t<lb/>
zu nennen, von deren Gültigkeit und Be&#x017F;tand alle andern ab-<lb/>
hängen. Damit das Legat zu Recht be&#x017F;tehe, muß vorher die<lb/>
Erb&#x017F;chaft angetreten &#x017F;ein, die Frage von den Legaten kann er&#x017F;t<lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[642/0348] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. derung der Erbſchaft, 856) und eben darum meinten die Juriſten, welche dieſen Geſichtspunkt für den entſcheidenden anſahen (ſ. u.), daß die tutoris datio vor der Erbeseinſetzung ſtehen dürfe. 857) Ein anderes Beiſpiel, das ich jedoch erſt bei einer andern Gele- genheit klar machen kann, gewährt die cretio: Titius heres esto, cernitoque etc. Ulp. XXII, 33. 2. Die Ausnahme. Der bei weitem wichtigſte Anwen- dungsfall iſt die Stellung der exceptio in der Formula. Wer mit mir die Ueberzeugung theilt, daß über Fragen der juriſtiſchen Syntax nicht ſtyliſtiſche Rückſichten, 858) ſondern nur die Geſetze der logiſchen Ordnung entſchieden, kann darüber nicht zweifel- haft ſein, daß die exceptio an das Ende der intentio gehörte. An das Ende der condemnatio geſetzt, 859) hätte ſie geſagt: erſt condemnire, o Richter, und dann unterſuche, ob nicht eine Aus- nahme vorliegt. 3. Der Zweck. Ich nenne die bekannte Eidesformel: se uxorem liberorum quaerendorum causa habere. Gell. IV, 3. 4. Die acceſſoriſche Dispoſition. Von den ver- ſchiedenen Dispoſitionen eines Geſchäftes iſt diejenige zuerſt zu nennen, von deren Gültigkeit und Beſtand alle andern ab- hängen. Damit das Legat zu Recht beſtehe, muß vorher die Erbſchaft angetreten ſein, die Frage von den Legaten kann erſt 856) Delibatio hereditatis L. 116 pr. de leg. I. (30). 857) Gaj. II, 231 .. quod nihil ex hereditate erogatur tutoris datione. 858) Wie Savigny Syſtem V §. 226 Note e ſie in die Wagſchale wirft, indem er gegen die im Text vertheidigte Anſicht den Einwand des „unbehülf- lichen und undeutlichen Ausdrucks“ geltend macht. 859) Was Savigny ſchlechthin will und Keller Röm. Civilproc. §. 34 Note 376 wenigſtens für möglich hält. Die lex Rubria c. 20, die er anführt, beweiſt dies nicht, denn die condemnatio ſteht in der von ihr aufgeſtellten Formel ganz am Ende (C. S. N. P. A. d. h. Condemna, Si Non Paret Absolve). Der Schein des Gegentheils iſt durch die Auflöſung von E. J. in eum jube veranlaßt — eine Auflöſung, die aus mehren, ziemlich auf der Hand liegenden Gründen unmöglich iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/348
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/348>, abgerufen am 27.04.2024.