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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
Recht ganz allgemein ausgesprochen, gilt mithin auch in dieser
Richtung.

So bewährt sich demnach der Gesichtspunkt der Concentra-
tion auch für die Wirkungen des Rechtsgeschäfts, es gilt für
sie dasselbe Gesetz der Gleichzeitigkeit, wie für die Voraussetzun-
gen desselben. Alle Momente des Rechtsgeschäfts: der äußere
Akt der Handlung, der Thatbestand, die Existenz und die Wirk-
samkeit desselben fallen mithin in den einen Fokus zusammen,
das gesammte Rechtsgeschäft ist ein einziges untheilbares
Ganze.

Diese Untheilbarkeit läßt sich noch für einen andern Satz der
Theorie des alten Rechtsgeschäfts verwenden, nämlich für den der
Unzulässigkeit der Stellvertretung. 224) Die wahre,
ächte Stellvertretung beruht auf einer Trennung der Ursache und
Wirkung beim Rechtsgeschäft; die Ursache: die Handlung fällt
auf die Person des Stellvertreters, die Wirkung: das Recht auf
die des Repräsentirten, sie schließt also eine künstliche Spaltung
dessen in sich, was bei der natürlichen Gestalt des Verhältnisses
eins ist. 225) Ich bin zwar nicht gemeint, in einem formal tech-
nischen Gedanken den letzten Grund der Ausschließung der
Stellvertretung zu erblicken, allein gleichwohl ist es höchst beach-
tenswerth, daß auch dieses Stück der Theorie des alten Rechts-
geschäfts sich einem Gesichtspunkt fügt, den wir im übrigen für
die ganze Structur des alten Rechtsgeschäfts bewährt gefunden
haben.

224) Der Ausspruch der L. 123 pr. de R. J. (50. 17): nemo alieno
nomine lege agere potest
galt auch für die Rechtsgeschäfte; auch in dieser
Richtung wiederholte sich die Gleichheit der Structur des Processes und des
Rechtsgeschäfts.
225) Diesen Gedanken der nothwendigen Einheit der Ursache und Wir-
kung in derselben Person deutet auch die bekannte L. 11 de O. et A. (44. 3)
an: quaecunque gerimus, cum ex nostro contractu originem trahunt
(Ursache) nisi ex nostra persona obligationis initium sumant (Wirkung)
inanem actum nostrum efficiunt.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
Recht ganz allgemein ausgeſprochen, gilt mithin auch in dieſer
Richtung.

So bewährt ſich demnach der Geſichtspunkt der Concentra-
tion auch für die Wirkungen des Rechtsgeſchäfts, es gilt für
ſie daſſelbe Geſetz der Gleichzeitigkeit, wie für die Vorausſetzun-
gen deſſelben. Alle Momente des Rechtsgeſchäfts: der äußere
Akt der Handlung, der Thatbeſtand, die Exiſtenz und die Wirk-
ſamkeit deſſelben fallen mithin in den einen Fokus zuſammen,
das geſammte Rechtsgeſchäft iſt ein einziges untheilbares
Ganze.

Dieſe Untheilbarkeit läßt ſich noch für einen andern Satz der
Theorie des alten Rechtsgeſchäfts verwenden, nämlich für den der
Unzuläſſigkeit der Stellvertretung. 224) Die wahre,
ächte Stellvertretung beruht auf einer Trennung der Urſache und
Wirkung beim Rechtsgeſchäft; die Urſache: die Handlung fällt
auf die Perſon des Stellvertreters, die Wirkung: das Recht auf
die des Repräſentirten, ſie ſchließt alſo eine künſtliche Spaltung
deſſen in ſich, was bei der natürlichen Geſtalt des Verhältniſſes
eins iſt. 225) Ich bin zwar nicht gemeint, in einem formal tech-
niſchen Gedanken den letzten Grund der Ausſchließung der
Stellvertretung zu erblicken, allein gleichwohl iſt es höchſt beach-
tenswerth, daß auch dieſes Stück der Theorie des alten Rechts-
geſchäfts ſich einem Geſichtspunkt fügt, den wir im übrigen für
die ganze Structur des alten Rechtsgeſchäfts bewährt gefunden
haben.

224) Der Ausſpruch der L. 123 pr. de R. J. (50. 17): nemo alieno
nomine lege agere potest
galt auch für die Rechtsgeſchäfte; auch in dieſer
Richtung wiederholte ſich die Gleichheit der Structur des Proceſſes und des
Rechtsgeſchäfts.
225) Dieſen Gedanken der nothwendigen Einheit der Urſache und Wir-
kung in derſelben Perſon deutet auch die bekannte L. 11 de O. et A. (44. 3)
an: quaecunque gerimus, cum ex nostro contractu originem trahunt
(Urſache) nisi ex nostra persona obligationis initium sumant (Wirkung)
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[166/0182] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. Recht ganz allgemein ausgeſprochen, gilt mithin auch in dieſer Richtung. So bewährt ſich demnach der Geſichtspunkt der Concentra- tion auch für die Wirkungen des Rechtsgeſchäfts, es gilt für ſie daſſelbe Geſetz der Gleichzeitigkeit, wie für die Vorausſetzun- gen deſſelben. Alle Momente des Rechtsgeſchäfts: der äußere Akt der Handlung, der Thatbeſtand, die Exiſtenz und die Wirk- ſamkeit deſſelben fallen mithin in den einen Fokus zuſammen, das geſammte Rechtsgeſchäft iſt ein einziges untheilbares Ganze. Dieſe Untheilbarkeit läßt ſich noch für einen andern Satz der Theorie des alten Rechtsgeſchäfts verwenden, nämlich für den der Unzuläſſigkeit der Stellvertretung. 224) Die wahre, ächte Stellvertretung beruht auf einer Trennung der Urſache und Wirkung beim Rechtsgeſchäft; die Urſache: die Handlung fällt auf die Perſon des Stellvertreters, die Wirkung: das Recht auf die des Repräſentirten, ſie ſchließt alſo eine künſtliche Spaltung deſſen in ſich, was bei der natürlichen Geſtalt des Verhältniſſes eins iſt. 225) Ich bin zwar nicht gemeint, in einem formal tech- niſchen Gedanken den letzten Grund der Ausſchließung der Stellvertretung zu erblicken, allein gleichwohl iſt es höchſt beach- tenswerth, daß auch dieſes Stück der Theorie des alten Rechts- geſchäfts ſich einem Geſichtspunkt fügt, den wir im übrigen für die ganze Structur des alten Rechtsgeſchäfts bewährt gefunden haben. 224) Der Ausſpruch der L. 123 pr. de R. J. (50. 17): nemo alieno nomine lege agere potest galt auch für die Rechtsgeſchäfte; auch in dieſer Richtung wiederholte ſich die Gleichheit der Structur des Proceſſes und des Rechtsgeſchäfts. 225) Dieſen Gedanken der nothwendigen Einheit der Urſache und Wir- kung in derſelben Perſon deutet auch die bekannte L. 11 de O. et A. (44. 3) an: quaecunque gerimus, cum ex nostro contractu originem trahunt (Urſache) nisi ex nostra persona obligationis initium sumant (Wirkung) inanem actum nostrum efficiunt.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/182>, abgerufen am 26.04.2024.