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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Zweiter Abschnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie.
b. der Nutzungen, in Form des Commodats, Prekari-
ums oder der schenkweisen Bestellung des Usus oder
Ususfructus.

Auch die letztere Art der Verwendung schließt einen Genuß in
sich, 457) während die rein negative Entäußerung der Sache (De-
reliction) oder die Nichtausübung eines zustehenden Gebrauchs-
rechts (non-usus) ein Verschmähen desselben enthält.

Je nach Verschiedenheit der Verhältnisse, Zwecke, Lagen hat
nun das Recht die Wahl dieser verschiedenen Genußformen mehr
oder weniger beschränkt oder gänzlich offen gelassen. Dem voll-
jährigen Eigenthümer stehen sämmtliche zu Gebote, nur in eini-
gen Ausnahmsfällen ist ihm mit Rücksicht auf die einer andern
Person eingeräumte Expectanz auf die Sache die unter 1 a
verschlossen, so z. B. beim Dotalgrundstück, Familienfideicom-
miß, ohne daß die römischen Juristen darin eine Alterirung des
Eigenthumsbegriffs erblickt hätten. Beim minderjährigen Ei-
genthümer ist diese Form an die Genehmigung der obervormund-
schaftlichen Behörde geknüpft, dagegen die Form unter 2 a völ-
lig verboten. Beim gewöhnlichen Rentenlegat steht dem Lega-
tar wie bei jedem andern die freieste Transactionsbefugniß zu,
dagegen beim Alimentenlegat ist er an die vom Testator ange-
ordnete Genußform gebunden, wenigstens ist eine wesentliche
Alterirung derselben, z. B. mittelst Zahlung einer einmaligen
Abfindungssumme durch die Mitwirkung der Obrigkeit bedingt.

Den äußersten Gegensatz zu dem unbeschränkten, sämmtliche
Genußformen in sich vereinigenden Eigenthum bildet das Recht

457) Die römischen Juristen haben dies wiederum richtig erkannt, s.
z. B. L. 12 §. 2 de usufr. cit. .. Sed et si alii precario concedat vel
donet, puto eum uti. L. 54 §. 1 de furt (47. 2) .. nec movere quem de-
bet quasi nihil lucri sui gratia facit
(der Dieb, welcher stiehlt, um einem
Andern zu schenken). Species enim lucri est ex alieno largiri et bene-
ficii debitorem sibi acquirere
.
So auch Seneca de benef. I.
c. 6. Quid est ergo beneficium? Benevola actio, tribuens gaudium
capiensque tribuendo.
Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie.
b. der Nutzungen, in Form des Commodats, Prekari-
ums oder der ſchenkweiſen Beſtellung des Uſus oder
Uſusfructus.

Auch die letztere Art der Verwendung ſchließt einen Genuß in
ſich, 457) während die rein negative Entäußerung der Sache (De-
reliction) oder die Nichtausübung eines zuſtehenden Gebrauchs-
rechts (non-usus) ein Verſchmähen deſſelben enthält.

Je nach Verſchiedenheit der Verhältniſſe, Zwecke, Lagen hat
nun das Recht die Wahl dieſer verſchiedenen Genußformen mehr
oder weniger beſchränkt oder gänzlich offen gelaſſen. Dem voll-
jährigen Eigenthümer ſtehen ſämmtliche zu Gebote, nur in eini-
gen Ausnahmsfällen iſt ihm mit Rückſicht auf die einer andern
Perſon eingeräumte Expectanz auf die Sache die unter 1 a
verſchloſſen, ſo z. B. beim Dotalgrundſtück, Familienfideicom-
miß, ohne daß die römiſchen Juriſten darin eine Alterirung des
Eigenthumsbegriffs erblickt hätten. Beim minderjährigen Ei-
genthümer iſt dieſe Form an die Genehmigung der obervormund-
ſchaftlichen Behörde geknüpft, dagegen die Form unter 2 a völ-
lig verboten. Beim gewöhnlichen Rentenlegat ſteht dem Lega-
tar wie bei jedem andern die freieſte Transactionsbefugniß zu,
dagegen beim Alimentenlegat iſt er an die vom Teſtator ange-
ordnete Genußform gebunden, wenigſtens iſt eine weſentliche
Alterirung derſelben, z. B. mittelſt Zahlung einer einmaligen
Abfindungsſumme durch die Mitwirkung der Obrigkeit bedingt.

Den äußerſten Gegenſatz zu dem unbeſchränkten, ſämmtliche
Genußformen in ſich vereinigenden Eigenthum bildet das Recht

457) Die römiſchen Juriſten haben dies wiederum richtig erkannt, ſ.
z. B. L. 12 §. 2 de usufr. cit. .. Sed et si alii precario concedat vel
donet, puto eum uti. L. 54 §. 1 de furt (47. 2) .. nec movere quem de-
bet quasi nihil lucri sui gratia facit
(der Dieb, welcher ſtiehlt, um einem
Andern zu ſchenken). Species enim lucri est ex alieno largiri et bene-
ficii debitorem sibi acquirere
.
So auch Seneca de benef. I.
c. 6. Quid est ergo beneficium? Benevola actio, tribuens gaudium
capiensque tribuendo.
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[324/0340] Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie. b. der Nutzungen, in Form des Commodats, Prekari- ums oder der ſchenkweiſen Beſtellung des Uſus oder Uſusfructus. Auch die letztere Art der Verwendung ſchließt einen Genuß in ſich, 457) während die rein negative Entäußerung der Sache (De- reliction) oder die Nichtausübung eines zuſtehenden Gebrauchs- rechts (non-usus) ein Verſchmähen deſſelben enthält. Je nach Verſchiedenheit der Verhältniſſe, Zwecke, Lagen hat nun das Recht die Wahl dieſer verſchiedenen Genußformen mehr oder weniger beſchränkt oder gänzlich offen gelaſſen. Dem voll- jährigen Eigenthümer ſtehen ſämmtliche zu Gebote, nur in eini- gen Ausnahmsfällen iſt ihm mit Rückſicht auf die einer andern Perſon eingeräumte Expectanz auf die Sache die unter 1 a verſchloſſen, ſo z. B. beim Dotalgrundſtück, Familienfideicom- miß, ohne daß die römiſchen Juriſten darin eine Alterirung des Eigenthumsbegriffs erblickt hätten. Beim minderjährigen Ei- genthümer iſt dieſe Form an die Genehmigung der obervormund- ſchaftlichen Behörde geknüpft, dagegen die Form unter 2 a völ- lig verboten. Beim gewöhnlichen Rentenlegat ſteht dem Lega- tar wie bei jedem andern die freieſte Transactionsbefugniß zu, dagegen beim Alimentenlegat iſt er an die vom Teſtator ange- ordnete Genußform gebunden, wenigſtens iſt eine weſentliche Alterirung derſelben, z. B. mittelſt Zahlung einer einmaligen Abfindungsſumme durch die Mitwirkung der Obrigkeit bedingt. Den äußerſten Gegenſatz zu dem unbeſchränkten, ſämmtliche Genußformen in ſich vereinigenden Eigenthum bildet das Recht 457) Die römiſchen Juriſten haben dies wiederum richtig erkannt, ſ. z. B. L. 12 §. 2 de usufr. cit. .. Sed et si alii precario concedat vel donet, puto eum uti. L. 54 §. 1 de furt (47. 2) .. nec movere quem de- bet quasi nihil lucri sui gratia facit (der Dieb, welcher ſtiehlt, um einem Andern zu ſchenken). Species enim lucri est ex alieno largiri et bene- ficii debitorem sibi acquirere. So auch Seneca de benef. I. c. 6. Quid est ergo beneficium? Benevola actio, tribuens gaudium capiensque tribuendo.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/340>, abgerufen am 27.04.2024.