werden müssen. Da nun die Kameralwis- senschaft die Säze enthält, wornach das Ge- werb des Fürsten und des Staates eingerich- tet werden muß, keine Wissenschaft aber oh- ne Gründe seyn kann, so gründet sich die Kameralwissenschaft auf die Gewerbwis- senschaft der Staatsbürger; keiner kan deswegen ein guter Kameralist seyn, der leztere nicht aus dem Grunde kennt.
§. 4. Die Gewerbwissenschaft ist mit der Kameralwissenschaft unzertrennlich verbun- den, lezte kann ohne die erste nicht seyn. Da es nun eine schon verjährte Gewohnheit ist, von dem Vornehmsten eine Sache zu benennen, so ist es nicht ungeschickt, wann man die Ge- werbwissenschaft in ihrem ganzen Umfange die Kameralwissenschaften nennt.
§. 5. Alle Staatsbürger vom Fürsten bis zum geringsten Glied des Staates haben ein Gewerb; da nun ein jedes Gewerb, oder Bestreben nach Dingen, die wir zu besizen wünschen, einen Mangel voraussezt, so muß ein jeder Mensch einen Mangel haben, den er zu heben bemüht ist. Hier entsteht der Be- griff von Bedürfnissen.
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Einleitung
werden muͤſſen. Da nun die Kameralwiſ- ſenſchaft die Saͤze enthaͤlt, wornach das Ge- werb des Fuͤrſten und des Staates eingerich- tet werden muß, keine Wiſſenſchaft aber oh- ne Gruͤnde ſeyn kann, ſo gruͤndet ſich die Kameralwiſſenſchaft auf die Gewerbwiſ- ſenſchaft der Staatsbuͤrger; keiner kan deswegen ein guter Kameraliſt ſeyn, der leztere nicht aus dem Grunde kennt.
§. 4. Die Gewerbwiſſenſchaft iſt mit der Kameralwiſſenſchaft unzertrennlich verbun- den, lezte kann ohne die erſte nicht ſeyn. Da es nun eine ſchon verjaͤhrte Gewohnheit iſt, von dem Vornehmſten eine Sache zu benennen, ſo iſt es nicht ungeſchickt, wann man die Ge- werbwiſſenſchaft in ihrem ganzen Umfange die Kameralwiſſenſchaften nennt.
§. 5. Alle Staatsbuͤrger vom Fuͤrſten bis zum geringſten Glied des Staates haben ein Gewerb; da nun ein jedes Gewerb, oder Beſtreben nach Dingen, die wir zu beſizen wuͤnſchen, einen Mangel vorausſezt, ſo muß ein jeder Menſch einen Mangel haben, den er zu heben bemuͤht iſt. Hier entſteht der Be- griff von Beduͤrfniſſen.
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Einleitung
werden muͤſſen. Da nun die Kameralwiſ-
ſenſchaft die Saͤze enthaͤlt, wornach das Ge-
werb des Fuͤrſten und des Staates eingerich-
tet werden muß, keine Wiſſenſchaft aber oh-
ne Gruͤnde ſeyn kann, ſo gruͤndet ſich die
Kameralwiſſenſchaft auf die Gewerbwiſ-
ſenſchaft der Staatsbuͤrger; keiner kan
deswegen ein guter Kameraliſt ſeyn, der
leztere nicht aus dem Grunde kennt.
§. 4. Die Gewerbwiſſenſchaft iſt mit der
Kameralwiſſenſchaft unzertrennlich verbun-
den, lezte kann ohne die erſte nicht ſeyn. Da
es nun eine ſchon verjaͤhrte Gewohnheit iſt,
von dem Vornehmſten eine Sache zu benennen,
ſo iſt es nicht ungeſchickt, wann man die Ge-
werbwiſſenſchaft in ihrem ganzen Umfange die
Kameralwiſſenſchaften nennt.
§. 5. Alle Staatsbuͤrger vom Fuͤrſten bis
zum geringſten Glied des Staates haben ein
Gewerb; da nun ein jedes Gewerb, oder
Beſtreben nach Dingen, die wir zu beſizen
wuͤnſchen, einen Mangel vorausſezt, ſo muß
ein jeder Menſch einen Mangel haben, den
er zu heben bemuͤht iſt. Hier entſteht der Be-
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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/23>, abgerufen am 28.11.2023.
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