führen, wenn ich alle Meynungen der Schriftsteller, womit man das Daseyn dieser Lagen und Schichten hat erläutern wollen, anführen und beurtheilen wollte. Jndessen kann man sie fast alle auf zwey Hauptmey- nungen bringen. Die Einen haben geglaubt, daß dieselben von der Schöpfung herrühreten, und von Gott also erschaffen worden; eine Meynung, die sehr kurz aus der Sache heraushilft, aber nicht sehr gründ- lich und philosophisch ist. Die andern haben davor gehalten, daß man sie denen Wirkungen der Sünd- fluth zuschreiben müsse; eine Erklährung, die nicht viel besser beschaffen ist. Es ist hier unsere Sache, beyde Meynungen zu prüfen und zu beurtheilen.
Man denket allemahl sehr klein von der unendli- chen Weisheit und Vollkommenheit Gottes, wenn man sich einbildet, daß sich seine Allmacht mit Erschaf- fung der groben Materien von Erde, Sand und Steinen werde beschäfftiget haben, die wir in diesen verschiedenen Lagen und Schichten wahrnehmen. Noch mehr aber, man denket unvernünftig, wenn man sei- ner Allmacht dergleichen Werke beymisset, wobey sei- ne Weisheit nicht diejenigen Endzwecke gehabt haben kann, welche derselben gemäß sind. Worzu können wohl diese Lagen und Schichten denen Creaturen nu- tzen, welche die Oberfläche der Erde bewohnen, da- von die meisten so tief unter der Oberfläche verborgen sind, und die wir nicht einmahl wahrnehmen, außer bey sehr zufälligen und seltenen Gelegenheiten? Viel- mehr, da eben dergleichen grobe und unnützliche Mate- rien sich bis auf die Oberfläche der Erde erstrecken,
welche
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Schichten des Erdcoͤrpers.
fuͤhren, wenn ich alle Meynungen der Schriftſteller, womit man das Daſeyn dieſer Lagen und Schichten hat erlaͤutern wollen, anfuͤhren und beurtheilen wollte. Jndeſſen kann man ſie faſt alle auf zwey Hauptmey- nungen bringen. Die Einen haben geglaubt, daß dieſelben von der Schoͤpfung herruͤhreten, und von Gott alſo erſchaffen worden; eine Meynung, die ſehr kurz aus der Sache heraushilft, aber nicht ſehr gruͤnd- lich und philoſophiſch iſt. Die andern haben davor gehalten, daß man ſie denen Wirkungen der Suͤnd- fluth zuſchreiben muͤſſe; eine Erklaͤhrung, die nicht viel beſſer beſchaffen iſt. Es iſt hier unſere Sache, beyde Meynungen zu pruͤfen und zu beurtheilen.
Man denket allemahl ſehr klein von der unendli- chen Weisheit und Vollkommenheit Gottes, wenn man ſich einbildet, daß ſich ſeine Allmacht mit Erſchaf- fung der groben Materien von Erde, Sand und Steinen werde beſchaͤfftiget haben, die wir in dieſen verſchiedenen Lagen und Schichten wahrnehmen. Noch mehr aber, man denket unvernuͤnftig, wenn man ſei- ner Allmacht dergleichen Werke beymiſſet, wobey ſei- ne Weisheit nicht diejenigen Endzwecke gehabt haben kann, welche derſelben gemaͤß ſind. Worzu koͤnnen wohl dieſe Lagen und Schichten denen Creaturen nu- tzen, welche die Oberflaͤche der Erde bewohnen, da- von die meiſten ſo tief unter der Oberflaͤche verborgen ſind, und die wir nicht einmahl wahrnehmen, außer bey ſehr zufaͤlligen und ſeltenen Gelegenheiten? Viel- mehr, da eben dergleichen grobe und unnuͤtzliche Mate- rien ſich bis auf die Oberflaͤche der Erde erſtrecken,
welche
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Schichten des Erdcoͤrpers.
fuͤhren, wenn ich alle Meynungen der Schriftſteller,
womit man das Daſeyn dieſer Lagen und Schichten
hat erlaͤutern wollen, anfuͤhren und beurtheilen wollte.
Jndeſſen kann man ſie faſt alle auf zwey Hauptmey-
nungen bringen. Die Einen haben geglaubt, daß
dieſelben von der Schoͤpfung herruͤhreten, und von
Gott alſo erſchaffen worden; eine Meynung, die ſehr
kurz aus der Sache heraushilft, aber nicht ſehr gruͤnd-
lich und philoſophiſch iſt. Die andern haben davor
gehalten, daß man ſie denen Wirkungen der Suͤnd-
fluth zuſchreiben muͤſſe; eine Erklaͤhrung, die nicht
viel beſſer beſchaffen iſt. Es iſt hier unſere Sache,
beyde Meynungen zu pruͤfen und zu beurtheilen.
Man denket allemahl ſehr klein von der unendli-
chen Weisheit und Vollkommenheit Gottes, wenn
man ſich einbildet, daß ſich ſeine Allmacht mit Erſchaf-
fung der groben Materien von Erde, Sand und
Steinen werde beſchaͤfftiget haben, die wir in dieſen
verſchiedenen Lagen und Schichten wahrnehmen. Noch
mehr aber, man denket unvernuͤnftig, wenn man ſei-
ner Allmacht dergleichen Werke beymiſſet, wobey ſei-
ne Weisheit nicht diejenigen Endzwecke gehabt haben
kann, welche derſelben gemaͤß ſind. Worzu koͤnnen
wohl dieſe Lagen und Schichten denen Creaturen nu-
tzen, welche die Oberflaͤche der Erde bewohnen, da-
von die meiſten ſo tief unter der Oberflaͤche verborgen
ſind, und die wir nicht einmahl wahrnehmen, außer
bey ſehr zufaͤlligen und ſeltenen Gelegenheiten? Viel-
mehr, da eben dergleichen grobe und unnuͤtzliche Mate-
rien ſich bis auf die Oberflaͤche der Erde erſtrecken,
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Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/115>, abgerufen am 16.06.2024.
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