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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Stadt Madrid.
schlange. Der Admiral hatte ihm die gute Kopie eines Baccha-
nals von Caracci überlassen. Sie sahen dort auch eine Madonna
Raphael's aus dem Kloster der Barfüsser-Carmeliterinnen in
Valladolid, die Monterey gehörte, welcher sie nach Italien mit-
nehmen und restauriren lassen wollte. Es war die noch heute
oft in Spanien und in Valladolid vorkommende Madonna della
Rosa. (Prado 370.)

Diese Tauschgeschäfte müssen sehr beliebt gewesen sein.
Denn da man dort seiner Liebhabereien, Studien und Ansichten
rascher müde wird als anderwärts, so konnte man ja durch
Ablassung eines Stückes, an dem man sich sattgesehen, ohne
Kosten neues bekommen; besonders unter Leuten, bei denen
Geldgeschäfte nicht standesgemäss waren.

Auch an andern Gelegenheiten gute Sachen zu erwerben,
fehlte es in Madrid nicht. Nachlässe Verstorbener wurden von
der Familie inventarisirt und taxirt; man nahm heraus was sie
behalten wollte, und das übrige wurde im Hause zum öffentlichen
Verkauf aufgestellt, mit angehefteten Preisen. Solche Almonedas
fanden selbst nach dem Ableben der königlichen Personen statt;
die grösste, die es je gegeben, war die Philipp II, seit 1608.
Sie zogen sich oft Jahre lang hin. Man konnte hier die besten
Sachen der Reichsten und Vornehmsten wiederholt und mit
Musse in Augenschein nehmen. Der Graf Harrach, der in der
zweiten Hälfte des Jahrhunderts zweimal als Gesandter an den
spanischen Hof kam, giebt in seinem höchst merkwürdigen Tage-
buch auch von diesen Almonedas Nachricht; im Lauf von fünf
Jahren nennt er nicht weniger als zwanzig, fast alle von Adligen.
Aus ihnen stammen mehrere Bilder der Gräflich Harrach'schen
Gallerie in Wien 1). Die Preise überstiegen oft das Doppelte des
Marktwerthes, aber man konnte auch abhandeln, und nach Ver-
lauf einiger Zeit wurden die Erben milder.

Neben denen, welche aus Eitelkeit und Frohndienst der

1) In der Almoneda des lucchesischen Botschafters handelt er um einen
Andrea und drei Tizians (10. März 1674); in der des Joseph Gonzalez kauft er
15 Stücke, "gar wolfeil" (27. Sept.); in einer ungenannten "ein Altarl mit zwei
Thüren" aus der Schule Dürers (21. Mai); "in meiner Gasse die drei musicirenden
Mädchen" (Catalog 169); in der des Pennaranda die Belagerung von Valenciennes
von P. Snayers (23. Feb. 1677); etliche Bilder in der des Marques de los Velez
(20. Jan. 1698). (Tagebücher des Grafen Ferdinand Bonaventura von Harrach (im
gräflich Harrach'schen Archiv zu Wien), deren Benutzung mir der jetzige Graf
Harrach aufs liebenswürdigste gestattete.)

Die Stadt Madrid.
schlange. Der Admiral hatte ihm die gute Kopie eines Baccha-
nals von Caracci überlassen. Sie sahen dort auch eine Madonna
Raphael’s aus dem Kloster der Barfüsser-Carmeliterinnen in
Valladolid, die Monterey gehörte, welcher sie nach Italien mit-
nehmen und restauriren lassen wollte. Es war die noch heute
oft in Spanien und in Valladolid vorkommende Madonna della
Rosa. (Prado 370.)

Diese Tauschgeschäfte müssen sehr beliebt gewesen sein.
Denn da man dort seiner Liebhabereien, Studien und Ansichten
rascher müde wird als anderwärts, so konnte man ja durch
Ablassung eines Stückes, an dem man sich sattgesehen, ohne
Kosten neues bekommen; besonders unter Leuten, bei denen
Geldgeschäfte nicht standesgemäss waren.

Auch an andern Gelegenheiten gute Sachen zu erwerben,
fehlte es in Madrid nicht. Nachlässe Verstorbener wurden von
der Familie inventarisirt und taxirt; man nahm heraus was sie
behalten wollte, und das übrige wurde im Hause zum öffentlichen
Verkauf aufgestellt, mit angehefteten Preisen. Solche Almonedas
fanden selbst nach dem Ableben der königlichen Personen statt;
die grösste, die es je gegeben, war die Philipp II, seit 1608.
Sie zogen sich oft Jahre lang hin. Man konnte hier die besten
Sachen der Reichsten und Vornehmsten wiederholt und mit
Musse in Augenschein nehmen. Der Graf Harrach, der in der
zweiten Hälfte des Jahrhunderts zweimal als Gesandter an den
spanischen Hof kam, giebt in seinem höchst merkwürdigen Tage-
buch auch von diesen Almonedas Nachricht; im Lauf von fünf
Jahren nennt er nicht weniger als zwanzig, fast alle von Adligen.
Aus ihnen stammen mehrere Bilder der Gräflich Harrach’schen
Gallerie in Wien 1). Die Preise überstiegen oft das Doppelte des
Marktwerthes, aber man konnte auch abhandeln, und nach Ver-
lauf einiger Zeit wurden die Erben milder.

Neben denen, welche aus Eitelkeit und Frohndienst der

1) In der Almoneda des lucchesischen Botschafters handelt er um einen
Andrea und drei Tizians (10. März 1674); in der des Joseph Gonzalez kauft er
15 Stücke, „gar wolfeil“ (27. Sept.); in einer ungenannten „ein Altarl mit zwei
Thüren“ aus der Schule Dürers (21. Mai); „in meiner Gasse die drei musicirenden
Mädchen“ (Catalog 169); in der des Peñaranda die Belagerung von Valenciennes
von P. Snayers (23. Feb. 1677); etliche Bilder in der des Marques de los Velez
(20. Jan. 1698). (Tagebücher des Grafen Ferdinand Bonaventura von Harrach (im
gräflich Harrach’schen Archiv zu Wien), deren Benutzung mir der jetzige Graf
Harrach aufs liebenswürdigste gestattete.)
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[175/0195] Die Stadt Madrid. schlange. Der Admiral hatte ihm die gute Kopie eines Baccha- nals von Caracci überlassen. Sie sahen dort auch eine Madonna Raphael’s aus dem Kloster der Barfüsser-Carmeliterinnen in Valladolid, die Monterey gehörte, welcher sie nach Italien mit- nehmen und restauriren lassen wollte. Es war die noch heute oft in Spanien und in Valladolid vorkommende Madonna della Rosa. (Prado 370.) Diese Tauschgeschäfte müssen sehr beliebt gewesen sein. Denn da man dort seiner Liebhabereien, Studien und Ansichten rascher müde wird als anderwärts, so konnte man ja durch Ablassung eines Stückes, an dem man sich sattgesehen, ohne Kosten neues bekommen; besonders unter Leuten, bei denen Geldgeschäfte nicht standesgemäss waren. Auch an andern Gelegenheiten gute Sachen zu erwerben, fehlte es in Madrid nicht. Nachlässe Verstorbener wurden von der Familie inventarisirt und taxirt; man nahm heraus was sie behalten wollte, und das übrige wurde im Hause zum öffentlichen Verkauf aufgestellt, mit angehefteten Preisen. Solche Almonedas fanden selbst nach dem Ableben der königlichen Personen statt; die grösste, die es je gegeben, war die Philipp II, seit 1608. Sie zogen sich oft Jahre lang hin. Man konnte hier die besten Sachen der Reichsten und Vornehmsten wiederholt und mit Musse in Augenschein nehmen. Der Graf Harrach, der in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zweimal als Gesandter an den spanischen Hof kam, giebt in seinem höchst merkwürdigen Tage- buch auch von diesen Almonedas Nachricht; im Lauf von fünf Jahren nennt er nicht weniger als zwanzig, fast alle von Adligen. Aus ihnen stammen mehrere Bilder der Gräflich Harrach’schen Gallerie in Wien 1). Die Preise überstiegen oft das Doppelte des Marktwerthes, aber man konnte auch abhandeln, und nach Ver- lauf einiger Zeit wurden die Erben milder. Neben denen, welche aus Eitelkeit und Frohndienst der 1) In der Almoneda des lucchesischen Botschafters handelt er um einen Andrea und drei Tizians (10. März 1674); in der des Joseph Gonzalez kauft er 15 Stücke, „gar wolfeil“ (27. Sept.); in einer ungenannten „ein Altarl mit zwei Thüren“ aus der Schule Dürers (21. Mai); „in meiner Gasse die drei musicirenden Mädchen“ (Catalog 169); in der des Peñaranda die Belagerung von Valenciennes von P. Snayers (23. Feb. 1677); etliche Bilder in der des Marques de los Velez (20. Jan. 1698). (Tagebücher des Grafen Ferdinand Bonaventura von Harrach (im gräflich Harrach’schen Archiv zu Wien), deren Benutzung mir der jetzige Graf Harrach aufs liebenswürdigste gestattete.)

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/195>, abgerufen am 05.05.2024.