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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Philipp der Vierte.
Diese Neigung wurde von seinen Ministern, Vicekönigen, Diplo-
maten bemerkt und benutzt um ihn zu unterhalten und an sich
zu fesseln. Die Mediceer sandten ihm nicht nur Statuen, sondern
auch Ingenieure, Musiker, Architekten, und dadurch fiel ein
Schimmer florentinischer Cultur auf die noch in etwas mittel-
alterlichem und moreskem Stil gehaltenen Festlichkeiten der
steifen königlichen Schlösser. Das Verdienst einiger Grossen
ist alles, was damals für die Kunst geschehen ist. Die Berufungen,
die Aufträge, die Bauten, die Gemäldeankäufe waren Ideen des
Conde Duque, des D. Luis de Haro, des Grafen Monterey, der Me-
dina de las Torres und Cardenas1). Diese Herren aber vermochten
die mangelnde Initiative des Königs nicht zu ersetzen, und auch
sie, welche armselige Figur machen sie neben den Fonseca,
Alcala, Mendoza, Cisneros des vorigen Jahrhunderts! Man denke
an Philipp II! Wie er die Talente aufspürte und zu monu-
mentalen Werken antrieb! Welche Pläne er für die Umgestaltung
der Hauptstadt entworfen hatte! Der Bau des Escorial hat ihn
abgezogen, aber dennoch hinterliess er in Madrid grössere Spu-
ren als sein Enkel, selbst an jenem Alcazar, den dieser vier und
vierzig Jahre bewohnte und beständig verändern liess.

Eigenes Loos, der "Apelles" dieses thatenlosen Achill zu
sein!2) 37 Jahre lang dasselbe Bild zu malen! Denn das An-
gesicht Philipps hat in diesen 37 Jahren eine wundersame, er-
schreckende Gleichförmigkeit. In der schwarzzeidenen Hoftracht,
im Jagdhabit, im kriegsmässig complicirten Campagneanzug, im
weissen Atlasstaat, in goldtauschirter Stahlrüstung, in Kirchen-
gala, -- knieend, stehend, zu Ross -- stets schaut der stereotype
Kopf hervor. -- Nur im eigentlichen Amtskleid seines Standes,
im Königspurpur, oder im Ordenskleid des goldenen Vliesses,
hat er sich nie malen lassen. -- Zwar wechselt der Kopf vom
magern zum robusten, vom frischen, glatten Jünglingskopf zu
dem von Leidenschaften verarbeiteten des Mannes und zu dem
bleiern erstarrten, gedunsenen des Alters, aber augenblicklich
ist er auch von ferne erkennbar. Das längliche Oval mit dem
weisslich bleichen Teint, dem kalt phlegmatischen Blick der gros-

1) In ihren Händen befand sich die Kunst indess nicht viel schlimmer als bei
den Galerie- und Parlamentscommissionen nach moderner Schablone, die oft nur
in der Boz'schen Kunst, how not to do it, hervorragendes zu leisten pflegen.
2) Pues es mas que Alejandro y tu su Apeles. Pacheco, I, 143.

Philipp der Vierte.
Diese Neigung wurde von seinen Ministern, Vicekönigen, Diplo-
maten bemerkt und benutzt um ihn zu unterhalten und an sich
zu fesseln. Die Mediceer sandten ihm nicht nur Statuen, sondern
auch Ingenieure, Musiker, Architekten, und dadurch fiel ein
Schimmer florentinischer Cultur auf die noch in etwas mittel-
alterlichem und moreskem Stil gehaltenen Festlichkeiten der
steifen königlichen Schlösser. Das Verdienst einiger Grossen
ist alles, was damals für die Kunst geschehen ist. Die Berufungen,
die Aufträge, die Bauten, die Gemäldeankäufe waren Ideen des
Conde Duque, des D. Luis de Haro, des Grafen Monterey, der Me-
dina de las Torres und Cárdenas1). Diese Herren aber vermochten
die mangelnde Initiative des Königs nicht zu ersetzen, und auch
sie, welche armselige Figur machen sie neben den Fonseca,
Alcalá, Mendoza, Cisneros des vorigen Jahrhunderts! Man denke
an Philipp II! Wie er die Talente aufspürte und zu monu-
mentalen Werken antrieb! Welche Pläne er für die Umgestaltung
der Hauptstadt entworfen hatte! Der Bau des Escorial hat ihn
abgezogen, aber dennoch hinterliess er in Madrid grössere Spu-
ren als sein Enkel, selbst an jenem Alcazar, den dieser vier und
vierzig Jahre bewohnte und beständig verändern liess.

Eigenes Loos, der „Apelles“ dieses thatenlosen Achill zu
sein!2) 37 Jahre lang dasselbe Bild zu malen! Denn das An-
gesicht Philipps hat in diesen 37 Jahren eine wundersame, er-
schreckende Gleichförmigkeit. In der schwarzzeidenen Hoftracht,
im Jagdhabit, im kriegsmässig complicirten Campagneanzug, im
weissen Atlasstaat, in goldtauschirter Stahlrüstung, in Kirchen-
gala, — knieend, stehend, zu Ross — stets schaut der stereotype
Kopf hervor. — Nur im eigentlichen Amtskleid seines Standes,
im Königspurpur, oder im Ordenskleid des goldenen Vliesses,
hat er sich nie malen lassen. — Zwar wechselt der Kopf vom
magern zum robusten, vom frischen, glatten Jünglingskopf zu
dem von Leidenschaften verarbeiteten des Mannes und zu dem
bleiern erstarrten, gedunsenen des Alters, aber augenblicklich
ist er auch von ferne erkennbar. Das längliche Oval mit dem
weisslich bleichen Teint, dem kalt phlegmatischen Blick der gros-

1) In ihren Händen befand sich die Kunst indess nicht viel schlimmer als bei
den Galerie- und Parlamentscommissionen nach moderner Schablone, die oft nur
in der Boz’schen Kunst, how not to do it, hervorragendes zu leisten pflegen.
2) Pues es mas que Alejandro y tú su Apéles. Pacheco, I, 143.
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[197/0219] Philipp der Vierte. Diese Neigung wurde von seinen Ministern, Vicekönigen, Diplo- maten bemerkt und benutzt um ihn zu unterhalten und an sich zu fesseln. Die Mediceer sandten ihm nicht nur Statuen, sondern auch Ingenieure, Musiker, Architekten, und dadurch fiel ein Schimmer florentinischer Cultur auf die noch in etwas mittel- alterlichem und moreskem Stil gehaltenen Festlichkeiten der steifen königlichen Schlösser. Das Verdienst einiger Grossen ist alles, was damals für die Kunst geschehen ist. Die Berufungen, die Aufträge, die Bauten, die Gemäldeankäufe waren Ideen des Conde Duque, des D. Luis de Haro, des Grafen Monterey, der Me- dina de las Torres und Cárdenas 1). Diese Herren aber vermochten die mangelnde Initiative des Königs nicht zu ersetzen, und auch sie, welche armselige Figur machen sie neben den Fonseca, Alcalá, Mendoza, Cisneros des vorigen Jahrhunderts! Man denke an Philipp II! Wie er die Talente aufspürte und zu monu- mentalen Werken antrieb! Welche Pläne er für die Umgestaltung der Hauptstadt entworfen hatte! Der Bau des Escorial hat ihn abgezogen, aber dennoch hinterliess er in Madrid grössere Spu- ren als sein Enkel, selbst an jenem Alcazar, den dieser vier und vierzig Jahre bewohnte und beständig verändern liess. Eigenes Loos, der „Apelles“ dieses thatenlosen Achill zu sein! 2) 37 Jahre lang dasselbe Bild zu malen! Denn das An- gesicht Philipps hat in diesen 37 Jahren eine wundersame, er- schreckende Gleichförmigkeit. In der schwarzzeidenen Hoftracht, im Jagdhabit, im kriegsmässig complicirten Campagneanzug, im weissen Atlasstaat, in goldtauschirter Stahlrüstung, in Kirchen- gala, — knieend, stehend, zu Ross — stets schaut der stereotype Kopf hervor. — Nur im eigentlichen Amtskleid seines Standes, im Königspurpur, oder im Ordenskleid des goldenen Vliesses, hat er sich nie malen lassen. — Zwar wechselt der Kopf vom magern zum robusten, vom frischen, glatten Jünglingskopf zu dem von Leidenschaften verarbeiteten des Mannes und zu dem bleiern erstarrten, gedunsenen des Alters, aber augenblicklich ist er auch von ferne erkennbar. Das längliche Oval mit dem weisslich bleichen Teint, dem kalt phlegmatischen Blick der gros- 1) In ihren Händen befand sich die Kunst indess nicht viel schlimmer als bei den Galerie- und Parlamentscommissionen nach moderner Schablone, die oft nur in der Boz’schen Kunst, how not to do it, hervorragendes zu leisten pflegen. 2) Pues es mas que Alejandro y tú su Apéles. Pacheco, I, 143.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/219>, abgerufen am 27.04.2024.