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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Vertreibung der Moriscos.
keit auch im Verkehr mit Untergebenen, seine Uneigennützigkeit
und Förderung der Talente. Der spanische Minister in Rom, Car-
dinal Zapata, der ihn durch den Bruder, den Cardinal Crescenzi
kennen gelernt hatte, überredete ihn mit nach Spanien zu gehn.
Er stellte ihn Philipp III vor, der ihm die Ausführung der von
dem Erbauer des Escorial ihm hinterlassenen Grabkapelle (Pan-
theon) übertrug. Des Königs Tod verzögerte das Werk, aber
Crescenzi bekam unter dem Nachfolger die Oberleitung der
königlichen Bauten und als Vorsteher der Junta de obras y bos-
ques
(seit 1630) auch die anderer künstlerischer Unternehmungen
am Hofe. Er wurde zum Marques de la Torre und S. Jagoritter
ernannt.

Die Entscheidung fiel zu Gunsten des Velazquez aus. --

Als im Anfang der dreissiger Jahre der neue Spiegelsaal
mit den Balkons über dem Hauptthor der Facade des Alcazar
eingerichtet wurde, wo die ersten Meisterwerke vereinigt waren,
erhielten die "Moriscos" hier ihren Platz, neben Tizians Carl V,
Rubens Philipp II und IV. Zu ihren Seiten sah man indess auch
eine Zeit lang den Scipio des Carducho und die Cressida des
Caxesi -- gewiss mehr als genug Ehre für beide 1). -- Im
Inventar von 1686 wird das Gemälde zu 600 Dublonen taxirt.
Auch in der 1701 aufgestellten Testamentaria Carl II wird es
genannt. Zuletzt sah und beschrieb es Palomino, 1724 2). Seit-
dem verschwindet es aus den Inventaren. Die Angabe, dass
es Sebastiani aus dem grossen Saal der Könige in Buen Retiro
entführt habe 3), verdient keinen Glauben. Es wird in dem Brand
des Schlosses 1734 untergegangen sein. Auch keine Zeichnung
oder Kopie hat sich gefunden. Möglich ist jedoch, dass das
merkwürdige Gemälde jenes Maino, die "Bai von Brasilien" (wovon
später) sich an die Composition anlehnte.

So oft und heftig Naturalismus und Manierismus gegen-
einander geprallt sind, niemals ist man wieder auf diese hispa-
nische Idee eines Malergefechts verfallen.

Wol in keinem Jahrhundert ist in Malerkreisen so viel

1) Carducho, Dialogos 350. El salon grande que se hizo de nuevo.
2) Museo pictorico II, 327. Er giebt die Inschrift an: Philipp III. Hispan.
Regi Cathol. Regum Pientissimo, Belgico, Germ. Afric. Pazis, & Justitie Cultori;
publice Quietis assertori; ob eliminatos feliciter Mauros, Philippus IV robore ac vir-
tute magnus, in magnis maximus, animo ad maiora nato, propter antiq. tanti Pa-
rentis & Pietatis observantiaeque ergo Trophaeum hoc erigit anno 1627.
3) Carderera zu Martinez, Discursos p. 117.

Die Vertreibung der Moriscos.
keit auch im Verkehr mit Untergebenen, seine Uneigennützigkeit
und Förderung der Talente. Der spanische Minister in Rom, Car-
dinal Zapata, der ihn durch den Bruder, den Cardinal Crescenzi
kennen gelernt hatte, überredete ihn mit nach Spanien zu gehn.
Er stellte ihn Philipp III vor, der ihm die Ausführung der von
dem Erbauer des Escorial ihm hinterlassenen Grabkapelle (Pan-
theon) übertrug. Des Königs Tod verzögerte das Werk, aber
Crescenzi bekam unter dem Nachfolger die Oberleitung der
königlichen Bauten und als Vorsteher der Junta de obras y bos-
ques
(seit 1630) auch die anderer künstlerischer Unternehmungen
am Hofe. Er wurde zum Marques de la Torre und S. Jagoritter
ernannt.

Die Entscheidung fiel zu Gunsten des Velazquez aus. —

Als im Anfang der dreissiger Jahre der neue Spiegelsaal
mit den Balkons über dem Hauptthor der Façade des Alcazar
eingerichtet wurde, wo die ersten Meisterwerke vereinigt waren,
erhielten die „Moriscos“ hier ihren Platz, neben Tizians Carl V,
Rubens Philipp II und IV. Zu ihren Seiten sah man indess auch
eine Zeit lang den Scipio des Carducho und die Cressida des
Caxesi — gewiss mehr als genug Ehre für beide 1). — Im
Inventar von 1686 wird das Gemälde zu 600 Dublonen taxirt.
Auch in der 1701 aufgestellten Testamentaría Carl II wird es
genannt. Zuletzt sah und beschrieb es Palomino, 1724 2). Seit-
dem verschwindet es aus den Inventaren. Die Angabe, dass
es Sebastiani aus dem grossen Saal der Könige in Buen Retiro
entführt habe 3), verdient keinen Glauben. Es wird in dem Brand
des Schlosses 1734 untergegangen sein. Auch keine Zeichnung
oder Kopie hat sich gefunden. Möglich ist jedoch, dass das
merkwürdige Gemälde jenes Maino, die „Bai von Brasilien“ (wovon
später) sich an die Composition anlehnte.

So oft und heftig Naturalismus und Manierismus gegen-
einander geprallt sind, niemals ist man wieder auf diese hispa-
nische Idee eines Malergefechts verfallen.

Wol in keinem Jahrhundert ist in Malerkreisen so viel

1) Carducho, Diálogos 350. El salon grande que se hizo de nuevo.
2) Museo pictorico II, 327. Er giebt die Inschrift an: Philipp III. Hispan.
Regi Cathol. Regum Pientissimo, Belgico, Germ. Afric. Pazis, & Justitie Cultori;
publice Quietis assertori; ob eliminatos feliciter Mauros, Philippus IV robore ac vir-
tute magnus, in magnis maximus, animo ad maiora nato, propter antiq. tanti Pa-
rentis & Pietatis observantiaeque ergo Trophaeum hoc erigit anno 1627.
3) Carderera zu Martinez, Discursos p. 117.
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[233/0257] Die Vertreibung der Moriscos. keit auch im Verkehr mit Untergebenen, seine Uneigennützigkeit und Förderung der Talente. Der spanische Minister in Rom, Car- dinal Zapata, der ihn durch den Bruder, den Cardinal Crescenzi kennen gelernt hatte, überredete ihn mit nach Spanien zu gehn. Er stellte ihn Philipp III vor, der ihm die Ausführung der von dem Erbauer des Escorial ihm hinterlassenen Grabkapelle (Pan- theon) übertrug. Des Königs Tod verzögerte das Werk, aber Crescenzi bekam unter dem Nachfolger die Oberleitung der königlichen Bauten und als Vorsteher der Junta de obras y bos- ques (seit 1630) auch die anderer künstlerischer Unternehmungen am Hofe. Er wurde zum Marques de la Torre und S. Jagoritter ernannt. Die Entscheidung fiel zu Gunsten des Velazquez aus. — Als im Anfang der dreissiger Jahre der neue Spiegelsaal mit den Balkons über dem Hauptthor der Façade des Alcazar eingerichtet wurde, wo die ersten Meisterwerke vereinigt waren, erhielten die „Moriscos“ hier ihren Platz, neben Tizians Carl V, Rubens Philipp II und IV. Zu ihren Seiten sah man indess auch eine Zeit lang den Scipio des Carducho und die Cressida des Caxesi — gewiss mehr als genug Ehre für beide 1). — Im Inventar von 1686 wird das Gemälde zu 600 Dublonen taxirt. Auch in der 1701 aufgestellten Testamentaría Carl II wird es genannt. Zuletzt sah und beschrieb es Palomino, 1724 2). Seit- dem verschwindet es aus den Inventaren. Die Angabe, dass es Sebastiani aus dem grossen Saal der Könige in Buen Retiro entführt habe 3), verdient keinen Glauben. Es wird in dem Brand des Schlosses 1734 untergegangen sein. Auch keine Zeichnung oder Kopie hat sich gefunden. Möglich ist jedoch, dass das merkwürdige Gemälde jenes Maino, die „Bai von Brasilien“ (wovon später) sich an die Composition anlehnte. So oft und heftig Naturalismus und Manierismus gegen- einander geprallt sind, niemals ist man wieder auf diese hispa- nische Idee eines Malergefechts verfallen. Wol in keinem Jahrhundert ist in Malerkreisen so viel 1) Carducho, Diálogos 350. El salon grande que se hizo de nuevo. 2) Museo pictorico II, 327. Er giebt die Inschrift an: Philipp III. Hispan. Regi Cathol. Regum Pientissimo, Belgico, Germ. Afric. Pazis, & Justitie Cultori; publice Quietis assertori; ob eliminatos feliciter Mauros, Philippus IV robore ac vir- tute magnus, in magnis maximus, animo ad maiora nato, propter antiq. tanti Pa- rentis & Pietatis observantiaeque ergo Trophaeum hoc erigit anno 1627. 3) Carderera zu Martinez, Discursos p. 117.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/257>, abgerufen am 29.04.2024.