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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Zweites Buch.
Ihm war es ein Genuss, in dieser intimsten Weise mit dem
Venezianer zu verkehren, vor dessen Rahmen ihm seine Malerei
doch nur wie ein etwas verwilderter Spätgeborener vorkommen
musste.

Man hat früher vermuthet 1), dass diese Kopien für den
König von England bestimmt gewesen seien, der ja auf eben die-
selben Stücke einst ein Auge geworfen hatte, und sich in der
That dort Kopien anfertigen liess (S. 216). Möglich ist, dass
er an seinen Gönner gedacht hat, dass eine Anregung von dort
vorlag. Aber keines ist in Carl Stuarts Sammlungen nachzuweisen:
Rubens hat sich nie von ihnen getrennt, sie fanden sich sämmt-
lich in seinem Nachlass. Sie waren ihm wol auch werth als Er-
innerungen an jene glücklich freien Tage in Italien und zuletzt
hier, als Gast der spanischen Königsburg.

Das Inventar seines Nachlasses nennt noch folgende nach Madrider
Tizians von ihm verfertigte Kopien:

Die Venus mit dem Spiegel.
Die Bildnisse Carl V und der Kaiserin Isabella von Portugal,
zweimal, das einemal auf einem Bild vereinigt. Hier waren sie
in schwarzer Hoftracht dargestellt, die Hände ruhend auf
einem Tisch mit rother Decke, ein Brevier haltend; zwischen
ihnen stand eine Uhr. Diess verlorengegangene Bild Tizians
stammte aus Yuste, kam von da in den Prado und befand
sich zu Rubens Zeit im Schlafzimmer des Königs im Erdge-
schoss.
Das Bildniss des Königs Ferdinand in voller Rüstung, die Rechte
auf dem Helm (Prado 499)
Alphons von Ferrara mit dem grossen Hund (Prado 452). Beide
damals in der Südgallerie.
Das verlorene Bildniss des Herzogs Francesco Sforza von 1534
in ganzer Figur, voller Rüstung, und mit dem Kommandostab;
zur Zeit Philipp II im Schatzhaus, damals im "Gang über dem
Ordensrath".
Der Hofzwerg in rothem Damastkleid mit dem Spiess in der
Rechten und der rothen, hermelinbesetzten Mütze in der
Linken; ebenfalls verschollen.
Ausserdem werden noch angeführt sechs Bilder, die nicht gut
zu bestimmen sind: Ein gewisser grosser Mann mit dem
1) Michel, Histoire de la vie de Rubens. Bruxelles 1771. 167.

Zweites Buch.
Ihm war es ein Genuss, in dieser intimsten Weise mit dem
Venezianer zu verkehren, vor dessen Rahmen ihm seine Malerei
doch nur wie ein etwas verwilderter Spätgeborener vorkommen
musste.

Man hat früher vermuthet 1), dass diese Kopien für den
König von England bestimmt gewesen seien, der ja auf eben die-
selben Stücke einst ein Auge geworfen hatte, und sich in der
That dort Kopien anfertigen liess (S. 216). Möglich ist, dass
er an seinen Gönner gedacht hat, dass eine Anregung von dort
vorlag. Aber keines ist in Carl Stuarts Sammlungen nachzuweisen:
Rubens hat sich nie von ihnen getrennt, sie fanden sich sämmt-
lich in seinem Nachlass. Sie waren ihm wol auch werth als Er-
innerungen an jene glücklich freien Tage in Italien und zuletzt
hier, als Gast der spanischen Königsburg.

Das Inventar seines Nachlasses nennt noch folgende nach Madrider
Tizians von ihm verfertigte Kopien:

Die Venus mit dem Spiegel.
Die Bildnisse Carl V und der Kaiserin Isabella von Portugal,
zweimal, das einemal auf einem Bild vereinigt. Hier waren sie
in schwarzer Hoftracht dargestellt, die Hände ruhend auf
einem Tisch mit rother Decke, ein Brevier haltend; zwischen
ihnen stand eine Uhr. Diess verlorengegangene Bild Tizians
stammte aus Yuste, kam von da in den Prado und befand
sich zu Rubens Zeit im Schlafzimmer des Königs im Erdge-
schoss.
Das Bildniss des Königs Ferdinand in voller Rüstung, die Rechte
auf dem Helm (Prado 499)
Alphons von Ferrara mit dem grossen Hund (Prado 452). Beide
damals in der Südgallerie.
Das verlorene Bildniss des Herzogs Francesco Sforza von 1534
in ganzer Figur, voller Rüstung, und mit dem Kommandostab;
zur Zeit Philipp II im Schatzhaus, damals im „Gang über dem
Ordensrath“.
Der Hofzwerg in rothem Damastkleid mit dem Spiess in der
Rechten und der rothen, hermelinbesetzten Mütze in der
Linken; ebenfalls verschollen.
Ausserdem werden noch angeführt sechs Bilder, die nicht gut
zu bestimmen sind: Ein gewisser grosser Mann mit dem
1) Michel, Histoire de la vie de Rubens. Bruxelles 1771. 167.
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[244/0268] Zweites Buch. Ihm war es ein Genuss, in dieser intimsten Weise mit dem Venezianer zu verkehren, vor dessen Rahmen ihm seine Malerei doch nur wie ein etwas verwilderter Spätgeborener vorkommen musste. Man hat früher vermuthet 1), dass diese Kopien für den König von England bestimmt gewesen seien, der ja auf eben die- selben Stücke einst ein Auge geworfen hatte, und sich in der That dort Kopien anfertigen liess (S. 216). Möglich ist, dass er an seinen Gönner gedacht hat, dass eine Anregung von dort vorlag. Aber keines ist in Carl Stuarts Sammlungen nachzuweisen: Rubens hat sich nie von ihnen getrennt, sie fanden sich sämmt- lich in seinem Nachlass. Sie waren ihm wol auch werth als Er- innerungen an jene glücklich freien Tage in Italien und zuletzt hier, als Gast der spanischen Königsburg. Das Inventar seines Nachlasses nennt noch folgende nach Madrider Tizians von ihm verfertigte Kopien: Die Venus mit dem Spiegel. Die Bildnisse Carl V und der Kaiserin Isabella von Portugal, zweimal, das einemal auf einem Bild vereinigt. Hier waren sie in schwarzer Hoftracht dargestellt, die Hände ruhend auf einem Tisch mit rother Decke, ein Brevier haltend; zwischen ihnen stand eine Uhr. Diess verlorengegangene Bild Tizians stammte aus Yuste, kam von da in den Prado und befand sich zu Rubens Zeit im Schlafzimmer des Königs im Erdge- schoss. Das Bildniss des Königs Ferdinand in voller Rüstung, die Rechte auf dem Helm (Prado 499) Alphons von Ferrara mit dem grossen Hund (Prado 452). Beide damals in der Südgallerie. Das verlorene Bildniss des Herzogs Francesco Sforza von 1534 in ganzer Figur, voller Rüstung, und mit dem Kommandostab; zur Zeit Philipp II im Schatzhaus, damals im „Gang über dem Ordensrath“. Der Hofzwerg in rothem Damastkleid mit dem Spiess in der Rechten und der rothen, hermelinbesetzten Mütze in der Linken; ebenfalls verschollen. Ausserdem werden noch angeführt sechs Bilder, die nicht gut zu bestimmen sind: Ein gewisser grosser Mann mit dem 1) Michel, Histoire de la vie de Rubens. Bruxelles 1771. 167.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/268>, abgerufen am 29.04.2024.