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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Kunst und Künstler.
zeigte mir selbst mehrere seiner besten Sachen, über die er wie ein
Kenner sprach; jedoch unterbrach er diese Discurse öfters, um bei der
Erinnerung an seinen Besuch als Legato a latere in Madrid vor vier
Jahren (1626) zu verweilen; wie ihm unser 21jähriger Monarch mit
seinen Granden an die Porta de Alcala Abends entgegen geritten sei;
und was für ein schönes Zimmer mit Seiden- und Goldtapeten man ihm in
der Casa del Tesoro eingerichtet, neben dem Alcazar Seiner Katholischen
Majestät. Er führte mich in eine Kapelle, wo das ihm von der er-
lauchten kleinen Infantin [Maria Theresia] verehrte Altarfrontal war, und
der Messornat von Goldstoff mit Besatz von Ambraleder. Auch zeigte
er mir ein Gemach, wo die kostbare Chinaeinrichtung angebracht war,
die ihm damals S. Majestät geschenkt hatte; ja er erinnerte sich noch,
dass ich es gewesen, der höchstderselben kleines Bildniss in Diamanten-
einfassung gemalt, das er ebenfalls damals mitgebracht hatte 1). Ich erlaubte
mir zu versichern (was die Wahrheit ist), dass er sich die Liebe und
Begeisterung aller Herren unseres Hofes erobert habe; und nicht minder
das Andenken der Damen, durch mille cose curiose di devotione. Er er-
kundigte sich alsdann nach meinen Wünschen, und da ich ihm sagte,
dass ich nur Studien halber gekommen sei, glaubte er, dass mir dann
eine Wohnung im Vatican am liebsten sein werde, hier sei die wahre
Akademie für die Maler aller Welt. Er versprach mir einen seiner
Gentilhuomini oder Monsignori am nächsten Tage zu schicken, der mich
dorthin geleiten solle. Er hoffe auch, mir die Ehre einer Sitzung seines
Oheims zu verschaffen, die dieser grosse Mäcen di tutte le virtu fremden
Künstlern gern gewähre. Vor zwei Jahren habe der Hofmaler des
Gran Duca [Sustermans] diese Gnade gehabt. Ich dachte an den leider
zu früh hingerafften Sohn Madrids [Diego Cincinati S. 88].

"Meine Ungeduld, den grössten Tempel der Christenheit zu sehen,
führte mich noch denselben Nachmittag nach Sankt Peter, das vor sieb-
zehn Jahren vollendet worden ist. Das Innere ist von magischer Helle,
aber noch lange nicht ausgestattet mit Marmor, Gemälden und Bild-
werken, wie längst der Tempel von S. Lorenzo [Escorial], der ihm nach-
gebildet ist. Das bemerkenswertheste Denkmal ist das bronzene Grab
Paul III von Guglielmo della Porta. Es steht unter der Kuppel in der
Nähe des südwestlichen Pfeilers, von allen Seiten frei mit vier Marmor-
figuren von göttlicher Schönheit, wahrlich Michelangelo's würdig. Von

1) Molti donativi riporta il Legato, il ritratto del Re con un adorna'o. di
Diamanti di valore di [Formel 1] Scudi, alcuni lavori della China per formar, et ripartir stanze,
cose curiosissime, et di gran stima. Die Diamantengarnitur jenes Bildnisses wurde
auf 10000 Scudi geschätzt.

Kunst und Künstler.
zeigte mir selbst mehrere seiner besten Sachen, über die er wie ein
Kenner sprach; jedoch unterbrach er diese Discurse öfters, um bei der
Erinnerung an seinen Besuch als Legato a latere in Madrid vor vier
Jahren (1626) zu verweilen; wie ihm unser 21jähriger Monarch mit
seinen Granden an die Porta de Alcalá Abends entgegen geritten sei;
und was für ein schönes Zimmer mit Seiden- und Goldtapeten man ihm in
der Casa del Tesoro eingerichtet, neben dem Alcazar Seiner Katholischen
Majestät. Er führte mich in eine Kapelle, wo das ihm von der er-
lauchten kleinen Infantin [Maria Theresia] verehrte Altarfrontal war, und
der Messornat von Goldstoff mit Besatz von Ambraleder. Auch zeigte
er mir ein Gemach, wo die kostbare Chinaeinrichtung angebracht war,
die ihm damals S. Majestät geschenkt hatte; ja er erinnerte sich noch,
dass ich es gewesen, der höchstderselben kleines Bildniss in Diamanten-
einfassung gemalt, das er ebenfalls damals mitgebracht hatte 1). Ich erlaubte
mir zu versichern (was die Wahrheit ist), dass er sich die Liebe und
Begeisterung aller Herren unseres Hofes erobert habe; und nicht minder
das Andenken der Damen, durch mille cose curiose di devotione. Er er-
kundigte sich alsdann nach meinen Wünschen, und da ich ihm sagte,
dass ich nur Studien halber gekommen sei, glaubte er, dass mir dann
eine Wohnung im Vatican am liebsten sein werde, hier sei die wahre
Akademie für die Maler aller Welt. Er versprach mir einen seiner
Gentilhuomini oder Monsignori am nächsten Tage zu schicken, der mich
dorthin geleiten solle. Er hoffe auch, mir die Ehre einer Sitzung seines
Oheims zu verschaffen, die dieser grosse Mäcen di tutte le virtù fremden
Künstlern gern gewähre. Vor zwei Jahren habe der Hofmaler des
Gran Duca [Sustermans] diese Gnade gehabt. Ich dachte an den leider
zu früh hingerafften Sohn Madrids [Diego Cincinati S. 88].

„Meine Ungeduld, den grössten Tempel der Christenheit zu sehen,
führte mich noch denselben Nachmittag nach Sankt Peter, das vor sieb-
zehn Jahren vollendet worden ist. Das Innere ist von magischer Helle,
aber noch lange nicht ausgestattet mit Marmor, Gemälden und Bild-
werken, wie längst der Tempel von S. Lorenzo [Escorial], der ihm nach-
gebildet ist. Das bemerkenswertheste Denkmal ist das bronzene Grab
Paul III von Guglielmo della Porta. Es steht unter der Kuppel in der
Nähe des südwestlichen Pfeilers, von allen Seiten frei mit vier Marmor-
figuren von göttlicher Schönheit, wahrlich Michelangelo’s würdig. Von

1) Molti donativi riporta il Legato, il ritratto del Re con un adorna’o. di
Diamanti di valore di [Formel 1] Scudi, alcuni lavori della China per formar, et ripartir stanze,
cose curiosissime, et di gran stima. Die Diamantengarnitur jenes Bildnisses wurde
auf 10000 Scudi geschätzt.
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[285/0311] Kunst und Künstler. zeigte mir selbst mehrere seiner besten Sachen, über die er wie ein Kenner sprach; jedoch unterbrach er diese Discurse öfters, um bei der Erinnerung an seinen Besuch als Legato a latere in Madrid vor vier Jahren (1626) zu verweilen; wie ihm unser 21jähriger Monarch mit seinen Granden an die Porta de Alcalá Abends entgegen geritten sei; und was für ein schönes Zimmer mit Seiden- und Goldtapeten man ihm in der Casa del Tesoro eingerichtet, neben dem Alcazar Seiner Katholischen Majestät. Er führte mich in eine Kapelle, wo das ihm von der er- lauchten kleinen Infantin [Maria Theresia] verehrte Altarfrontal war, und der Messornat von Goldstoff mit Besatz von Ambraleder. Auch zeigte er mir ein Gemach, wo die kostbare Chinaeinrichtung angebracht war, die ihm damals S. Majestät geschenkt hatte; ja er erinnerte sich noch, dass ich es gewesen, der höchstderselben kleines Bildniss in Diamanten- einfassung gemalt, das er ebenfalls damals mitgebracht hatte 1). Ich erlaubte mir zu versichern (was die Wahrheit ist), dass er sich die Liebe und Begeisterung aller Herren unseres Hofes erobert habe; und nicht minder das Andenken der Damen, durch mille cose curiose di devotione. Er er- kundigte sich alsdann nach meinen Wünschen, und da ich ihm sagte, dass ich nur Studien halber gekommen sei, glaubte er, dass mir dann eine Wohnung im Vatican am liebsten sein werde, hier sei die wahre Akademie für die Maler aller Welt. Er versprach mir einen seiner Gentilhuomini oder Monsignori am nächsten Tage zu schicken, der mich dorthin geleiten solle. Er hoffe auch, mir die Ehre einer Sitzung seines Oheims zu verschaffen, die dieser grosse Mäcen di tutte le virtù fremden Künstlern gern gewähre. Vor zwei Jahren habe der Hofmaler des Gran Duca [Sustermans] diese Gnade gehabt. Ich dachte an den leider zu früh hingerafften Sohn Madrids [Diego Cincinati S. 88]. „Meine Ungeduld, den grössten Tempel der Christenheit zu sehen, führte mich noch denselben Nachmittag nach Sankt Peter, das vor sieb- zehn Jahren vollendet worden ist. Das Innere ist von magischer Helle, aber noch lange nicht ausgestattet mit Marmor, Gemälden und Bild- werken, wie längst der Tempel von S. Lorenzo [Escorial], der ihm nach- gebildet ist. Das bemerkenswertheste Denkmal ist das bronzene Grab Paul III von Guglielmo della Porta. Es steht unter der Kuppel in der Nähe des südwestlichen Pfeilers, von allen Seiten frei mit vier Marmor- figuren von göttlicher Schönheit, wahrlich Michelangelo’s würdig. Von 1) Molti donativi riporta il Legato, il ritratto del Re con un adorna’o. di Diamanti di valore di[FORMEL] Scudi, alcuni lavori della China per formar, et ripartir stanze, cose curiosissime, et di gran stima. Die Diamantengarnitur jenes Bildnisses wurde auf 10000 Scudi geschätzt.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/311>, abgerufen am 29.04.2024.