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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Quellen und Literatur.
Geschichte machen zu können glaubten. Er könnte mit Börne sagen:
"Ich hätte sie (die Nummern) und die Leser ebenso leicht an eine ge-
meinschaftliche Galerenkette der Langeweile schmieden können." Uebri-
gens beweisen die wenn auch sparsam ausgesäten Zweifel und Vermu-
thungen, dass dem trefflichen Mann auch kritischer Scharfsinn wenn er will
zu Gebote steht. -- Sein Buch überhebt das gegenwärtige der Mühe,
ein Verzeichniss der Werke zu geben.

Wenn Richard Ford im Jahre 1848 constatirte, dass "die Deut-
schen ihren üblichen genauen und kritischen Fleiss diesem Gegenstand
(der spanischen Malerei) noch nicht zugewandt hätten," so lag darin
ein Wink, den aber bis jetzt Niemand beachtet hat. Zwei Reisen
unserer verdienten Meister Passavant und Waagen, brachten ein kleines
Buch des erstern und einige Artikel des letztern; in diesen stehen auch
Bemerkungen über Velazquez.

Der Verfasser fühlte sich bei seinem ersten ohne bestimmte oder lite-
rarische Absichten unternommenen Besuch in Spanien (1872) von diesem
Meister besonders gefesselt; er ist oft in das Land zurückgekehrt, meist
aber um sich auf andern Gebieten der dortigen Denkmälerwelt umzusehen,
welche vielleicht mehr den Reiz und Vortheil des Unerforschten hatten.
Zuweilen schien es ihm als ob ein Werk über Velazquez mehr für spa-
nische Leser -- und Federn -- sei. Aber nach solchen Pausen, wo
er die Arbeit bei Seite legte, ist er immer wieder zu dem Gegenstand
hingezogen worden, und so ist endlich, fast wider seinen Willen, dieses
Buch zustandegekommen. Heutzutage hat das Recht zu einer Malerbio-
graphie nur wer durch unermüdliches Studium der Originale sich eine
Basis der Kennerschaft verschafft hat; der Verfasser hat alle Werke von
denen er erfahren, auch die in Italien, Russland und besonders in
England zerstreuten, wiederholt zu sehen gesucht. Die Zeit und Mühe
die hier bloss auf Schärfung des Auges, auf Gewinnung eines Urtheils
über oft nicht einmal bedeutende Stücke oder Begründung einer Ab-
erkennung in ein paar Zeilen gewandt werden muss, werden die beur-
theilen, welche ähnliche Arbeiten gemacht haben.

Obwol archivalische und dergleichen Studien für uns nur Ruhe-
pausen sind neben der eigentlichen Arbeit des Studiums der Bilder, der
Regeln und der Technik der Kunst: so sind diese Intermezzos für das
vorliegende Buch doch zuweilen recht lang ausgefallen. Die Inventare
der königlichen Schlösser z. B., aus welchen, um nur einen Punkt zu nen-
nen, über Velazquez Thätigkeit als Galerieorganisator Aufschluss zu
gewinnen ist, mussten eigenhändig abgeschrieben werden. Die spanischen
Correspondenzen der Archive Italiens (Venedig, Neapel, Florenz, Mo-
dena u. a.) gewährten ausser einigen den Meister betreffenden Briefen

Quellen und Literatur.
Geschichte machen zu können glaubten. Er könnte mit Börne sagen:
„Ich hätte sie (die Nummern) und die Leser ebenso leicht an eine ge-
meinschaftliche Galerenkette der Langeweile schmieden können.“ Uebri-
gens beweisen die wenn auch sparsam ausgesäten Zweifel und Vermu-
thungen, dass dem trefflichen Mann auch kritischer Scharfsinn wenn er will
zu Gebote steht. — Sein Buch überhebt das gegenwärtige der Mühe,
ein Verzeichniss der Werke zu geben.

Wenn Richard Ford im Jahre 1848 constatirte, dass „die Deut-
schen ihren üblichen genauen und kritischen Fleiss diesem Gegenstand
(der spanischen Malerei) noch nicht zugewandt hätten,“ so lag darin
ein Wink, den aber bis jetzt Niemand beachtet hat. Zwei Reisen
unserer verdienten Meister Passavant und Waagen, brachten ein kleines
Buch des erstern und einige Artikel des letztern; in diesen stehen auch
Bemerkungen über Velazquez.

Der Verfasser fühlte sich bei seinem ersten ohne bestimmte oder lite-
rarische Absichten unternommenen Besuch in Spanien (1872) von diesem
Meister besonders gefesselt; er ist oft in das Land zurückgekehrt, meist
aber um sich auf andern Gebieten der dortigen Denkmälerwelt umzusehen,
welche vielleicht mehr den Reiz und Vortheil des Unerforschten hatten.
Zuweilen schien es ihm als ob ein Werk über Velazquez mehr für spa-
nische Leser — und Federn — sei. Aber nach solchen Pausen, wo
er die Arbeit bei Seite legte, ist er immer wieder zu dem Gegenstand
hingezogen worden, und so ist endlich, fast wider seinen Willen, dieses
Buch zustandegekommen. Heutzutage hat das Recht zu einer Malerbio-
graphie nur wer durch unermüdliches Studium der Originale sich eine
Basis der Kennerschaft verschafft hat; der Verfasser hat alle Werke von
denen er erfahren, auch die in Italien, Russland und besonders in
England zerstreuten, wiederholt zu sehen gesucht. Die Zeit und Mühe
die hier bloss auf Schärfung des Auges, auf Gewinnung eines Urtheils
über oft nicht einmal bedeutende Stücke oder Begründung einer Ab-
erkennung in ein paar Zeilen gewandt werden muss, werden die beur-
theilen, welche ähnliche Arbeiten gemacht haben.

Obwol archivalische und dergleichen Studien für uns nur Ruhe-
pausen sind neben der eigentlichen Arbeit des Studiums der Bilder, der
Regeln und der Technik der Kunst: so sind diese Intermezzos für das
vorliegende Buch doch zuweilen recht lang ausgefallen. Die Inventare
der königlichen Schlösser z. B., aus welchen, um nur einen Punkt zu nen-
nen, über Velazquez Thätigkeit als Galerieorganisator Aufschluss zu
gewinnen ist, mussten eigenhändig abgeschrieben werden. Die spanischen
Correspondenzen der Archive Italiens (Venedig, Neapel, Florenz, Mo-
dena u. a.) gewährten ausser einigen den Meister betreffenden Briefen

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[19/0039] Quellen und Literatur. Geschichte machen zu können glaubten. Er könnte mit Börne sagen: „Ich hätte sie (die Nummern) und die Leser ebenso leicht an eine ge- meinschaftliche Galerenkette der Langeweile schmieden können.“ Uebri- gens beweisen die wenn auch sparsam ausgesäten Zweifel und Vermu- thungen, dass dem trefflichen Mann auch kritischer Scharfsinn wenn er will zu Gebote steht. — Sein Buch überhebt das gegenwärtige der Mühe, ein Verzeichniss der Werke zu geben. Wenn Richard Ford im Jahre 1848 constatirte, dass „die Deut- schen ihren üblichen genauen und kritischen Fleiss diesem Gegenstand (der spanischen Malerei) noch nicht zugewandt hätten,“ so lag darin ein Wink, den aber bis jetzt Niemand beachtet hat. Zwei Reisen unserer verdienten Meister Passavant und Waagen, brachten ein kleines Buch des erstern und einige Artikel des letztern; in diesen stehen auch Bemerkungen über Velazquez. Der Verfasser fühlte sich bei seinem ersten ohne bestimmte oder lite- rarische Absichten unternommenen Besuch in Spanien (1872) von diesem Meister besonders gefesselt; er ist oft in das Land zurückgekehrt, meist aber um sich auf andern Gebieten der dortigen Denkmälerwelt umzusehen, welche vielleicht mehr den Reiz und Vortheil des Unerforschten hatten. Zuweilen schien es ihm als ob ein Werk über Velazquez mehr für spa- nische Leser — und Federn — sei. Aber nach solchen Pausen, wo er die Arbeit bei Seite legte, ist er immer wieder zu dem Gegenstand hingezogen worden, und so ist endlich, fast wider seinen Willen, dieses Buch zustandegekommen. Heutzutage hat das Recht zu einer Malerbio- graphie nur wer durch unermüdliches Studium der Originale sich eine Basis der Kennerschaft verschafft hat; der Verfasser hat alle Werke von denen er erfahren, auch die in Italien, Russland und besonders in England zerstreuten, wiederholt zu sehen gesucht. Die Zeit und Mühe die hier bloss auf Schärfung des Auges, auf Gewinnung eines Urtheils über oft nicht einmal bedeutende Stücke oder Begründung einer Ab- erkennung in ein paar Zeilen gewandt werden muss, werden die beur- theilen, welche ähnliche Arbeiten gemacht haben. Obwol archivalische und dergleichen Studien für uns nur Ruhe- pausen sind neben der eigentlichen Arbeit des Studiums der Bilder, der Regeln und der Technik der Kunst: so sind diese Intermezzos für das vorliegende Buch doch zuweilen recht lang ausgefallen. Die Inventare der königlichen Schlösser z. B., aus welchen, um nur einen Punkt zu nen- nen, über Velazquez Thätigkeit als Galerieorganisator Aufschluss zu gewinnen ist, mussten eigenhändig abgeschrieben werden. Die spanischen Correspondenzen der Archive Italiens (Venedig, Neapel, Florenz, Mo- dena u. a.) gewährten ausser einigen den Meister betreffenden Briefen

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/39>, abgerufen am 27.04.2024.