3) Wenn ich Varianten meiner drei Quellen bekam, habe ich mich für die wahr- scheinlichste entschieden und sie in den Text aufgenommen, die andren aber in den Anmer- kungen angezeigt. Nun wäre es überflüssig und unnütze Vergrösserung des Werks gewesen, wenn ich dies bei den bloßen Paraphrasen und Ampflificationen der Scheuchzerschen Ueberse- tzung, die sich fast auf allen Seiten finden, hätte thun wollen. Jch habe also dem Leser nur in einigen Beispielen von denselben einen Begrif gemacht.
4) Kämpfers deutscher Styl ist von der Art, daß ihn in unsern Zeiten niemand mit Vergnügen lesen kan; der Verleger verlangte also, daß ich das Kämpferische Werk lesbar machen und seinen Styl modernisiren möchte. Ein Wort, bey dem der strenge Historiker -- der sich an einige Beispiele der Franzosen erinnert -- schon übel zu ahnden pflegt. Jn der That fürchtete ich selbst anfangs die Vorwürfe, die man meinem Kämpfer und mir machen möchte, so sehr, daß ich den Verleger zu bewegen suchte, er möchte das Werk ganz, wie es da wäre, in seiner Ursprache abdrucken lassen. Allein er bewies mir sehr gründlich, daß er das Werk deswegen verlegte, weil er's verkaufen wolle, daß die strengen Historiker ihm wenig Exemplare abnehmen würden, daß sie also kein großes Recht hätten, ihm Vorschriften zu geben, daß ich so modernirfiren könte, daß diese stren- gen Herrn keinen Grund zu Beschwerden hätten u. s. w. Jch empfand, daß der Verleger am Ende mit großem Recht eine entscheidende Stimme haben müsse, und ich sah am Ende immer mehr ein, daß sein Vorschlag bey weitem der beste sey, um Kämpfers Werk recht nutzbar zu machen. Sein Styl ist in der That an vielen Stellen nicht lesbar, und ein großer Theil des Publikums, das viel Gutes daraus lernen könte, würde das Werk blos deswegen nicht zur Hand nehmen. Und warum könte ich diesen Styl nicht umschaffen, ohne doch irgend eine Kämpferische Jdee verlohren gehn zu lassen? Und wenn ich es thäte, was hätten die Gelehrten zu klagen, oder vielmehr warum wolten sie mit meiner Arbeit nicht zufrieden seyn, und Kämpfers Werk, so wie ich es ihnen vorlege, für das wahre Ori- ginal ansehen?
Jch machte mir also die Regel: Mit strengster Gewissenhaftigkeit und mi- krologischer Genauigkeit Kämpfers Sin und Gedanken ganz unge[ä]ndert zu las- sen, schlechterdings nichts zuzusetzen, nichts abzunehmen; aber auch diese unge- änderten Gedanken so leßbar und in einem so polirten Style zu liefern, als es nur immer ohne Verletzung der historischen Treue geschehn konte.
Wenn ich diese Regel streng beobachtete, so glaubte ich Alles gethan zu haben, um jede Classe von Gelehrten und Liebhabern, die Forderungen der Kritik und die des Jahrhun- derts zugleich zu befriedigen.
Ob
Einleitung des Herausgebers.
3) Wenn ich Varianten meiner drei Quellen bekam, habe ich mich fuͤr die wahr- ſcheinlichſte entſchieden und ſie in den Text aufgenommen, die andren aber in den Anmer- kungen angezeigt. Nun waͤre es uͤberfluͤſſig und unnuͤtze Vergroͤſſerung des Werks geweſen, wenn ich dies bei den bloßen Paraphraſen und Ampflificationen der Scheuchzerſchen Ueberſe- tzung, die ſich faſt auf allen Seiten finden, haͤtte thun wollen. Jch habe alſo dem Leſer nur in einigen Beiſpielen von denſelben einen Begrif gemacht.
4) Kaͤmpfers deutſcher Styl iſt von der Art, daß ihn in unſern Zeiten niemand mit Vergnuͤgen leſen kan; der Verleger verlangte alſo, daß ich das Kaͤmpferiſche Werk lesbar machen und ſeinen Styl moderniſiren moͤchte. Ein Wort, bey dem der ſtrenge Hiſtoriker — der ſich an einige Beiſpiele der Franzoſen erinnert — ſchon uͤbel zu ahnden pflegt. Jn der That fuͤrchtete ich ſelbſt anfangs die Vorwuͤrfe, die man meinem Kaͤmpfer und mir machen moͤchte, ſo ſehr, daß ich den Verleger zu bewegen ſuchte, er moͤchte das Werk ganz, wie es da waͤre, in ſeiner Urſprache abdrucken laſſen. Allein er bewies mir ſehr gruͤndlich, daß er das Werk deswegen verlegte, weil er’s verkaufen wolle, daß die ſtrengen Hiſtoriker ihm wenig Exemplare abnehmen wuͤrden, daß ſie alſo kein großes Recht haͤtten, ihm Vorſchriften zu geben, daß ich ſo modernirfiren koͤnte, daß dieſe ſtren- gen Herrn keinen Grund zu Beſchwerden haͤtten u. ſ. w. Jch empfand, daß der Verleger am Ende mit großem Recht eine entſcheidende Stimme haben muͤſſe, und ich ſah am Ende immer mehr ein, daß ſein Vorſchlag bey weitem der beſte ſey, um Kaͤmpfers Werk recht nutzbar zu machen. Sein Styl iſt in der That an vielen Stellen nicht lesbar, und ein großer Theil des Publikums, das viel Gutes daraus lernen koͤnte, wuͤrde das Werk blos deswegen nicht zur Hand nehmen. Und warum koͤnte ich dieſen Styl nicht umſchaffen, ohne doch irgend eine Kaͤmpferiſche Jdee verlohren gehn zu laſſen? Und wenn ich es thaͤte, was haͤtten die Gelehrten zu klagen, oder vielmehr warum wolten ſie mit meiner Arbeit nicht zufrieden ſeyn, und Kaͤmpfers Werk, ſo wie ich es ihnen vorlege, fuͤr das wahre Ori- ginal anſehen?
Jch machte mir alſo die Regel: Mit ſtrengſter Gewiſſenhaftigkeit und mi- krologiſcher Genauigkeit Kaͤmpfers Sin und Gedanken ganz unge[aͤ]ndert zu laſ- ſen, ſchlechterdings nichts zuzuſetzen, nichts abzunehmen; aber auch dieſe unge- aͤnderten Gedanken ſo leßbar und in einem ſo polirten Style zu liefern, als es nur immer ohne Verletzung der hiſtoriſchen Treue geſchehn konte.
Wenn ich dieſe Regel ſtreng beobachtete, ſo glaubte ich Alles gethan zu haben, um jede Claſſe von Gelehrten und Liebhabern, die Forderungen der Kritik und die des Jahrhun- derts zugleich zu befriedigen.
Ob
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[XLII/0046]
Einleitung des Herausgebers.
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ſcheinlichſte entſchieden und ſie in den Text aufgenommen, die andren aber in den Anmer-
kungen angezeigt. Nun waͤre es uͤberfluͤſſig und unnuͤtze Vergroͤſſerung des Werks geweſen,
wenn ich dies bei den bloßen Paraphraſen und Ampflificationen der Scheuchzerſchen Ueberſe-
tzung, die ſich faſt auf allen Seiten finden, haͤtte thun wollen. Jch habe alſo dem Leſer
nur in einigen Beiſpielen von denſelben einen Begrif gemacht.
4) Kaͤmpfers deutſcher Styl iſt von der Art, daß ihn in unſern Zeiten niemand
mit Vergnuͤgen leſen kan; der Verleger verlangte alſo, daß ich das Kaͤmpferiſche Werk
lesbar machen und ſeinen Styl moderniſiren moͤchte. Ein Wort, bey dem der ſtrenge
Hiſtoriker — der ſich an einige Beiſpiele der Franzoſen erinnert — ſchon uͤbel zu ahnden
pflegt. Jn der That fuͤrchtete ich ſelbſt anfangs die Vorwuͤrfe, die man meinem Kaͤmpfer
und mir machen moͤchte, ſo ſehr, daß ich den Verleger zu bewegen ſuchte, er moͤchte das
Werk ganz, wie es da waͤre, in ſeiner Urſprache abdrucken laſſen. Allein er bewies mir
ſehr gruͤndlich, daß er das Werk deswegen verlegte, weil er’s verkaufen wolle, daß
die ſtrengen Hiſtoriker ihm wenig Exemplare abnehmen wuͤrden, daß ſie alſo kein großes
Recht haͤtten, ihm Vorſchriften zu geben, daß ich ſo modernirfiren koͤnte, daß dieſe ſtren-
gen Herrn keinen Grund zu Beſchwerden haͤtten u. ſ. w. Jch empfand, daß der Verleger
am Ende mit großem Recht eine entſcheidende Stimme haben muͤſſe, und ich ſah am
Ende immer mehr ein, daß ſein Vorſchlag bey weitem der beſte ſey, um Kaͤmpfers Werk
recht nutzbar zu machen. Sein Styl iſt in der That an vielen Stellen nicht lesbar, und
ein großer Theil des Publikums, das viel Gutes daraus lernen koͤnte, wuͤrde das Werk
blos deswegen nicht zur Hand nehmen. Und warum koͤnte ich dieſen Styl nicht umſchaffen,
ohne doch irgend eine Kaͤmpferiſche Jdee verlohren gehn zu laſſen? Und wenn ich es thaͤte,
was haͤtten die Gelehrten zu klagen, oder vielmehr warum wolten ſie mit meiner Arbeit
nicht zufrieden ſeyn, und Kaͤmpfers Werk, ſo wie ich es ihnen vorlege, fuͤr das wahre Ori-
ginal anſehen?
Jch machte mir alſo die Regel: Mit ſtrengſter Gewiſſenhaftigkeit und mi-
krologiſcher Genauigkeit Kaͤmpfers Sin und Gedanken ganz ungeaͤndert zu laſ-
ſen, ſchlechterdings nichts zuzuſetzen, nichts abzunehmen; aber auch dieſe unge-
aͤnderten Gedanken ſo leßbar und in einem ſo polirten Style zu liefern, als es
nur immer ohne Verletzung der hiſtoriſchen Treue geſchehn konte.
Wenn ich dieſe Regel ſtreng beobachtete, ſo glaubte ich Alles gethan zu haben, um
jede Claſſe von Gelehrten und Liebhabern, die Forderungen der Kritik und die des Jahrhun-
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. XLII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/46>, abgerufen am 05.12.2023.
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