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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Erst. Kap. Reise von Batavia nach Siam.
chem Ort drei auf einem portugiesischen Schif nach Batavia kamen. Hanjemon reisete
nun mit uns nach Siam, erfuhr aber zu seinem großen Verdrus, daß seine Frau, der
langen Abwesenheit ihres Mannes überdrüssig, sich an einen Portugiesen wieder verheira-
thet, und mit demselben schon einen Sohn erzeugt habe.

Nach dieser kurzen Digression wollen wir unsern Lauf am 30sten Mai fortsetzen,
der aber wenig betrug, weil wir wegen des widrigen Windes schon Nachmittags vor
Anker liegen musten.

Den 31ten Mai früh, als wir noch kaum eine Stunde fortgesegelt hatten, wur-
den wir von einem ausnehmend heftigen Sturm ohne Regen so plözlich ergriffen, daß wir
kaum die Segel einnehmen, und die Anker fallen lassen konten. Unsre Foksen oder Vor-
bramstangen wurden sogleich zersplittert, und fielen theils ins Schif, theils über Bord,
wobei zwei Menschen, die vorne auf den Bramstangen standen, das Unglük hatten, mit
über Bord zu fallen. Der eine wurde bald mit Stangen und Seilen wieder gerettet,
weil er dicht neben dem Boot niederfiel. Der andre ergrif das Seil, womit das Boot an
das Schif gebunden war, und hielt sich an demselben doch so lange, (obgleich das Schif
wie ein Pfeil fortschos,) bis er von zweien, die im Boot saßen, nicht ohne große Mühe
und Gefahr gerettet wurde. Beide schienen äußerlich an den Knochen unbeschädigt; der
eine aber klagte heftig über Schmerzen in der Brust, so wie der andre in den Seiten. Es
war noch unser Glük, daß gerade die Vorderbramstange brach, weil sonst die große Stan-
ge würde in gleiche Gefahr gekommen seyn. Kaum waren die Segel eingenommen, und
die Anker geworfen, so legte sich auch schon der Sturm. Wir brachten aber den ganzen
noch übrigen Tag mit Verfertigung einer neuen Stange zu.

Den 1sten Junius wandte sich der Wind gen Süd-Südwest, dann Südwest,
und wurde endlich ganz Südwind. Wir suchten nun unsre Segel so gut als möglich zu ge-
brauchen, um das Schif einigermaßen im Gleichgewicht zu erhalten, da unsre Stange
noch nicht aufgesezt war. Unsre Richtung war meistens westlich; Nachmittags wurde es
so stille, daß wir Anker werfen musten. Wir fingen hier viele Fische; gegen Abend
waren unsre Stangen endlich völlig aufgesezt, und wir bekamen nun einen guten forttrei-
benden Landwind, welcher nicht eher als den 2ten Jun. Mittags auf hörte.

Heute und gestern war das Land ganz flach und niedrig, das Wetter aber gut
und klar, nur gegen Abend um den Horizont etwas schwarz und wolkicht.

Nachdem wir die Nacht weiter fortgefahren, befanden wir uns den 3ten Jun. dem
ligorischen niedrigen Lande und einem Flusse gegenüber, der dort in die See läuft. Nicht
weit davon war die Küste wieder bergicht.

Den 4ten Jun. erreichten wir drei ziemlich große, in diesem Meerbusen unter
dem 10ten Gr. der Br. gelegne Jnseln, die man noch zu den ligorischen Landen rechnet,

weil
C

Erſt. Kap. Reiſe von Batavia nach Siam.
chem Ort drei auf einem portugieſiſchen Schif nach Batavia kamen. Hanjemon reiſete
nun mit uns nach Siam, erfuhr aber zu ſeinem großen Verdrus, daß ſeine Frau, der
langen Abweſenheit ihres Mannes uͤberdruͤſſig, ſich an einen Portugieſen wieder verheira-
thet, und mit demſelben ſchon einen Sohn erzeugt habe.

Nach dieſer kurzen Digreſſion wollen wir unſern Lauf am 30ſten Mai fortſetzen,
der aber wenig betrug, weil wir wegen des widrigen Windes ſchon Nachmittags vor
Anker liegen muſten.

Den 31ten Mai fruͤh, als wir noch kaum eine Stunde fortgeſegelt hatten, wur-
den wir von einem ausnehmend heftigen Sturm ohne Regen ſo ploͤzlich ergriffen, daß wir
kaum die Segel einnehmen, und die Anker fallen laſſen konten. Unſre Fokſen oder Vor-
bramſtangen wurden ſogleich zerſplittert, und fielen theils ins Schif, theils uͤber Bord,
wobei zwei Menſchen, die vorne auf den Bramſtangen ſtanden, das Ungluͤk hatten, mit
uͤber Bord zu fallen. Der eine wurde bald mit Stangen und Seilen wieder gerettet,
weil er dicht neben dem Boot niederfiel. Der andre ergrif das Seil, womit das Boot an
das Schif gebunden war, und hielt ſich an demſelben doch ſo lange, (obgleich das Schif
wie ein Pfeil fortſchos,) bis er von zweien, die im Boot ſaßen, nicht ohne große Muͤhe
und Gefahr gerettet wurde. Beide ſchienen aͤußerlich an den Knochen unbeſchaͤdigt; der
eine aber klagte heftig uͤber Schmerzen in der Bruſt, ſo wie der andre in den Seiten. Es
war noch unſer Gluͤk, daß gerade die Vorderbramſtange brach, weil ſonſt die große Stan-
ge wuͤrde in gleiche Gefahr gekommen ſeyn. Kaum waren die Segel eingenommen, und
die Anker geworfen, ſo legte ſich auch ſchon der Sturm. Wir brachten aber den ganzen
noch uͤbrigen Tag mit Verfertigung einer neuen Stange zu.

Den 1ſten Junius wandte ſich der Wind gen Suͤd-Suͤdweſt, dann Suͤdweſt,
und wurde endlich ganz Suͤdwind. Wir ſuchten nun unſre Segel ſo gut als moͤglich zu ge-
brauchen, um das Schif einigermaßen im Gleichgewicht zu erhalten, da unſre Stange
noch nicht aufgeſezt war. Unſre Richtung war meiſtens weſtlich; Nachmittags wurde es
ſo ſtille, daß wir Anker werfen muſten. Wir fingen hier viele Fiſche; gegen Abend
waren unſre Stangen endlich voͤllig aufgeſezt, und wir bekamen nun einen guten forttrei-
benden Landwind, welcher nicht eher als den 2ten Jun. Mittags auf hoͤrte.

Heute und geſtern war das Land ganz flach und niedrig, das Wetter aber gut
und klar, nur gegen Abend um den Horizont etwas ſchwarz und wolkicht.

Nachdem wir die Nacht weiter fortgefahren, befanden wir uns den 3ten Jun. dem
ligoriſchen niedrigen Lande und einem Fluſſe gegenuͤber, der dort in die See laͤuft. Nicht
weit davon war die Kuͤſte wieder bergicht.

Den 4ten Jun. erreichten wir drei ziemlich große, in dieſem Meerbuſen unter
dem 10ten Gr. der Br. gelegne Jnſeln, die man noch zu den ligoriſchen Landen rechnet,

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[17/0091] Erſt. Kap. Reiſe von Batavia nach Siam. chem Ort drei auf einem portugieſiſchen Schif nach Batavia kamen. Hanjemon reiſete nun mit uns nach Siam, erfuhr aber zu ſeinem großen Verdrus, daß ſeine Frau, der langen Abweſenheit ihres Mannes uͤberdruͤſſig, ſich an einen Portugieſen wieder verheira- thet, und mit demſelben ſchon einen Sohn erzeugt habe. Nach dieſer kurzen Digreſſion wollen wir unſern Lauf am 30ſten Mai fortſetzen, der aber wenig betrug, weil wir wegen des widrigen Windes ſchon Nachmittags vor Anker liegen muſten. Den 31ten Mai fruͤh, als wir noch kaum eine Stunde fortgeſegelt hatten, wur- den wir von einem ausnehmend heftigen Sturm ohne Regen ſo ploͤzlich ergriffen, daß wir kaum die Segel einnehmen, und die Anker fallen laſſen konten. Unſre Fokſen oder Vor- bramſtangen wurden ſogleich zerſplittert, und fielen theils ins Schif, theils uͤber Bord, wobei zwei Menſchen, die vorne auf den Bramſtangen ſtanden, das Ungluͤk hatten, mit uͤber Bord zu fallen. Der eine wurde bald mit Stangen und Seilen wieder gerettet, weil er dicht neben dem Boot niederfiel. Der andre ergrif das Seil, womit das Boot an das Schif gebunden war, und hielt ſich an demſelben doch ſo lange, (obgleich das Schif wie ein Pfeil fortſchos,) bis er von zweien, die im Boot ſaßen, nicht ohne große Muͤhe und Gefahr gerettet wurde. Beide ſchienen aͤußerlich an den Knochen unbeſchaͤdigt; der eine aber klagte heftig uͤber Schmerzen in der Bruſt, ſo wie der andre in den Seiten. Es war noch unſer Gluͤk, daß gerade die Vorderbramſtange brach, weil ſonſt die große Stan- ge wuͤrde in gleiche Gefahr gekommen ſeyn. Kaum waren die Segel eingenommen, und die Anker geworfen, ſo legte ſich auch ſchon der Sturm. Wir brachten aber den ganzen noch uͤbrigen Tag mit Verfertigung einer neuen Stange zu. Den 1ſten Junius wandte ſich der Wind gen Suͤd-Suͤdweſt, dann Suͤdweſt, und wurde endlich ganz Suͤdwind. Wir ſuchten nun unſre Segel ſo gut als moͤglich zu ge- brauchen, um das Schif einigermaßen im Gleichgewicht zu erhalten, da unſre Stange noch nicht aufgeſezt war. Unſre Richtung war meiſtens weſtlich; Nachmittags wurde es ſo ſtille, daß wir Anker werfen muſten. Wir fingen hier viele Fiſche; gegen Abend waren unſre Stangen endlich voͤllig aufgeſezt, und wir bekamen nun einen guten forttrei- benden Landwind, welcher nicht eher als den 2ten Jun. Mittags auf hoͤrte. Heute und geſtern war das Land ganz flach und niedrig, das Wetter aber gut und klar, nur gegen Abend um den Horizont etwas ſchwarz und wolkicht. Nachdem wir die Nacht weiter fortgefahren, befanden wir uns den 3ten Jun. dem ligoriſchen niedrigen Lande und einem Fluſſe gegenuͤber, der dort in die See laͤuft. Nicht weit davon war die Kuͤſte wieder bergicht. Den 4ten Jun. erreichten wir drei ziemlich große, in dieſem Meerbuſen unter dem 10ten Gr. der Br. gelegne Jnſeln, die man noch zu den ligoriſchen Landen rechnet, weil C

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/91>, abgerufen am 14.05.2024.