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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Vom Ambra.
neuen Jrrthum über den Ambra durch einige kurze Sätze zu widerlegen, die auf den Nach-
richten der fleißigen Sammler dieser Materie, den merkwürdigsten Beobachtungen der Si-
neser, den Erzählungen japanischer Wallfischfänger, und endlich selbst auf meiner eignen
Untersuchung der Provinzen und Ufer, an denen man Ambra findet, beruhen.

Diese Sätze sind folgende:

1) Man findet an vielen Orten Ambra, wo sich doch weder am Ufer, noch tief
ins Land hinein Bienen aufhalten: und dagegen haben sehr viele Länder Bienen, an deren
Ufer man doch nie Ambra erblikt hat.
2) Die Fischer, die auf den felsichten Ufern zwischen Sina und der Jnsel Java
die eßbaren Vogelnester aufsuchen (es sind die Nester gewisser Meerschwalben, die sie aus
dem Holothurium verfertigen) haben daselbst niemals Bienenstöcke gefunden, die, wie De-
nis
meint, von den Wellen zerstöret würden. Die weise Natur hat die Bienen wohl ge-
lehrt, die Meerufer und den Stürmen ausgesetzte Orte zu meiden.
3) Wenn Honig, Wachs, Bienenstöcke durch eine hinzukommende Feuchtigkeit in
Bewegung gebracht werden; so fließen sie nie in eine Masse zusammen, sondern trennen sich
und werden aufgelöst.
4) Wenn Bienenstöcke mit ihrem Honig zusammengebrannt werden und mit ein-
ander gerinnen; so werden sie in allen Theilen der Welt immer eine und eben dieselbe Ma-
terie geben. Vom Ambra aber findet man eine Menge ganz verschiedner Gattungen, nach
der Verschiedenheit der unterirrdischen Adern, aus denen er kömmt. Jn jedem Lande hat
daher dieses Produkt eine ganz eigenthümliche Beschaffenheit; so daß Kenner aus dem
bloßen Anblik den Geburtsort eines vorgelegten Ambra angeben können; gerade wie gute
Weinkenner das Vaterland von jeder vorgelegten Probe zu schmecken wissen. Einige Gat-
tungen Ambra nemlich sind mehr dem groben Harz, dem Asphalt, oder schwarzen ausge-
trokneten Naphta ähnlich, daher mehr oder weniger schwarz, dicht und schwer. Andre
sind aus edlern Theilen zusammengesetzt, daher weißer, kostbarer, leichter, freilich auch mehr
oder weniger nach den Gattungen. Einige sind oft sehr schwammicht, daher auch der
scharfsinnige Scaliger die Meinung des Serapio angenommen und den Ambra für einen
Meerschwamm gehalten hat.
5) Wenn der Ambra eben aus der Tiefe des Oceans heraufgebracht wird, ist er
sehr weich und dem Ansehn nach dem Kuhdreck ähnlich. Auch hat er dann einen etwas
verbrannten Geruch, ganz verschieden von dem des Honigs.
6) Jch habe nicht selten im Ambra glänzende schwarze Muscheln, Bruchstücke
von andern Sachen, die sich unter dem Meer befinden, auch wohl solche Dinge, die sich in
dem ans Ufer geworfnen noch weichen Ambra haben ansetzen können, gefunden; niemals
aber Honig und Bienenstöcke. Es ist seltsam, daß der berühmte Denis hat glauben kön-
nen,

Vom Ambra.
neuen Jrrthum uͤber den Ambra durch einige kurze Saͤtze zu widerlegen, die auf den Nach-
richten der fleißigen Sammler dieſer Materie, den merkwuͤrdigſten Beobachtungen der Si-
neſer, den Erzaͤhlungen japaniſcher Wallfiſchfaͤnger, und endlich ſelbſt auf meiner eignen
Unterſuchung der Provinzen und Ufer, an denen man Ambra findet, beruhen.

Dieſe Saͤtze ſind folgende:

1) Man findet an vielen Orten Ambra, wo ſich doch weder am Ufer, noch tief
ins Land hinein Bienen aufhalten: und dagegen haben ſehr viele Laͤnder Bienen, an deren
Ufer man doch nie Ambra erblikt hat.
2) Die Fiſcher, die auf den felſichten Ufern zwiſchen Sina und der Jnſel Java
die eßbaren Vogelneſter aufſuchen (es ſind die Neſter gewiſſer Meerſchwalben, die ſie aus
dem Holothurium verfertigen) haben daſelbſt niemals Bienenſtoͤcke gefunden, die, wie De-
nis
meint, von den Wellen zerſtoͤret wuͤrden. Die weiſe Natur hat die Bienen wohl ge-
lehrt, die Meerufer und den Stuͤrmen ausgeſetzte Orte zu meiden.
3) Wenn Honig, Wachs, Bienenſtoͤcke durch eine hinzukommende Feuchtigkeit in
Bewegung gebracht werden; ſo fließen ſie nie in eine Maſſe zuſammen, ſondern trennen ſich
und werden aufgeloͤſt.
4) Wenn Bienenſtoͤcke mit ihrem Honig zuſammengebrannt werden und mit ein-
ander gerinnen; ſo werden ſie in allen Theilen der Welt immer eine und eben dieſelbe Ma-
terie geben. Vom Ambra aber findet man eine Menge ganz verſchiedner Gattungen, nach
der Verſchiedenheit der unterirrdiſchen Adern, aus denen er koͤmmt. Jn jedem Lande hat
daher dieſes Produkt eine ganz eigenthuͤmliche Beſchaffenheit; ſo daß Kenner aus dem
bloßen Anblik den Geburtsort eines vorgelegten Ambra angeben koͤnnen; gerade wie gute
Weinkenner das Vaterland von jeder vorgelegten Probe zu ſchmecken wiſſen. Einige Gat-
tungen Ambra nemlich ſind mehr dem groben Harz, dem Asphalt, oder ſchwarzen ausge-
trokneten Naphta aͤhnlich, daher mehr oder weniger ſchwarz, dicht und ſchwer. Andre
ſind aus edlern Theilen zuſammengeſetzt, daher weißer, koſtbarer, leichter, freilich auch mehr
oder weniger nach den Gattungen. Einige ſind oft ſehr ſchwammicht, daher auch der
ſcharfſinnige Scaliger die Meinung des Serapio angenommen und den Ambra fuͤr einen
Meerſchwamm gehalten hat.
5) Wenn der Ambra eben aus der Tiefe des Oceans heraufgebracht wird, iſt er
ſehr weich und dem Anſehn nach dem Kuhdreck aͤhnlich. Auch hat er dann einen etwas
verbrannten Geruch, ganz verſchieden von dem des Honigs.
6) Jch habe nicht ſelten im Ambra glaͤnzende ſchwarze Muſcheln, Bruchſtuͤcke
von andern Sachen, die ſich unter dem Meer befinden, auch wohl ſolche Dinge, die ſich in
dem ans Ufer geworfnen noch weichen Ambra haben anſetzen koͤnnen, gefunden; niemals
aber Honig und Bienenſtoͤcke. Es iſt ſeltſam, daß der beruͤhmte Denis hat glauben koͤn-
nen,
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[466/0530] Vom Ambra. neuen Jrrthum uͤber den Ambra durch einige kurze Saͤtze zu widerlegen, die auf den Nach- richten der fleißigen Sammler dieſer Materie, den merkwuͤrdigſten Beobachtungen der Si- neſer, den Erzaͤhlungen japaniſcher Wallfiſchfaͤnger, und endlich ſelbſt auf meiner eignen Unterſuchung der Provinzen und Ufer, an denen man Ambra findet, beruhen. Dieſe Saͤtze ſind folgende: 1) Man findet an vielen Orten Ambra, wo ſich doch weder am Ufer, noch tief ins Land hinein Bienen aufhalten: und dagegen haben ſehr viele Laͤnder Bienen, an deren Ufer man doch nie Ambra erblikt hat. 2) Die Fiſcher, die auf den felſichten Ufern zwiſchen Sina und der Jnſel Java die eßbaren Vogelneſter aufſuchen (es ſind die Neſter gewiſſer Meerſchwalben, die ſie aus dem Holothurium verfertigen) haben daſelbſt niemals Bienenſtoͤcke gefunden, die, wie De- nis meint, von den Wellen zerſtoͤret wuͤrden. Die weiſe Natur hat die Bienen wohl ge- lehrt, die Meerufer und den Stuͤrmen ausgeſetzte Orte zu meiden. 3) Wenn Honig, Wachs, Bienenſtoͤcke durch eine hinzukommende Feuchtigkeit in Bewegung gebracht werden; ſo fließen ſie nie in eine Maſſe zuſammen, ſondern trennen ſich und werden aufgeloͤſt. 4) Wenn Bienenſtoͤcke mit ihrem Honig zuſammengebrannt werden und mit ein- ander gerinnen; ſo werden ſie in allen Theilen der Welt immer eine und eben dieſelbe Ma- terie geben. Vom Ambra aber findet man eine Menge ganz verſchiedner Gattungen, nach der Verſchiedenheit der unterirrdiſchen Adern, aus denen er koͤmmt. Jn jedem Lande hat daher dieſes Produkt eine ganz eigenthuͤmliche Beſchaffenheit; ſo daß Kenner aus dem bloßen Anblik den Geburtsort eines vorgelegten Ambra angeben koͤnnen; gerade wie gute Weinkenner das Vaterland von jeder vorgelegten Probe zu ſchmecken wiſſen. Einige Gat- tungen Ambra nemlich ſind mehr dem groben Harz, dem Asphalt, oder ſchwarzen ausge- trokneten Naphta aͤhnlich, daher mehr oder weniger ſchwarz, dicht und ſchwer. Andre ſind aus edlern Theilen zuſammengeſetzt, daher weißer, koſtbarer, leichter, freilich auch mehr oder weniger nach den Gattungen. Einige ſind oft ſehr ſchwammicht, daher auch der ſcharfſinnige Scaliger die Meinung des Serapio angenommen und den Ambra fuͤr einen Meerſchwamm gehalten hat. 5) Wenn der Ambra eben aus der Tiefe des Oceans heraufgebracht wird, iſt er ſehr weich und dem Anſehn nach dem Kuhdreck aͤhnlich. Auch hat er dann einen etwas verbrannten Geruch, ganz verſchieden von dem des Honigs. 6) Jch habe nicht ſelten im Ambra glaͤnzende ſchwarze Muſcheln, Bruchſtuͤcke von andern Sachen, die ſich unter dem Meer befinden, auch wohl ſolche Dinge, die ſich in dem ans Ufer geworfnen noch weichen Ambra haben anſetzen koͤnnen, gefunden; niemals aber Honig und Bienenſtoͤcke. Es iſt ſeltſam, daß der beruͤhmte Denis hat glauben koͤn- nen,

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/530>, abgerufen am 26.04.2024.