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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Viertes Buch.
Japanern überlassen, ob man ihnen gleich schon vorher aus den andern Schiffen fünf geliehn,
und auf der Rükreise eine sehr unsichre See zu befahren hatte.

Durch diesen bewiesenen Gehorsam bekam unsre Nation nun freilich festen Fuß in
dem japanischen Reiche, und der Hof änderte seinen Vorsaz schlechterdings alle Christen aus-
zuschließen. Jndes hat sich unsre Nation doch bei allen Edeldenkenden am Hofe und über-
haupt bei der ganzen Nation in schlechten Ruf gebracht. Man machte den Schlus, daß
diejenigen unmöglich eine gute Denkungsart, und eine treue aufrichtige Gesinnung gegen
einen fremden Kaiser haben könten, welche so bereitwillig zu Vertilgung derer wären, mit
denen sie doch im Grunde des Glaubens (um dessen Willen Jene verfolgt wurden) überein-
stimten, und durch eben die Pforte dem Weg Christi folgten; wie die Japaner von den
portugiesischen und manillaischen Missionairen wohl unterrichtet waren, und wie es mir
die Einwohner mit eben den Worten zu erkennen gegeben haben.

Es ist also unmöglich gewesen, durch alle bewiesene Gefälligkeit diese stolze und
mistrauische Nation zu gutem Vertrauen und einer engen Freundschaft zu bringen. Viel-
mehr hat der Credit der holländischen Nation, ungeachtet aller auch auf Kosten der Red-
lichkeit erworbnen Verdienste, bald gar sehr abgenommen, daß sie sogar dasjenige, was
sie zu Einschränkung der Portugiesen mit Rath und That zu befördern suchten, kurz hernach
im Jahr 1641 an sich selbst haben erfahren müssen. Es wurde ihnen nemlich befohlen, mit
ihrem ganzen Waarenlager aus der Jnsel Firando aufzubrechen, und ihren bisherigen Zu-
stand (da sie unter einem sehr connivirenden Landesherrn standen) mit einem neuen zu ver-
tauschen, da sie mehr unter unmittelbarer Regierung des Kaisers und strenger Aufsicht stehn
solten. Sie musten sich nemlich nunmehr in das für die Portugiesen anfänglich bestimte
Gefängnis (denn diesen Namen verdient es) auf der Jnsel Desima begeben.

Jn dieser Dienstbarkeit haben wir uns viele beschimpfende Einschränkungen von
diesen stolzen Heiden müssen gefallen lassen. Wir dürfen keine Sonn- und Festtage feiern,
keine geistliche Gesänge und Gebäte hören lassen; niemals den Namen Christi nennen; kein
Bild des Kreuzes oder irgend ein äußerliches Zeichen des Christenthums bei uns führen.
Dabei müssen wir noch immer viel andre beschimpfende Zumuthungen ausstehn, die einem
edelmüthigen Herzen allemal sehr empfindlich sind. Die einzige Ursach, welche die Hol-
länder bewegt, alle diese Leiden so geduldig zu ertragen, ist blos die Liebe des Gewins und
des kostbaren Marks der japanischen Gebirge.

Auri Sacra fames quid non mortalia pectora cogis?
Doch

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.
Japanern uͤberlaſſen, ob man ihnen gleich ſchon vorher aus den andern Schiffen fuͤnf geliehn,
und auf der Ruͤkreiſe eine ſehr unſichre See zu befahren hatte.

Durch dieſen bewieſenen Gehorſam bekam unſre Nation nun freilich feſten Fuß in
dem japaniſchen Reiche, und der Hof aͤnderte ſeinen Vorſaz ſchlechterdings alle Chriſten aus-
zuſchließen. Jndes hat ſich unſre Nation doch bei allen Edeldenkenden am Hofe und uͤber-
haupt bei der ganzen Nation in ſchlechten Ruf gebracht. Man machte den Schlus, daß
diejenigen unmoͤglich eine gute Denkungsart, und eine treue aufrichtige Geſinnung gegen
einen fremden Kaiſer haben koͤnten, welche ſo bereitwillig zu Vertilgung derer waͤren, mit
denen ſie doch im Grunde des Glaubens (um deſſen Willen Jene verfolgt wurden) uͤberein-
ſtimten, und durch eben die Pforte dem Weg Chriſti folgten; wie die Japaner von den
portugieſiſchen und manillaiſchen Miſſionairen wohl unterrichtet waren, und wie es mir
die Einwohner mit eben den Worten zu erkennen gegeben haben.

Es iſt alſo unmoͤglich geweſen, durch alle bewieſene Gefaͤlligkeit dieſe ſtolze und
mistrauiſche Nation zu gutem Vertrauen und einer engen Freundſchaft zu bringen. Viel-
mehr hat der Credit der hollaͤndiſchen Nation, ungeachtet aller auch auf Koſten der Red-
lichkeit erworbnen Verdienſte, bald gar ſehr abgenommen, daß ſie ſogar dasjenige, was
ſie zu Einſchraͤnkung der Portugieſen mit Rath und That zu befoͤrdern ſuchten, kurz hernach
im Jahr 1641 an ſich ſelbſt haben erfahren muͤſſen. Es wurde ihnen nemlich befohlen, mit
ihrem ganzen Waarenlager aus der Jnſel Firando aufzubrechen, und ihren bisherigen Zu-
ſtand (da ſie unter einem ſehr connivirenden Landesherrn ſtanden) mit einem neuen zu ver-
tauſchen, da ſie mehr unter unmittelbarer Regierung des Kaiſers und ſtrenger Aufſicht ſtehn
ſolten. Sie muſten ſich nemlich nunmehr in das fuͤr die Portugieſen anfaͤnglich beſtimte
Gefaͤngnis (denn dieſen Namen verdient es) auf der Jnſel Deſima begeben.

Jn dieſer Dienſtbarkeit haben wir uns viele beſchimpfende Einſchraͤnkungen von
dieſen ſtolzen Heiden muͤſſen gefallen laſſen. Wir duͤrfen keine Sonn- und Feſttage feiern,
keine geiſtliche Geſaͤnge und Gebaͤte hoͤren laſſen; niemals den Namen Chriſti nennen; kein
Bild des Kreuzes oder irgend ein aͤußerliches Zeichen des Chriſtenthums bei uns fuͤhren.
Dabei muͤſſen wir noch immer viel andre beſchimpfende Zumuthungen ausſtehn, die einem
edelmuͤthigen Herzen allemal ſehr empfindlich ſind. Die einzige Urſach, welche die Hol-
laͤnder bewegt, alle dieſe Leiden ſo geduldig zu ertragen, iſt blos die Liebe des Gewins und
des koſtbaren Marks der japaniſchen Gebirge.

Auri Sacra fames quid non mortalia pectora cogis?
Doch
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[72/0086] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch. Japanern uͤberlaſſen, ob man ihnen gleich ſchon vorher aus den andern Schiffen fuͤnf geliehn, und auf der Ruͤkreiſe eine ſehr unſichre See zu befahren hatte. Durch dieſen bewieſenen Gehorſam bekam unſre Nation nun freilich feſten Fuß in dem japaniſchen Reiche, und der Hof aͤnderte ſeinen Vorſaz ſchlechterdings alle Chriſten aus- zuſchließen. Jndes hat ſich unſre Nation doch bei allen Edeldenkenden am Hofe und uͤber- haupt bei der ganzen Nation in ſchlechten Ruf gebracht. Man machte den Schlus, daß diejenigen unmoͤglich eine gute Denkungsart, und eine treue aufrichtige Geſinnung gegen einen fremden Kaiſer haben koͤnten, welche ſo bereitwillig zu Vertilgung derer waͤren, mit denen ſie doch im Grunde des Glaubens (um deſſen Willen Jene verfolgt wurden) uͤberein- ſtimten, und durch eben die Pforte dem Weg Chriſti folgten; wie die Japaner von den portugieſiſchen und manillaiſchen Miſſionairen wohl unterrichtet waren, und wie es mir die Einwohner mit eben den Worten zu erkennen gegeben haben. Es iſt alſo unmoͤglich geweſen, durch alle bewieſene Gefaͤlligkeit dieſe ſtolze und mistrauiſche Nation zu gutem Vertrauen und einer engen Freundſchaft zu bringen. Viel- mehr hat der Credit der hollaͤndiſchen Nation, ungeachtet aller auch auf Koſten der Red- lichkeit erworbnen Verdienſte, bald gar ſehr abgenommen, daß ſie ſogar dasjenige, was ſie zu Einſchraͤnkung der Portugieſen mit Rath und That zu befoͤrdern ſuchten, kurz hernach im Jahr 1641 an ſich ſelbſt haben erfahren muͤſſen. Es wurde ihnen nemlich befohlen, mit ihrem ganzen Waarenlager aus der Jnſel Firando aufzubrechen, und ihren bisherigen Zu- ſtand (da ſie unter einem ſehr connivirenden Landesherrn ſtanden) mit einem neuen zu ver- tauſchen, da ſie mehr unter unmittelbarer Regierung des Kaiſers und ſtrenger Aufſicht ſtehn ſolten. Sie muſten ſich nemlich nunmehr in das fuͤr die Portugieſen anfaͤnglich beſtimte Gefaͤngnis (denn dieſen Namen verdient es) auf der Jnſel Deſima begeben. Jn dieſer Dienſtbarkeit haben wir uns viele beſchimpfende Einſchraͤnkungen von dieſen ſtolzen Heiden muͤſſen gefallen laſſen. Wir duͤrfen keine Sonn- und Feſttage feiern, keine geiſtliche Geſaͤnge und Gebaͤte hoͤren laſſen; niemals den Namen Chriſti nennen; kein Bild des Kreuzes oder irgend ein aͤußerliches Zeichen des Chriſtenthums bei uns fuͤhren. Dabei muͤſſen wir noch immer viel andre beſchimpfende Zumuthungen ausſtehn, die einem edelmuͤthigen Herzen allemal ſehr empfindlich ſind. Die einzige Urſach, welche die Hol- laͤnder bewegt, alle dieſe Leiden ſo geduldig zu ertragen, iſt blos die Liebe des Gewins und des koſtbaren Marks der japaniſchen Gebirge. Auri Sacra fames quid non mortalia pectora cogis? Doch

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/86>, abgerufen am 28.04.2024.