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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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war, denn auch dessen Französisch war nur schwer verständlich, auch verdeckte der Bart die Lippenbewegungen, deren Anblick vielleicht zum Verständnis geholfen hätte. K. begann viel Unannehmlichkeiten vorauszusehn, vorläufig gab er es auf, den Italiener verstehn zu wollen - in der Gegenwart des Direktors, der ihn so leicht verstand, wäre es unnötige Anstrengung gewesen - und er beschränkte sich darauf, ihn verdrießlich zu beobachten, wie er tief und doch leicht in dem Fauteuil ruhte, wie er öfters an seinem kurzen, scharf geschnittenen Röckchen zupfte und wie er einmal mit erhobenen Armen und lose in den Gelenken bewegten Händen irgend etwas darzustellen versuchte, das K. nicht begreifen konnte, trotzdem er vorgebeugt die Hände nicht aus den Augen ließ. Schließlich machte sich bei K., der sonst unbeschäftigt, nur mechanisch mit den Blicken dem Hin und Her der Reden folgte, die frühere Müdigkeit geltend und er ertappte sich einmal zu seinem Schrecken glücklicherweise noch rechtzeitig darauf, daß er in der Zerstreutheit gerade hatte aufstehn, sich umdrehn und weggehn wollen. Endlich sah der Italiener auf die Uhr und sprang

war, denn auch dessen Französisch war nur schwer verständlich, auch verdeckte der Bart die Lippenbewegungen, deren Anblick vielleicht zum Verständnis geholfen hätte. K. begann viel Unannehmlichkeiten vorauszusehn, vorläufig gab er es auf, den Italiener verstehn zu wollen – in der Gegenwart des Direktors, der ihn so leicht verstand, wäre es unnötige Anstrengung gewesen – und er beschränkte sich darauf, ihn verdrießlich zu beobachten, wie er tief und doch leicht in dem Fauteuil ruhte, wie er öfters an seinem kurzen, scharf geschnittenen Röckchen zupfte und wie er einmal mit erhobenen Armen und lose in den Gelenken bewegten Händen irgend etwas darzustellen versuchte, das K. nicht begreifen konnte, trotzdem er vorgebeugt die Hände nicht aus den Augen ließ. Schließlich machte sich bei K., der sonst unbeschäftigt, nur mechanisch mit den Blicken dem Hin und Her der Reden folgte, die frühere Müdigkeit geltend und er ertappte sich einmal zu seinem Schrecken glücklicherweise noch rechtzeitig darauf, daß er in der Zerstreutheit gerade hatte aufstehn, sich umdrehn und weggehn wollen. Endlich sah der Italiener auf die Uhr und sprang

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[353/0355] war, denn auch dessen Französisch war nur schwer verständlich, auch verdeckte der Bart die Lippenbewegungen, deren Anblick vielleicht zum Verständnis geholfen hätte. K. begann viel Unannehmlichkeiten vorauszusehn, vorläufig gab er es auf, den Italiener verstehn zu wollen – in der Gegenwart des Direktors, der ihn so leicht verstand, wäre es unnötige Anstrengung gewesen – und er beschränkte sich darauf, ihn verdrießlich zu beobachten, wie er tief und doch leicht in dem Fauteuil ruhte, wie er öfters an seinem kurzen, scharf geschnittenen Röckchen zupfte und wie er einmal mit erhobenen Armen und lose in den Gelenken bewegten Händen irgend etwas darzustellen versuchte, das K. nicht begreifen konnte, trotzdem er vorgebeugt die Hände nicht aus den Augen ließ. Schließlich machte sich bei K., der sonst unbeschäftigt, nur mechanisch mit den Blicken dem Hin und Her der Reden folgte, die frühere Müdigkeit geltend und er ertappte sich einmal zu seinem Schrecken glücklicherweise noch rechtzeitig darauf, daß er in der Zerstreutheit gerade hatte aufstehn, sich umdrehn und weggehn wollen. Endlich sah der Italiener auf die Uhr und sprang

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/355>, abgerufen am 13.05.2024.