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Kant, Immanuel: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? In: Berlinische Monatsschrift, 1784, H. 12, S. 481-494.

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über die Zwekmäßigkeit oder Nützlichkeit dieses Be¬
fehls laut vernünfteln wollte; er muß gehorchen.
Es kann ihm aber billigermaßen nicht verwehrt
werden, als Gelehrter, über die Fehler im Krieges¬
dienste Anmerkungen zu machen, und diese seinem
Publikum zur Beurtheilung vorzulegen. Der Bür¬
ger kann sich nicht weigern, die ihm auferlegten
Abgaben zu leisten; sogar kann ein vorwitziger Ta¬
del solcher Auflagen, wenn sie von ihm geleistet
werden sollen, als ein Skandal (das allgemeine
Widersetzlichkeiten veranlassen könnte) bestraft wer¬
den. Eben derselbe handelt demohngeachtet der
Pflicht eines Bürgers nicht entgegen, wenn er, als
Gelehrter, wider die Unschiklichkeit oder auch Un¬
gerechtigkelt solcher Ausschreibungen öffentlich seine
Gedanken äußert. Eben so ist ein Geistlicher ver¬
bunden, seinen Katechismusschülern und seiner Ge¬
meine nach dem Symbol der Kirche, der er dient,
seinen Vortrag zu thun; denn er ist auf diese Be¬
dingung angenommen worden. Aber als Gelehr¬
ter hat er volle Freiheit, ja sogar den Beruf dazu,
alle seine sorgfältig geprüften und wohlmeinenden
Gedanken über das Fehlerhafte in jenem Symbol,
und Vorschläge wegen besserer Einrichtung des Re¬
ligions- und Kirchenwesens, dem Publikum mitzu¬
theilen. Es ist hiebei auch nichts, was dem Ge¬
wissen zur Last gelegt werden könnte. Denn, was
er zu Folge seines Amts, als Geschäftträger der
Kirche, lehrt, das stellt er als etwas vor, in Anse¬

hung

über die Zwekmäßigkeit oder Nützlichkeit dieſes Be¬
fehls laut vernünfteln wollte; er muß gehorchen.
Es kann ihm aber billigermaßen nicht verwehrt
werden, als Gelehrter, über die Fehler im Krieges¬
dienſte Anmerkungen zu machen, und dieſe ſeinem
Publikum zur Beurtheilung vorzulegen. Der Bür¬
ger kann ſich nicht weigern, die ihm auferlegten
Abgaben zu leiſten; ſogar kann ein vorwitziger Ta¬
del ſolcher Auflagen, wenn ſie von ihm geleiſtet
werden ſollen, als ein Skandal (das allgemeine
Widerſetzlichkeiten veranlaſſen könnte) beſtraft wer¬
den. Eben derſelbe handelt demohngeachtet der
Pflicht eines Bürgers nicht entgegen, wenn er, als
Gelehrter, wider die Unſchiklichkeit oder auch Un¬
gerechtigkelt ſolcher Ausſchreibungen öffentlich ſeine
Gedanken äußert. Eben ſo iſt ein Geiſtlicher ver¬
bunden, ſeinen Katechismusſchülern und ſeiner Ge¬
meine nach dem Symbol der Kirche, der er dient,
ſeinen Vortrag zu thun; denn er iſt auf dieſe Be¬
dingung angenommen worden. Aber als Gelehr¬
ter hat er volle Freiheit, ja ſogar den Beruf dazu,
alle ſeine ſorgfältig geprüften und wohlmeinenden
Gedanken über das Fehlerhafte in jenem Symbol,
und Vorſchläge wegen beſſerer Einrichtung des Re¬
ligions- und Kirchenweſens, dem Publikum mitzu¬
theilen. Es iſt hiebei auch nichts, was dem Ge¬
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[486/0022] über die Zwekmäßigkeit oder Nützlichkeit dieſes Be¬ fehls laut vernünfteln wollte; er muß gehorchen. Es kann ihm aber billigermaßen nicht verwehrt werden, als Gelehrter, über die Fehler im Krieges¬ dienſte Anmerkungen zu machen, und dieſe ſeinem Publikum zur Beurtheilung vorzulegen. Der Bür¬ ger kann ſich nicht weigern, die ihm auferlegten Abgaben zu leiſten; ſogar kann ein vorwitziger Ta¬ del ſolcher Auflagen, wenn ſie von ihm geleiſtet werden ſollen, als ein Skandal (das allgemeine Widerſetzlichkeiten veranlaſſen könnte) beſtraft wer¬ den. Eben derſelbe handelt demohngeachtet der Pflicht eines Bürgers nicht entgegen, wenn er, als Gelehrter, wider die Unſchiklichkeit oder auch Un¬ gerechtigkelt ſolcher Ausſchreibungen öffentlich ſeine Gedanken äußert. Eben ſo iſt ein Geiſtlicher ver¬ bunden, ſeinen Katechismusſchülern und ſeiner Ge¬ meine nach dem Symbol der Kirche, der er dient, ſeinen Vortrag zu thun; denn er iſt auf dieſe Be¬ dingung angenommen worden. Aber als Gelehr¬ ter hat er volle Freiheit, ja ſogar den Beruf dazu, alle ſeine ſorgfältig geprüften und wohlmeinenden Gedanken über das Fehlerhafte in jenem Symbol, und Vorſchläge wegen beſſerer Einrichtung des Re¬ ligions- und Kirchenweſens, dem Publikum mitzu¬ theilen. Es iſt hiebei auch nichts, was dem Ge¬ wiſſen zur Laſt gelegt werden könnte. Denn, was er zu Folge ſeines Amts, als Geſchäftträger der Kirche, lehrt, das ſtellt er als etwas vor, in Anſe¬ hung

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? In: Berlinische Monatsschrift, 1784, H. 12, S. 481-494, hier S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_aufklaerung_1784/22>, abgerufen am 27.04.2024.