Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
bey den Menschen haben Beyfall erwer-
ben können, wird man jederzeit etwas
wahres bemerken. Ein falscher Grund-
satz, oder ein Paar unüberlegte Verbin-
dungssätze leiten den Menschen von dem
Fußsteige der Wahrheit durch unmerkli-
che Abwege bis in den Abgrund. Es bleibt
ohnerachtet der angeführten Aehnlichkeit
dennoch ein wesentlicher Unterschied zwi-
schen der alten Cosmogonie und der ge-
genwärtigen um aus dieser ganz entgegen-
gesetzte Folgen ziehen zu können.

Die angeführten Lehrer der mechani-
schen Erzeugung des Weltbaues leiteten
alle Ordnung die sich an demselben wahr-
nehmen läßt aus dem ungefehren Zufalle
her, der die Atomen so glücklich zusam-
mentreffen ließ, daß sie ein wohlgeordne-
tes Gantze ausmachten. Epikur war
gar so unverschämt, daß er verlangte,
die Atomen wichen von ihrer geraden Be-
wegung ohne alle Ursache ab, um einan-

der

Vorrede.
bey den Menſchen haben Beyfall erwer-
ben koͤnnen, wird man jederzeit etwas
wahres bemerken. Ein falſcher Grund-
ſatz, oder ein Paar unuͤberlegte Verbin-
dungsſaͤtze leiten den Menſchen von dem
Fußſteige der Wahrheit durch unmerkli-
che Abwege bis in den Abgrund. Es bleibt
ohnerachtet der angefuͤhrten Aehnlichkeit
dennoch ein weſentlicher Unterſchied zwi-
ſchen der alten Cosmogonie und der ge-
genwaͤrtigen um aus dieſer ganz entgegen-
geſetzte Folgen ziehen zu koͤnnen.

Die angefuͤhrten Lehrer der mechani-
ſchen Erzeugung des Weltbaues leiteten
alle Ordnung die ſich an demſelben wahr-
nehmen laͤßt aus dem ungefehren Zufalle
her, der die Atomen ſo gluͤcklich zuſam-
mentreffen ließ, daß ſie ein wohlgeordne-
tes Gantze ausmachten. Epikur war
gar ſo unverſchaͤmt, daß er verlangte,
die Atomen wichen von ihrer geraden Be-
wegung ohne alle Urſache ab, um einan-

der
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0030"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
bey den Men&#x017F;chen haben Beyfall erwer-<lb/>
ben ko&#x0364;nnen, wird man jederzeit etwas<lb/>
wahres bemerken. Ein fal&#x017F;cher Grund-<lb/>
&#x017F;atz, oder ein Paar unu&#x0364;berlegte Verbin-<lb/>
dungs&#x017F;a&#x0364;tze leiten den Men&#x017F;chen von dem<lb/>
Fuß&#x017F;teige der Wahrheit durch unmerkli-<lb/>
che Abwege bis in den Abgrund. Es bleibt<lb/>
ohnerachtet der angefu&#x0364;hrten Aehnlichkeit<lb/>
dennoch ein we&#x017F;entlicher Unter&#x017F;chied zwi-<lb/>
&#x017F;chen der alten Cosmogonie und der ge-<lb/>
genwa&#x0364;rtigen um aus die&#x017F;er ganz entgegen-<lb/>
ge&#x017F;etzte Folgen ziehen zu ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Die angefu&#x0364;hrten Lehrer der mechani-<lb/>
&#x017F;chen Erzeugung des Weltbaues leiteten<lb/>
alle Ordnung die &#x017F;ich an dem&#x017F;elben wahr-<lb/>
nehmen la&#x0364;ßt aus dem ungefehren Zufalle<lb/>
her, der die Atomen &#x017F;o glu&#x0364;cklich zu&#x017F;am-<lb/>
mentreffen ließ, daß &#x017F;ie ein wohlgeordne-<lb/>
tes Gantze ausmachten. Epikur war<lb/>
gar &#x017F;o unver&#x017F;cha&#x0364;mt, daß er verlangte,<lb/>
die Atomen wichen von ihrer geraden Be-<lb/>
wegung ohne alle Ur&#x017F;ache ab, um einan-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0030] Vorrede. bey den Menſchen haben Beyfall erwer- ben koͤnnen, wird man jederzeit etwas wahres bemerken. Ein falſcher Grund- ſatz, oder ein Paar unuͤberlegte Verbin- dungsſaͤtze leiten den Menſchen von dem Fußſteige der Wahrheit durch unmerkli- che Abwege bis in den Abgrund. Es bleibt ohnerachtet der angefuͤhrten Aehnlichkeit dennoch ein weſentlicher Unterſchied zwi- ſchen der alten Cosmogonie und der ge- genwaͤrtigen um aus dieſer ganz entgegen- geſetzte Folgen ziehen zu koͤnnen. Die angefuͤhrten Lehrer der mechani- ſchen Erzeugung des Weltbaues leiteten alle Ordnung die ſich an demſelben wahr- nehmen laͤßt aus dem ungefehren Zufalle her, der die Atomen ſo gluͤcklich zuſam- mentreffen ließ, daß ſie ein wohlgeordne- tes Gantze ausmachten. Epikur war gar ſo unverſchaͤmt, daß er verlangte, die Atomen wichen von ihrer geraden Be- wegung ohne alle Urſache ab, um einan- der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/30
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/30>, abgerufen am 26.04.2024.