Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Th. I. B. III. Hauptst. Von den Triebfedern
lungen, als Begebenheiten der Sinnenwelt, konnten
wir diese Verknüpfung nicht anzutreffen hoffen, weil
die Causalität durch Freyheit immer außer der Sinnen-
welt im Intelligibelen gesucht werden muß. Andere
Dinge, außer den Sinnenwesen, sind uns aber zur
Wahrnehmung und Beobachtung nicht gegeben. Also
blieb nichts übrig, als daß etwa ein unwidersprechli-
cher und zwar objectiver Grundsatz der Causalität, wel-
cher alle sinnliche Bedingung von ihrer Bestimmung aus-
schließt, d. i. ein Grundsatz, in welchem die Vernunft sich
nicht weiter auf etwas Anderes als Bestimmungsgrund
in Ansehung der Causalität beruft, sondern den sie durch
jenen Grundsatz schon selbst enthält, und wo sie also,
als reine Vernunft, selbst practisch ist, gefunden wer-
de. Dieser Grundsatz aber bedarf keines Suchens und
keiner Erfindung; er ist längst in aller Menschen, Ver-
nunft gewesen und ihrem Wesen einverleibt, und ist
der Grundsatz der Sittlichkeit. Also ist jene unbeding-
te Causalität und das Vermögen derselben, die Freyheit,
mit dieser aber ein Wesen (ich selber), welches zur Sin-
nenwelt gehört, doch zugleich als zur intelligibelen gehö-
rig nicht blos unbestimmt und problematisch gedacht,
(welches schon die speculative Vernunft als thunlich aus-
mitteln konnte) sondern sogar in Ansehung des Gese-
tzes
ihrer Causalität bestimmt und assertorisch erkannt,
und so uns die Wirklichkeit der intelligibelen Welt, und
zwar in practischer Rücksicht bestimmt, gegeben wor-

den,

I. Th. I. B. III. Hauptſt. Von den Triebfedern
lungen, als Begebenheiten der Sinnenwelt, konnten
wir dieſe Verknuͤpfung nicht anzutreffen hoffen, weil
die Cauſalitaͤt durch Freyheit immer außer der Sinnen-
welt im Intelligibelen geſucht werden muß. Andere
Dinge, außer den Sinnenweſen, ſind uns aber zur
Wahrnehmung und Beobachtung nicht gegeben. Alſo
blieb nichts uͤbrig, als daß etwa ein unwiderſprechli-
cher und zwar objectiver Grundſatz der Cauſalitaͤt, wel-
cher alle ſinnliche Bedingung von ihrer Beſtimmung aus-
ſchließt, d. i. ein Grundſatz, in welchem die Vernunft ſich
nicht weiter auf etwas Anderes als Beſtimmungsgrund
in Anſehung der Cauſalitaͤt beruft, ſondern den ſie durch
jenen Grundſatz ſchon ſelbſt enthaͤlt, und wo ſie alſo,
als reine Vernunft, ſelbſt practiſch iſt, gefunden wer-
de. Dieſer Grundſatz aber bedarf keines Suchens und
keiner Erfindung; er iſt laͤngſt in aller Menſchen, Ver-
nunft geweſen und ihrem Weſen einverleibt, und iſt
der Grundſatz der Sittlichkeit. Alſo iſt jene unbeding-
te Cauſalitaͤt und das Vermoͤgen derſelben, die Freyheit,
mit dieſer aber ein Weſen (ich ſelber), welches zur Sin-
nenwelt gehoͤrt, doch zugleich als zur intelligibelen gehoͤ-
rig nicht blos unbeſtimmt und problematiſch gedacht,
(welches ſchon die ſpeculative Vernunft als thunlich aus-
mitteln konnte) ſondern ſogar in Anſehung des Geſe-
tzes
ihrer Cauſalitaͤt beſtimmt und aſſertoriſch erkannt,
und ſo uns die Wirklichkeit der intelligibelen Welt, und
zwar in practiſcher Ruͤckſicht beſtimmt, gegeben wor-

den,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0196" n="188"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> B. <hi rendition="#aq">III.</hi> Haupt&#x017F;t. Von den Triebfedern</fw><lb/>
lungen, als Begebenheiten der Sinnenwelt, konnten<lb/>
wir die&#x017F;e Verknu&#x0364;pfung nicht anzutreffen hoffen, weil<lb/>
die Cau&#x017F;alita&#x0364;t durch Freyheit immer außer der Sinnen-<lb/>
welt im Intelligibelen ge&#x017F;ucht werden muß. Andere<lb/>
Dinge, außer den Sinnenwe&#x017F;en, &#x017F;ind uns aber zur<lb/>
Wahrnehmung und Beobachtung nicht gegeben. Al&#x017F;o<lb/>
blieb nichts u&#x0364;brig, als daß etwa ein unwider&#x017F;prechli-<lb/>
cher und zwar objectiver Grund&#x017F;atz der Cau&#x017F;alita&#x0364;t, wel-<lb/>
cher alle &#x017F;innliche Bedingung von ihrer Be&#x017F;timmung aus-<lb/>
&#x017F;chließt, d. i. ein Grund&#x017F;atz, in welchem die Vernunft &#x017F;ich<lb/>
nicht weiter auf etwas <hi rendition="#fr">Anderes</hi> als Be&#x017F;timmungsgrund<lb/>
in An&#x017F;ehung der Cau&#x017F;alita&#x0364;t beruft, &#x017F;ondern den &#x017F;ie durch<lb/>
jenen Grund&#x017F;atz &#x017F;chon &#x017F;elb&#x017F;t entha&#x0364;lt, und wo &#x017F;ie al&#x017F;o,<lb/>
als <hi rendition="#fr">reine Vernunft</hi>, &#x017F;elb&#x017F;t practi&#x017F;ch i&#x017F;t, gefunden wer-<lb/>
de. Die&#x017F;er Grund&#x017F;atz aber bedarf keines Suchens und<lb/>
keiner Erfindung; er i&#x017F;t la&#x0364;ng&#x017F;t in aller Men&#x017F;chen, Ver-<lb/>
nunft gewe&#x017F;en und ihrem We&#x017F;en einverleibt, und i&#x017F;t<lb/>
der Grund&#x017F;atz der <hi rendition="#fr">Sittlichkeit</hi>. Al&#x017F;o i&#x017F;t jene unbeding-<lb/>
te Cau&#x017F;alita&#x0364;t und das Vermo&#x0364;gen der&#x017F;elben, die Freyheit,<lb/>
mit die&#x017F;er aber ein We&#x017F;en (ich &#x017F;elber), welches zur Sin-<lb/>
nenwelt geho&#x0364;rt, doch zugleich als zur intelligibelen geho&#x0364;-<lb/>
rig nicht blos unbe&#x017F;timmt und problemati&#x017F;ch <hi rendition="#fr">gedacht</hi>,<lb/>
(welches &#x017F;chon die &#x017F;peculative Vernunft als thunlich aus-<lb/>
mitteln konnte) &#x017F;ondern &#x017F;ogar <hi rendition="#fr">in An&#x017F;ehung des Ge&#x017F;e-<lb/>
tzes</hi> ihrer Cau&#x017F;alita&#x0364;t <hi rendition="#fr">be&#x017F;timmt</hi> und a&#x017F;&#x017F;ertori&#x017F;ch <hi rendition="#fr">erkannt</hi>,<lb/>
und &#x017F;o uns die Wirklichkeit der intelligibelen Welt, und<lb/>
zwar in practi&#x017F;cher Ru&#x0364;ck&#x017F;icht <hi rendition="#fr">be&#x017F;timmt</hi>, gegeben wor-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den,</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0196] I. Th. I. B. III. Hauptſt. Von den Triebfedern lungen, als Begebenheiten der Sinnenwelt, konnten wir dieſe Verknuͤpfung nicht anzutreffen hoffen, weil die Cauſalitaͤt durch Freyheit immer außer der Sinnen- welt im Intelligibelen geſucht werden muß. Andere Dinge, außer den Sinnenweſen, ſind uns aber zur Wahrnehmung und Beobachtung nicht gegeben. Alſo blieb nichts uͤbrig, als daß etwa ein unwiderſprechli- cher und zwar objectiver Grundſatz der Cauſalitaͤt, wel- cher alle ſinnliche Bedingung von ihrer Beſtimmung aus- ſchließt, d. i. ein Grundſatz, in welchem die Vernunft ſich nicht weiter auf etwas Anderes als Beſtimmungsgrund in Anſehung der Cauſalitaͤt beruft, ſondern den ſie durch jenen Grundſatz ſchon ſelbſt enthaͤlt, und wo ſie alſo, als reine Vernunft, ſelbſt practiſch iſt, gefunden wer- de. Dieſer Grundſatz aber bedarf keines Suchens und keiner Erfindung; er iſt laͤngſt in aller Menſchen, Ver- nunft geweſen und ihrem Weſen einverleibt, und iſt der Grundſatz der Sittlichkeit. Alſo iſt jene unbeding- te Cauſalitaͤt und das Vermoͤgen derſelben, die Freyheit, mit dieſer aber ein Weſen (ich ſelber), welches zur Sin- nenwelt gehoͤrt, doch zugleich als zur intelligibelen gehoͤ- rig nicht blos unbeſtimmt und problematiſch gedacht, (welches ſchon die ſpeculative Vernunft als thunlich aus- mitteln konnte) ſondern ſogar in Anſehung des Geſe- tzes ihrer Cauſalitaͤt beſtimmt und aſſertoriſch erkannt, und ſo uns die Wirklichkeit der intelligibelen Welt, und zwar in practiſcher Ruͤckſicht beſtimmt, gegeben wor- den,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/196
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/196>, abgerufen am 02.05.2024.