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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch.
die ihre Schlußsätze auslaufen. In dem Vernunftschlusse
der ersten Classe schliesse ich von dem transscendentalen
Begriffe des Subiects, der nichts Mannigfaltiges enthält,
auf die absolute Einheit dieses Subiects selber, von wel-
chem ich auf diese Weise gar keinen Begriff habe. Die-
sen dialectischen Schluß werde ich den transscendentalen
Paralogismus nennen. Die zweite Classe der vernünf-
telnden Schlüsse ist auf den transscendentalen Begriff
der absoluten Totalität, der Reihe der Bedingungen zu
einer gegebenen Erscheinung überhaupt, angelegt und ich
schliesse daraus, daß ich von der unbedingten synthetischen Ein-
heit der Reihe auf einer Seite, iederzeit einen sich selbst wider-
sprechenden Begriff habe, auf die Richtigkeit der entgegen-
stehenden Einheit, wovon ich gleichwol auch keinen Begriff
hade. Den Zustand der Vernunft bey diesen dialectischen
Schlüssen, werde ich die Antinomie der reinen Vernunft
nennen. Endlich schliesse ich, nach der dritten Art ver-
nünftelnder Schlüsse, von der Totalität der Bedingungen,
Gegenstände überhaupt, so fern sie mir gegeben werden
können, zu denken, auf die absolute synthetische Einheit
aller Bedingungen der Möglichkeit der Dinge überhaupt,
d. i. von Dingen, die ich nach ihrem blossen transscenden-
talen Begriff nicht kenne, auf ein Wesen aller Wesen, wel-
ches ich durch einen transscendenten Begriff noch weniger
kenne und von dessen unbedingter Nothwendigkeit ich mir kei-
nen Begriff machen kann. Diesen dialectischen Vernunft-
schluß werde ich das Ideal der reinen Vernunft nennen.


Der

Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch.
die ihre Schlußſaͤtze auslaufen. In dem Vernunftſchluſſe
der erſten Claſſe ſchlieſſe ich von dem transſcendentalen
Begriffe des Subiects, der nichts Mannigfaltiges enthaͤlt,
auf die abſolute Einheit dieſes Subiects ſelber, von wel-
chem ich auf dieſe Weiſe gar keinen Begriff habe. Die-
ſen dialectiſchen Schluß werde ich den transſcendentalen
Paralogismus nennen. Die zweite Claſſe der vernuͤnf-
telnden Schluͤſſe iſt auf den transſcendentalen Begriff
der abſoluten Totalitaͤt, der Reihe der Bedingungen zu
einer gegebenen Erſcheinung uͤberhaupt, angelegt und ich
ſchlieſſe daraus, daß ich von der unbedingten ſynthetiſchen Ein-
heit der Reihe auf einer Seite, iederzeit einen ſich ſelbſt wider-
ſprechenden Begriff habe, auf die Richtigkeit der entgegen-
ſtehenden Einheit, wovon ich gleichwol auch keinen Begriff
hade. Den Zuſtand der Vernunft bey dieſen dialectiſchen
Schluͤſſen, werde ich die Antinomie der reinen Vernunft
nennen. Endlich ſchlieſſe ich, nach der dritten Art ver-
nuͤnftelnder Schluͤſſe, von der Totalitaͤt der Bedingungen,
Gegenſtaͤnde uͤberhaupt, ſo fern ſie mir gegeben werden
koͤnnen, zu denken, auf die abſolute ſynthetiſche Einheit
aller Bedingungen der Moͤglichkeit der Dinge uͤberhaupt,
d. i. von Dingen, die ich nach ihrem bloſſen transſcenden-
talen Begriff nicht kenne, auf ein Weſen aller Weſen, wel-
ches ich durch einen transſcendenten Begriff noch weniger
kenne und von deſſen unbedingter Nothwendigkeit ich mir kei-
nen Begriff machen kann. Dieſen dialectiſchen Vernunft-
ſchluß werde ich das Ideal der reinen Vernunft nennen.


Der
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[340/0370] Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. die ihre Schlußſaͤtze auslaufen. In dem Vernunftſchluſſe der erſten Claſſe ſchlieſſe ich von dem transſcendentalen Begriffe des Subiects, der nichts Mannigfaltiges enthaͤlt, auf die abſolute Einheit dieſes Subiects ſelber, von wel- chem ich auf dieſe Weiſe gar keinen Begriff habe. Die- ſen dialectiſchen Schluß werde ich den transſcendentalen Paralogismus nennen. Die zweite Claſſe der vernuͤnf- telnden Schluͤſſe iſt auf den transſcendentalen Begriff der abſoluten Totalitaͤt, der Reihe der Bedingungen zu einer gegebenen Erſcheinung uͤberhaupt, angelegt und ich ſchlieſſe daraus, daß ich von der unbedingten ſynthetiſchen Ein- heit der Reihe auf einer Seite, iederzeit einen ſich ſelbſt wider- ſprechenden Begriff habe, auf die Richtigkeit der entgegen- ſtehenden Einheit, wovon ich gleichwol auch keinen Begriff hade. Den Zuſtand der Vernunft bey dieſen dialectiſchen Schluͤſſen, werde ich die Antinomie der reinen Vernunft nennen. Endlich ſchlieſſe ich, nach der dritten Art ver- nuͤnftelnder Schluͤſſe, von der Totalitaͤt der Bedingungen, Gegenſtaͤnde uͤberhaupt, ſo fern ſie mir gegeben werden koͤnnen, zu denken, auf die abſolute ſynthetiſche Einheit aller Bedingungen der Moͤglichkeit der Dinge uͤberhaupt, d. i. von Dingen, die ich nach ihrem bloſſen transſcenden- talen Begriff nicht kenne, auf ein Weſen aller Weſen, wel- ches ich durch einen transſcendenten Begriff noch weniger kenne und von deſſen unbedingter Nothwendigkeit ich mir kei- nen Begriff machen kann. Dieſen dialectiſchen Vernunft- ſchluß werde ich das Ideal der reinen Vernunft nennen. Der

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/370>, abgerufen am 29.04.2024.