Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft.
tet, allen Uebeln, des Mangels, der Krankheiten und
des unzeitigen Todes, gleich den übrigen Thieren der
Erde, unterworfen seyn und es auch immer bleiben,
bis ein weites Grab sie insgesammt (redlich oder un-
redlich das gilt hier gleich viel) verschlingt und sie,
die da glauben konnten, Endzweck der Schöpfung zu
seyn, in den Schlund des zwecklosen Chaos der Ma-
terie zurück wirft aus dem sie gezogen waren -- Den
Zweck also den dieser Wohlgesinnte ln Befolgung der
moralischen Gesetze vor Augen hatte und haben sollte,
müßte er allerdings als unmöglich, aufgeben; oder will
er auch hierin dem Rufe seiner sittlichen inneren Bestim-
mung anhänglich bleiben und die Achtung, welche das
sittliche Gesetz ihm unmittelbar zum gehorchen einflößt,
nicht durch die Nichtigkeit des einzigen ihrer hohen For-
derung angemessenen idealischen Endzwecks schwächen,
(welches ohne einen der moralischen Gesinnung wieder-
fahrenden Abbruch nicht geschehen kann) so muß er,
welches er auch gar wohl thun kann, indem es an sich
wenigstens nicht widersprechend ist, in practischer Ab-
sicht, d. i. um sich wenigstens von der Möglichkeit des
ihm moralisch vorgeschriebenen Endzwecks einen Begrif
zu machen, das Daseyn eines moralischen Weltur-
hebers, d. i. Gottes, annehmen.

D d 4

II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
tet, allen Uebeln, des Mangels, der Krankheiten und
des unzeitigen Todes, gleich den uͤbrigen Thieren der
Erde, unterworfen ſeyn und es auch immer bleiben,
bis ein weites Grab ſie insgeſammt (redlich oder un-
redlich das gilt hier gleich viel) verſchlingt und ſie,
die da glauben konnten, Endzweck der Schoͤpfung zu
ſeyn, in den Schlund des zweckloſen Chaos der Ma-
terie zuruͤck wirft aus dem ſie gezogen waren — Den
Zweck alſo den dieſer Wohlgeſinnte ln Befolgung der
moraliſchen Geſetze vor Augen hatte und haben ſollte,
muͤßte er allerdings als unmoͤglich, aufgeben; oder will
er auch hierin dem Rufe ſeiner ſittlichen inneren Beſtim-
mung anhaͤnglich bleiben und die Achtung, welche das
ſittliche Geſetz ihm unmittelbar zum gehorchen einfloͤßt,
nicht durch die Nichtigkeit des einzigen ihrer hohen For-
derung angemeſſenen idealiſchen Endzwecks ſchwaͤchen,
(welches ohne einen der moraliſchen Geſinnung wieder-
fahrenden Abbruch nicht geſchehen kann) ſo muß er,
welches er auch gar wohl thun kann, indem es an ſich
wenigſtens nicht widerſprechend iſt, in practiſcher Ab-
ſicht, d. i. um ſich wenigſtens von der Moͤglichkeit des
ihm moraliſch vorgeſchriebenen Endzwecks einen Begrif
zu machen, das Daſeyn eines moraliſchen Weltur-
hebers, d. i. Gottes, annehmen.

D d 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0487" n="423"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologi&#x017F;chen Urtheilskraft.</fw><lb/>
tet, allen Uebeln, des Mangels, der Krankheiten und<lb/>
des unzeitigen Todes, gleich den u&#x0364;brigen Thieren der<lb/>
Erde, unterworfen &#x017F;eyn und es auch immer bleiben,<lb/>
bis ein weites Grab &#x017F;ie insge&#x017F;ammt (redlich oder un-<lb/>
redlich das gilt hier gleich viel) ver&#x017F;chlingt und &#x017F;ie,<lb/>
die da glauben konnten, Endzweck der Scho&#x0364;pfung zu<lb/>
&#x017F;eyn, in den Schlund des zwecklo&#x017F;en Chaos der Ma-<lb/>
terie zuru&#x0364;ck wirft aus dem &#x017F;ie gezogen waren &#x2014; Den<lb/>
Zweck al&#x017F;o den die&#x017F;er Wohlge&#x017F;innte ln Befolgung der<lb/>
morali&#x017F;chen Ge&#x017F;etze vor Augen hatte und haben &#x017F;ollte,<lb/>
mu&#x0364;ßte er allerdings als unmo&#x0364;glich, aufgeben; oder will<lb/>
er auch hierin dem Rufe &#x017F;einer &#x017F;ittlichen inneren Be&#x017F;tim-<lb/>
mung anha&#x0364;nglich bleiben und die Achtung, welche das<lb/>
&#x017F;ittliche Ge&#x017F;etz ihm unmittelbar zum gehorchen einflo&#x0364;ßt,<lb/>
nicht durch die Nichtigkeit des einzigen ihrer hohen For-<lb/>
derung angeme&#x017F;&#x017F;enen ideali&#x017F;chen Endzwecks &#x017F;chwa&#x0364;chen,<lb/>
(welches ohne einen der morali&#x017F;chen Ge&#x017F;innung wieder-<lb/>
fahrenden Abbruch nicht ge&#x017F;chehen kann) &#x017F;o muß er,<lb/>
welches er auch gar wohl thun kann, indem es an &#x017F;ich<lb/>
wenig&#x017F;tens nicht wider&#x017F;prechend i&#x017F;t, in practi&#x017F;cher Ab-<lb/>
&#x017F;icht, d. i. um &#x017F;ich wenig&#x017F;tens von der Mo&#x0364;glichkeit des<lb/>
ihm morali&#x017F;ch vorge&#x017F;chriebenen Endzwecks einen Begrif<lb/>
zu machen, das Da&#x017F;eyn eines <hi rendition="#fr">morali&#x017F;chen</hi> Weltur-<lb/>
hebers, d. i. Gottes, annehmen.</p>
            </div><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">D d 4</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[423/0487] II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. tet, allen Uebeln, des Mangels, der Krankheiten und des unzeitigen Todes, gleich den uͤbrigen Thieren der Erde, unterworfen ſeyn und es auch immer bleiben, bis ein weites Grab ſie insgeſammt (redlich oder un- redlich das gilt hier gleich viel) verſchlingt und ſie, die da glauben konnten, Endzweck der Schoͤpfung zu ſeyn, in den Schlund des zweckloſen Chaos der Ma- terie zuruͤck wirft aus dem ſie gezogen waren — Den Zweck alſo den dieſer Wohlgeſinnte ln Befolgung der moraliſchen Geſetze vor Augen hatte und haben ſollte, muͤßte er allerdings als unmoͤglich, aufgeben; oder will er auch hierin dem Rufe ſeiner ſittlichen inneren Beſtim- mung anhaͤnglich bleiben und die Achtung, welche das ſittliche Geſetz ihm unmittelbar zum gehorchen einfloͤßt, nicht durch die Nichtigkeit des einzigen ihrer hohen For- derung angemeſſenen idealiſchen Endzwecks ſchwaͤchen, (welches ohne einen der moraliſchen Geſinnung wieder- fahrenden Abbruch nicht geſchehen kann) ſo muß er, welches er auch gar wohl thun kann, indem es an ſich wenigſtens nicht widerſprechend iſt, in practiſcher Ab- ſicht, d. i. um ſich wenigſtens von der Moͤglichkeit des ihm moraliſch vorgeſchriebenen Endzwecks einen Begrif zu machen, das Daſeyn eines moraliſchen Weltur- hebers, d. i. Gottes, annehmen. D d 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/487
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/487>, abgerufen am 07.05.2024.