gleichwohl aber, wenn ihr Erkenntnis mit dem des moralischen verbunden wird, sind jene vermöge der Maxime der reinen Vernunft, Einheit der Principien, so viel sich thun läßt, zu befolgen, von großer Be- deutung, um der practischen Realität jener Jdee, durch die, welche sie in theoretischer Absicht für die Urtheilskraft bereit hat, zu Hülfe zu kommen.
Hiebey ist nun, zu Verhütung eines leicht eintre- tenden Misverständnisses, höchst nöthig anzumerken: daß wir erstlich diese Eigenschaften des höchsten Wesens nur nach der Analogie denken können. Denn wie wollten wir seine Natur, davon uns die Erfahrung nichts ähnliches zeigen kann, erforschen? Zweytens, daß wir es durch dasselbe auch nur denken, nicht dar- nach erkennen und sie ihm etwa theoretisch beylegen können; denn das wäre für die bestimmte Urtheilskraft in speculativer Absicht unserer Vernunft, um, was die oberste Weltursache an sich sey, einzusehen. Hier aber ist es nur darum zu thun, welchen Begrif wir uns, nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisver- mögen, von demselben zu machen und ob wir seine Existenz anzunehmen haben, um einem Zwecke, den uns reine practische Vernunft, ohne alle solche Vor- aussetzung, a priori nach allen Kräften zu bewirken auferlegt, gleichfalls nur practische Realität zu ver- schaffen, d. i. nur eine beabsichtete Wirkung als mög- lich denken zu können. Jmmerhin mag jener Begrif
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
gleichwohl aber, wenn ihr Erkenntnis mit dem des moraliſchen verbunden wird, ſind jene vermoͤge der Maxime der reinen Vernunft, Einheit der Principien, ſo viel ſich thun laͤßt, zu befolgen, von großer Be- deutung, um der practiſchen Realitaͤt jener Jdee, durch die, welche ſie in theoretiſcher Abſicht fuͤr die Urtheilskraft bereit hat, zu Huͤlfe zu kommen.
Hiebey iſt nun, zu Verhuͤtung eines leicht eintre- tenden Misverſtaͤndniſſes, hoͤchſt noͤthig anzumerken: daß wir erſtlich dieſe Eigenſchaften des hoͤchſten Weſens nur nach der Analogie denken koͤnnen. Denn wie wollten wir ſeine Natur, davon uns die Erfahrung nichts aͤhnliches zeigen kann, erforſchen? Zweytens, daß wir es durch daſſelbe auch nur denken, nicht dar- nach erkennen und ſie ihm etwa theoretiſch beylegen koͤnnen; denn das waͤre fuͤr die beſtimmte Urtheilskraft in ſpeculativer Abſicht unſerer Vernunft, um, was die oberſte Welturſache an ſich ſey, einzuſehen. Hier aber iſt es nur darum zu thun, welchen Begrif wir uns, nach der Beſchaffenheit unſerer Erkenntnisver- moͤgen, von demſelben zu machen und ob wir ſeine Exiſtenz anzunehmen haben, um einem Zwecke, den uns reine practiſche Vernunft, ohne alle ſolche Vor- ausſetzung, a priori nach allen Kraͤften zu bewirken auferlegt, gleichfalls nur practiſche Realitaͤt zu ver- ſchaffen, d. i. nur eine beabſichtete Wirkung als moͤg- lich denken zu koͤnnen. Jmmerhin mag jener Begrif
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0494"n="430"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/>
gleichwohl aber, wenn ihr Erkenntnis mit dem des<lb/>
moraliſchen verbunden wird, ſind jene vermoͤge der<lb/>
Maxime der reinen Vernunft, Einheit der Principien,<lb/>ſo viel ſich thun laͤßt, zu befolgen, von großer Be-<lb/>
deutung, um der practiſchen Realitaͤt jener Jdee,<lb/>
durch die, welche ſie in theoretiſcher Abſicht fuͤr die<lb/>
Urtheilskraft bereit hat, zu Huͤlfe zu kommen.</p><lb/><p>Hiebey iſt nun, zu Verhuͤtung eines leicht eintre-<lb/>
tenden Misverſtaͤndniſſes, hoͤchſt noͤthig anzumerken:<lb/>
daß wir erſtlich dieſe Eigenſchaften des hoͤchſten Weſens<lb/>
nur nach der Analogie <hirendition="#fr">denken</hi> koͤnnen. Denn wie<lb/>
wollten wir ſeine Natur, davon uns die Erfahrung<lb/>
nichts aͤhnliches zeigen kann, erforſchen? Zweytens,<lb/>
daß wir es durch daſſelbe auch nur denken, nicht dar-<lb/>
nach <hirendition="#fr">erkennen</hi> und ſie ihm etwa theoretiſch beylegen<lb/>
koͤnnen; denn das waͤre fuͤr die beſtimmte Urtheilskraft<lb/>
in ſpeculativer Abſicht unſerer Vernunft, um, was<lb/>
die oberſte Welturſache <hirendition="#fr">an ſich</hi>ſey, einzuſehen. Hier<lb/>
aber iſt es nur darum zu thun, welchen Begrif wir<lb/>
uns, nach der Beſchaffenheit unſerer Erkenntnisver-<lb/>
moͤgen, von demſelben zu machen und ob wir ſeine<lb/>
Exiſtenz anzunehmen haben, um einem Zwecke, den<lb/>
uns reine practiſche Vernunft, ohne alle ſolche Vor-<lb/>
ausſetzung, <hirendition="#aq">a priori</hi> nach allen Kraͤften zu bewirken<lb/>
auferlegt, gleichfalls nur practiſche Realitaͤt zu ver-<lb/>ſchaffen, d. i. nur eine beabſichtete Wirkung als moͤg-<lb/>
lich denken zu koͤnnen. Jmmerhin mag jener Begrif<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[430/0494]
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
gleichwohl aber, wenn ihr Erkenntnis mit dem des
moraliſchen verbunden wird, ſind jene vermoͤge der
Maxime der reinen Vernunft, Einheit der Principien,
ſo viel ſich thun laͤßt, zu befolgen, von großer Be-
deutung, um der practiſchen Realitaͤt jener Jdee,
durch die, welche ſie in theoretiſcher Abſicht fuͤr die
Urtheilskraft bereit hat, zu Huͤlfe zu kommen.
Hiebey iſt nun, zu Verhuͤtung eines leicht eintre-
tenden Misverſtaͤndniſſes, hoͤchſt noͤthig anzumerken:
daß wir erſtlich dieſe Eigenſchaften des hoͤchſten Weſens
nur nach der Analogie denken koͤnnen. Denn wie
wollten wir ſeine Natur, davon uns die Erfahrung
nichts aͤhnliches zeigen kann, erforſchen? Zweytens,
daß wir es durch daſſelbe auch nur denken, nicht dar-
nach erkennen und ſie ihm etwa theoretiſch beylegen
koͤnnen; denn das waͤre fuͤr die beſtimmte Urtheilskraft
in ſpeculativer Abſicht unſerer Vernunft, um, was
die oberſte Welturſache an ſich ſey, einzuſehen. Hier
aber iſt es nur darum zu thun, welchen Begrif wir
uns, nach der Beſchaffenheit unſerer Erkenntnisver-
moͤgen, von demſelben zu machen und ob wir ſeine
Exiſtenz anzunehmen haben, um einem Zwecke, den
uns reine practiſche Vernunft, ohne alle ſolche Vor-
ausſetzung, a priori nach allen Kraͤften zu bewirken
auferlegt, gleichfalls nur practiſche Realitaͤt zu ver-
ſchaffen, d. i. nur eine beabſichtete Wirkung als moͤg-
lich denken zu koͤnnen. Jmmerhin mag jener Begrif
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/494>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.