Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft.
Vorstellung der Wirkung ist hier der Bestimmungsgrund
ihrer Ursache und geht vor der letzteren vorher. Das
Bewußtseyn der Causalität einer Vorstellung in Absicht
auf den Zustand des Subjects es in demselben zu erhal-
ten, kann hier im Allgemeinen das bezeichnen, was man
Lust nennt; dagegeu Unlust diejenige Vorstellung ist, die
den Zustand der Vorstellungen zu ihrem eigenen Gegen-
theile zu bestimmen den Grund enthält.

Das Begehrungsvermögen, sofern es nur durch
Begriffe, d. i. der Vorstellung eines Zwecks gemäs zu
handeln, bestimmbar ist, würde der Wille seyn. Zweck-
mäßig aber heißt ein Object, oder Gemüthszustand, oder
eine Handlung auch, wenn gleich ihre Möglichkeit die
Vorstellung eines Zwecks nicht nothwendig voraussetzt,
blos darum, weil ihre Möglichkeit von uns nur erklärt
und begriffen werden kann, sofern wir eine Causalität
nach Zwecken, d. i. einen Willen, der sie nach der Vor-
stellung einer gewissen Regel so angeordnet hätte, zum
Grunde derselben annehmen. Die Zweckmäßigkeit kann
also ohne Zweck seyn, sofern wir die Ursache dieser Form
nicht in einem Willen setzen, aber doch die Erklärung ih-
rer Möglichkeit, nur indem wir sie von einem Willen
ableiten, uns begreiflich machen können. Nun haben
wir das, was wir beobachten, nicht immer nöthig durch
Vernunft (seiner Möglichkeit nach) einzusehen. Also
können wir eine Zweckmäßigkeit der Form nach, auch
ohne daß wir ihr einen Zweck (als die Materie des

Kants Crit. d. Urtheilskr. C

I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Vorſtellung der Wirkung iſt hier der Beſtimmungsgrund
ihrer Urſache und geht vor der letzteren vorher. Das
Bewußtſeyn der Cauſalitaͤt einer Vorſtellung in Abſicht
auf den Zuſtand des Subjects es in demſelben zu erhal-
ten, kann hier im Allgemeinen das bezeichnen, was man
Luſt nennt; dagegeu Unluſt diejenige Vorſtellung iſt, die
den Zuſtand der Vorſtellungen zu ihrem eigenen Gegen-
theile zu beſtimmen den Grund enthaͤlt.

Das Begehrungsvermoͤgen, ſofern es nur durch
Begriffe, d. i. der Vorſtellung eines Zwecks gemaͤs zu
handeln, beſtimmbar iſt, wuͤrde der Wille ſeyn. Zweck-
maͤßig aber heißt ein Object, oder Gemuͤthszuſtand, oder
eine Handlung auch, wenn gleich ihre Moͤglichkeit die
Vorſtellung eines Zwecks nicht nothwendig vorausſetzt,
blos darum, weil ihre Moͤglichkeit von uns nur erklaͤrt
und begriffen werden kann, ſofern wir eine Cauſalitaͤt
nach Zwecken, d. i. einen Willen, der ſie nach der Vor-
ſtellung einer gewiſſen Regel ſo angeordnet haͤtte, zum
Grunde derſelben annehmen. Die Zweckmaͤßigkeit kann
alſo ohne Zweck ſeyn, ſofern wir die Urſache dieſer Form
nicht in einem Willen ſetzen, aber doch die Erklaͤrung ih-
rer Moͤglichkeit, nur indem wir ſie von einem Willen
ableiten, uns begreiflich machen koͤnnen. Nun haben
wir das, was wir beobachten, nicht immer noͤthig durch
Vernunft (ſeiner Moͤglichkeit nach) einzuſehen. Alſo
koͤnnen wir eine Zweckmaͤßigkeit der Form nach, auch
ohne daß wir ihr einen Zweck (als die Materie des

Kants Crit. d. Urtheilskr. C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0097" n="33"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. Critik der a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;chen Urtheilskraft.</fw><lb/>
Vor&#x017F;tellung der Wirkung i&#x017F;t hier der Be&#x017F;timmungsgrund<lb/>
ihrer Ur&#x017F;ache und geht vor der letzteren vorher. Das<lb/>
Bewußt&#x017F;eyn der Cau&#x017F;alita&#x0364;t einer Vor&#x017F;tellung in Ab&#x017F;icht<lb/>
auf den Zu&#x017F;tand des Subjects es in dem&#x017F;elben zu erhal-<lb/>
ten, kann hier im Allgemeinen das bezeichnen, was man<lb/>
Lu&#x017F;t nennt; dagegeu Unlu&#x017F;t diejenige Vor&#x017F;tellung i&#x017F;t, die<lb/>
den Zu&#x017F;tand der Vor&#x017F;tellungen zu ihrem eigenen Gegen-<lb/>
theile zu be&#x017F;timmen den Grund entha&#x0364;lt.</p><lb/>
                <p>Das Begehrungsvermo&#x0364;gen, &#x017F;ofern es nur durch<lb/>
Begriffe, d. i. der Vor&#x017F;tellung eines Zwecks gema&#x0364;s zu<lb/>
handeln, be&#x017F;timmbar i&#x017F;t, wu&#x0364;rde der Wille &#x017F;eyn. Zweck-<lb/>
ma&#x0364;ßig aber heißt ein Object, oder Gemu&#x0364;thszu&#x017F;tand, oder<lb/>
eine Handlung auch, wenn gleich ihre Mo&#x0364;glichkeit die<lb/>
Vor&#x017F;tellung eines Zwecks nicht nothwendig voraus&#x017F;etzt,<lb/>
blos darum, weil ihre Mo&#x0364;glichkeit von uns nur erkla&#x0364;rt<lb/>
und begriffen werden kann, &#x017F;ofern wir eine Cau&#x017F;alita&#x0364;t<lb/>
nach Zwecken, d. i. einen Willen, der &#x017F;ie nach der Vor-<lb/>
&#x017F;tellung einer gewi&#x017F;&#x017F;en Regel &#x017F;o angeordnet ha&#x0364;tte, zum<lb/>
Grunde der&#x017F;elben annehmen. Die Zweckma&#x0364;ßigkeit kann<lb/>
al&#x017F;o ohne Zweck &#x017F;eyn, &#x017F;ofern wir die Ur&#x017F;ache die&#x017F;er Form<lb/>
nicht in einem Willen &#x017F;etzen, aber doch die Erkla&#x0364;rung ih-<lb/>
rer Mo&#x0364;glichkeit, nur indem wir &#x017F;ie von einem Willen<lb/>
ableiten, uns begreiflich machen ko&#x0364;nnen. Nun haben<lb/>
wir das, was wir beobachten, nicht immer no&#x0364;thig durch<lb/>
Vernunft (&#x017F;einer Mo&#x0364;glichkeit nach) einzu&#x017F;ehen. Al&#x017F;o<lb/>
ko&#x0364;nnen wir eine Zweckma&#x0364;ßigkeit der Form nach, auch<lb/>
ohne daß wir ihr einen Zweck (als die Materie des<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Kants Crit. d. Urtheilskr</hi>. C</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0097] I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. Vorſtellung der Wirkung iſt hier der Beſtimmungsgrund ihrer Urſache und geht vor der letzteren vorher. Das Bewußtſeyn der Cauſalitaͤt einer Vorſtellung in Abſicht auf den Zuſtand des Subjects es in demſelben zu erhal- ten, kann hier im Allgemeinen das bezeichnen, was man Luſt nennt; dagegeu Unluſt diejenige Vorſtellung iſt, die den Zuſtand der Vorſtellungen zu ihrem eigenen Gegen- theile zu beſtimmen den Grund enthaͤlt. Das Begehrungsvermoͤgen, ſofern es nur durch Begriffe, d. i. der Vorſtellung eines Zwecks gemaͤs zu handeln, beſtimmbar iſt, wuͤrde der Wille ſeyn. Zweck- maͤßig aber heißt ein Object, oder Gemuͤthszuſtand, oder eine Handlung auch, wenn gleich ihre Moͤglichkeit die Vorſtellung eines Zwecks nicht nothwendig vorausſetzt, blos darum, weil ihre Moͤglichkeit von uns nur erklaͤrt und begriffen werden kann, ſofern wir eine Cauſalitaͤt nach Zwecken, d. i. einen Willen, der ſie nach der Vor- ſtellung einer gewiſſen Regel ſo angeordnet haͤtte, zum Grunde derſelben annehmen. Die Zweckmaͤßigkeit kann alſo ohne Zweck ſeyn, ſofern wir die Urſache dieſer Form nicht in einem Willen ſetzen, aber doch die Erklaͤrung ih- rer Moͤglichkeit, nur indem wir ſie von einem Willen ableiten, uns begreiflich machen koͤnnen. Nun haben wir das, was wir beobachten, nicht immer noͤthig durch Vernunft (ſeiner Moͤglichkeit nach) einzuſehen. Alſo koͤnnen wir eine Zweckmaͤßigkeit der Form nach, auch ohne daß wir ihr einen Zweck (als die Materie des Kants Crit. d. Urtheilskr. C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/97
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/97>, abgerufen am 06.05.2024.