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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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Bestäubten Häuptern die Hände, und in der Mitte
des Kreises
Lag ausgebreitet ein elendes Weib auf ihrem ster-
benden
Mann. Er weidete Rinder unter den Haselstauden
Und Pappelbäumen, als die Wolke von Feinden
Daher gerauschet kam. Einer, dem die Schwärze
des Pluto
Die haarichte Wange bedeckte, trat vor dem Rin-
derhirten
Und frug mit der Stimme des Donners: ob jenseits
Des Berges gelagert wären kriegerische Jünglinge
Zum deckendem Schilde der Heerde? Ihn verstand
nicht
Der zurückbebende Rinderhirte, und plötzlich flog
Aus den rauhhäutigen Händen des Barbaren
Der mörderische Wurfspieß in das Eingeweide
Des Mannes, welcher nun schwimmend in seinem
Blute
Das Leben ausröchelte. Drei übelgekleidete Kinder
Vermengeten ihre weinende Stimme in das Jammer-
Geschrei ihrer Mutter, an deren Busen ein dreitägiger
Säugling einen Theil der Bitterkeit ihres Schmerzes
Verschluckte. Die mitleidige Luft heulte ihre laute
Seufzer nach, und die Erde des Grabhügels öffnete sich

Beſtaͤubten Haͤuptern die Haͤnde, und in der Mitte
des Kreiſes
Lag ausgebreitet ein elendes Weib auf ihrem ſter-
benden
Mann. Er weidete Rinder unter den Haſelſtauden
Und Pappelbaͤumen, als die Wolke von Feinden
Daher gerauſchet kam. Einer, dem die Schwaͤrze
des Pluto
Die haarichte Wange bedeckte, trat vor dem Rin-
derhirten
Und frug mit der Stimme des Donners: ob jenſeits
Des Berges gelagert waͤren kriegeriſche Juͤnglinge
Zum deckendem Schilde der Heerde? Ihn verſtand
nicht
Der zuruͤckbebende Rinderhirte, und ploͤtzlich flog
Aus den rauhhaͤutigen Haͤnden des Barbaren
Der moͤrderiſche Wurfſpieß in das Eingeweide
Des Mannes, welcher nun ſchwimmend in ſeinem
Blute
Das Leben ausroͤchelte. Drei uͤbelgekleidete Kinder
Vermengeten ihre weinende Stimme in das Jammer-
Geſchrei ihrer Mutter, an deren Buſen ein dreitaͤgiger
Saͤugling einen Theil der Bitterkeit ihres Schmerzes
Verſchluckte. Die mitleidige Luft heulte ihre laute
Seufzer nach, und die Erde des Grabhuͤgels oͤffnete ſich

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[282/0442] Beſtaͤubten Haͤuptern die Haͤnde, und in der Mitte des Kreiſes Lag ausgebreitet ein elendes Weib auf ihrem ſter- benden Mann. Er weidete Rinder unter den Haſelſtauden Und Pappelbaͤumen, als die Wolke von Feinden Daher gerauſchet kam. Einer, dem die Schwaͤrze des Pluto Die haarichte Wange bedeckte, trat vor dem Rin- derhirten Und frug mit der Stimme des Donners: ob jenſeits Des Berges gelagert waͤren kriegeriſche Juͤnglinge Zum deckendem Schilde der Heerde? Ihn verſtand nicht Der zuruͤckbebende Rinderhirte, und ploͤtzlich flog Aus den rauhhaͤutigen Haͤnden des Barbaren Der moͤrderiſche Wurfſpieß in das Eingeweide Des Mannes, welcher nun ſchwimmend in ſeinem Blute Das Leben ausroͤchelte. Drei uͤbelgekleidete Kinder Vermengeten ihre weinende Stimme in das Jammer- Geſchrei ihrer Mutter, an deren Buſen ein dreitaͤgiger Saͤugling einen Theil der Bitterkeit ihres Schmerzes Verſchluckte. Die mitleidige Luft heulte ihre laute Seufzer nach, und die Erde des Grabhuͤgels oͤffnete ſich

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/442>, abgerufen am 15.05.2024.