Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

tige Jugend gesetzlich geboten, daß jede Cantons¬
schule zugleich ein soldatisches Corps bildete. Wir
wurden in grüne Uniform gesteckt, ich glaubte
schon mit meiner besonderen Grünheit in der all¬
gemeinen aufgehen zu können und von meinem
Spitznamen erlöst zu sein; aber weit gefehlt,
meine Mutter ließ es sich nicht nehmen, die grü¬
nen Röcke meines Vaters, welche kein Ende neh¬
men zu wollen schienen, dem Schneider unterzu¬
schieben und so ermangelte meine Uniform niemals
um einen Grad dunkler oder heller zu sein, als
alle übrigen und mich fortwährend auszuzeichnen.
Mit den kriegerischen Uebungen war das Turnen
verwandt, zu welchem wir ebenfalls angehalten
wurden, so daß ein Abend exercirt und den an¬
dern gesprungen, geklettert und geschwommen
wurde. Ich war bisher aufgewachsen, wie ein
Gras, mich biegend und schmiegend, wie jedes
Lüftchen der Lebensregungen und der Laune es
wollte; Niemand hatte mir gesagt, mich grad zu
halten, kein Mann mich an See und Fluß ge¬
führt und da hineingeworfen, wo es am tiefsten
war, nur in der Aufregung hatte ich ein und

tige Jugend geſetzlich geboten, daß jede Cantons¬
ſchule zugleich ein ſoldatiſches Corps bildete. Wir
wurden in gruͤne Uniform geſteckt, ich glaubte
ſchon mit meiner beſonderen Gruͤnheit in der all¬
gemeinen aufgehen zu koͤnnen und von meinem
Spitznamen erloͤſt zu ſein; aber weit gefehlt,
meine Mutter ließ es ſich nicht nehmen, die gruͤ¬
nen Roͤcke meines Vaters, welche kein Ende neh¬
men zu wollen ſchienen, dem Schneider unterzu¬
ſchieben und ſo ermangelte meine Uniform niemals
um einen Grad dunkler oder heller zu ſein, als
alle uͤbrigen und mich fortwaͤhrend auszuzeichnen.
Mit den kriegeriſchen Uebungen war das Turnen
verwandt, zu welchem wir ebenfalls angehalten
wurden, ſo daß ein Abend exercirt und den an¬
dern geſprungen, geklettert und geſchwommen
wurde. Ich war bisher aufgewachſen, wie ein
Gras, mich biegend und ſchmiegend, wie jedes
Luͤftchen der Lebensregungen und der Laune es
wollte; Niemand hatte mir geſagt, mich grad zu
halten, kein Mann mich an See und Fluß ge¬
fuͤhrt und da hineingeworfen, wo es am tiefſten
war, nur in der Aufregung hatte ich ein und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0315" n="301"/>
tige Jugend ge&#x017F;etzlich geboten, daß jede Cantons¬<lb/>
&#x017F;chule zugleich ein &#x017F;oldati&#x017F;ches Corps bildete. Wir<lb/>
wurden in gru&#x0364;ne Uniform ge&#x017F;teckt, ich glaubte<lb/>
&#x017F;chon mit meiner be&#x017F;onderen Gru&#x0364;nheit in der all¬<lb/>
gemeinen aufgehen zu ko&#x0364;nnen und von meinem<lb/>
Spitznamen erlo&#x0364;&#x017F;t zu &#x017F;ein; aber weit gefehlt,<lb/>
meine Mutter ließ es &#x017F;ich nicht nehmen, die gru&#x0364;¬<lb/>
nen Ro&#x0364;cke meines Vaters, welche kein Ende neh¬<lb/>
men zu wollen &#x017F;chienen, dem Schneider unterzu¬<lb/>
&#x017F;chieben und &#x017F;o ermangelte meine Uniform niemals<lb/>
um einen Grad dunkler oder heller zu &#x017F;ein, als<lb/>
alle u&#x0364;brigen und mich fortwa&#x0364;hrend auszuzeichnen.<lb/>
Mit den kriegeri&#x017F;chen Uebungen war das Turnen<lb/>
verwandt, zu welchem wir ebenfalls angehalten<lb/>
wurden, &#x017F;o daß ein Abend exercirt und den an¬<lb/>
dern ge&#x017F;prungen, geklettert und ge&#x017F;chwommen<lb/>
wurde. Ich war bisher aufgewach&#x017F;en, wie ein<lb/>
Gras, mich biegend und &#x017F;chmiegend, wie jedes<lb/>
Lu&#x0364;ftchen der Lebensregungen und der Laune es<lb/>
wollte; Niemand hatte mir ge&#x017F;agt, mich grad zu<lb/>
halten, kein Mann mich an See und Fluß ge¬<lb/>
fu&#x0364;hrt und da hineingeworfen, wo es am tief&#x017F;ten<lb/>
war, nur in der Aufregung hatte ich ein und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0315] tige Jugend geſetzlich geboten, daß jede Cantons¬ ſchule zugleich ein ſoldatiſches Corps bildete. Wir wurden in gruͤne Uniform geſteckt, ich glaubte ſchon mit meiner beſonderen Gruͤnheit in der all¬ gemeinen aufgehen zu koͤnnen und von meinem Spitznamen erloͤſt zu ſein; aber weit gefehlt, meine Mutter ließ es ſich nicht nehmen, die gruͤ¬ nen Roͤcke meines Vaters, welche kein Ende neh¬ men zu wollen ſchienen, dem Schneider unterzu¬ ſchieben und ſo ermangelte meine Uniform niemals um einen Grad dunkler oder heller zu ſein, als alle uͤbrigen und mich fortwaͤhrend auszuzeichnen. Mit den kriegeriſchen Uebungen war das Turnen verwandt, zu welchem wir ebenfalls angehalten wurden, ſo daß ein Abend exercirt und den an¬ dern geſprungen, geklettert und geſchwommen wurde. Ich war bisher aufgewachſen, wie ein Gras, mich biegend und ſchmiegend, wie jedes Luͤftchen der Lebensregungen und der Laune es wollte; Niemand hatte mir geſagt, mich grad zu halten, kein Mann mich an See und Fluß ge¬ fuͤhrt und da hineingeworfen, wo es am tiefſten war, nur in der Aufregung hatte ich ein und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/315
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/315>, abgerufen am 17.05.2024.