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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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es ohne spätere Reue und das Bisherige gut zu
machen, zu thun. Und wenn ich Dir es deutsch
heraus sagen soll, so wisse, daß ich mir auch
Dein Andenken, was immer ein Andenken der
Verirrung für mich sein wird, doch noch so rein
und schön als möglich retten und erhalten möchte,
und das kann nur noch durch ein rasches Schei¬
den in diesem Augenblicke geschehen. Du sagst
und beklagst es, daß Du nie Theil gehabt an der
edleren und höheren Hälfte der Liebe! Welche
bessere Gelegenheit kannst Du ergreifen, als wenn
Du aus Liebe zu mir mir freiwillig erleichterst,
Deiner mit Achtung und Liebe zu gedenken und
zugleich der Verstorbenen treu zu sein? Wirst Du
Dich dadurch nicht an jener tieferen Art der Liebe
betheiligen?"

"O Alles Luft und Schall!" rief Judith, "ich
habe nichts gesagt, ich will nichts gesagt haben!
Ich will nicht Deine Achtung, ich will Dich selbst
haben, so lange ich kann!"

Sie suchte meine beiden Hände zu fassen, er¬
griff dieselben, und während ich sie ihr vergeblich
zu entziehen mich bemühte, indeß sie mir ganz

es ohne ſpaͤtere Reue und das Bisherige gut zu
machen, zu thun. Und wenn ich Dir es deutſch
heraus ſagen ſoll, ſo wiſſe, daß ich mir auch
Dein Andenken, was immer ein Andenken der
Verirrung fuͤr mich ſein wird, doch noch ſo rein
und ſchoͤn als moͤglich retten und erhalten moͤchte,
und das kann nur noch durch ein raſches Schei¬
den in dieſem Augenblicke geſchehen. Du ſagſt
und beklagſt es, daß Du nie Theil gehabt an der
edleren und hoͤheren Haͤlfte der Liebe! Welche
beſſere Gelegenheit kannſt Du ergreifen, als wenn
Du aus Liebe zu mir mir freiwillig erleichterſt,
Deiner mit Achtung und Liebe zu gedenken und
zugleich der Verſtorbenen treu zu ſein? Wirſt Du
Dich dadurch nicht an jener tieferen Art der Liebe
betheiligen?«

»O Alles Luft und Schall!« rief Judith, »ich
habe nichts geſagt, ich will nichts geſagt haben!
Ich will nicht Deine Achtung, ich will Dich ſelbſt
haben, ſo lange ich kann!«

Sie ſuchte meine beiden Haͤnde zu faſſen, er¬
griff dieſelben, und waͤhrend ich ſie ihr vergeblich
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[163/0173] es ohne ſpaͤtere Reue und das Bisherige gut zu machen, zu thun. Und wenn ich Dir es deutſch heraus ſagen ſoll, ſo wiſſe, daß ich mir auch Dein Andenken, was immer ein Andenken der Verirrung fuͤr mich ſein wird, doch noch ſo rein und ſchoͤn als moͤglich retten und erhalten moͤchte, und das kann nur noch durch ein raſches Schei¬ den in dieſem Augenblicke geſchehen. Du ſagſt und beklagſt es, daß Du nie Theil gehabt an der edleren und hoͤheren Haͤlfte der Liebe! Welche beſſere Gelegenheit kannſt Du ergreifen, als wenn Du aus Liebe zu mir mir freiwillig erleichterſt, Deiner mit Achtung und Liebe zu gedenken und zugleich der Verſtorbenen treu zu ſein? Wirſt Du Dich dadurch nicht an jener tieferen Art der Liebe betheiligen?« »O Alles Luft und Schall!« rief Judith, »ich habe nichts geſagt, ich will nichts geſagt haben! Ich will nicht Deine Achtung, ich will Dich ſelbſt haben, ſo lange ich kann!« Sie ſuchte meine beiden Haͤnde zu faſſen, er¬ griff dieſelben, und waͤhrend ich ſie ihr vergeblich zu entziehen mich bemuͤhte, indeß ſie mir ganz

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/173>, abgerufen am 30.04.2024.