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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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nicht auf das Mädchen, sondern fixirte den Be¬
schauer, indessen er sich zu gleicher Zeit an einen
silberhaarigen Greis mit kahler Stirn und röth¬
lichem Gesicht lehnte. Der Greis sah ebenfalls
auf den Beschauer und schlug dazu spöttisch muth¬
willig Schnippchen mit der einen Hand, indessen
die andere sich gegen den Tisch stemmte. Er
blinzelte ganz verzwickt freundlich mit den Augen
und zeigte allen Muthwillen eines Neunzehnjäh¬
rigen, indessen der Junge, mit trotzig schönen
Lippen, matt glühenden schwarzen Augen und
unbändigen Haaren, deren Ebenholzschwärze durch
den verwischten Puder glänzte, die Erfahrungen
eines Greises in sich zu tragen schien. Auf der
Mitte der Bank, deren hohe zierlich gemeißelte
Lehne man durch die Lücken bemerkte, saß ein
ausgemachter Taugenichts und Hanswurst, wel¬
cher mit offenbarem Hohne, die Nase verziehend,
aus dem Bilde sah, und seinen Hohn dadurch
noch beleidigender machte, daß er sich durch eine
vor den Mund gehaltene Rose das Ansehen gab,
als wolle er denselben gutmüthig verhehlen. Auf
diesen folgte ein stattlicher ernster Mann; dieser

nicht auf das Maͤdchen, ſondern fixirte den Be¬
ſchauer, indeſſen er ſich zu gleicher Zeit an einen
ſilberhaarigen Greis mit kahler Stirn und roͤth¬
lichem Geſicht lehnte. Der Greis ſah ebenfalls
auf den Beſchauer und ſchlug dazu ſpoͤttiſch muth¬
willig Schnippchen mit der einen Hand, indeſſen
die andere ſich gegen den Tiſch ſtemmte. Er
blinzelte ganz verzwickt freundlich mit den Augen
und zeigte allen Muthwillen eines Neunzehnjaͤh¬
rigen, indeſſen der Junge, mit trotzig ſchoͤnen
Lippen, matt gluͤhenden ſchwarzen Augen und
unbaͤndigen Haaren, deren Ebenholzſchwaͤrze durch
den verwiſchten Puder glaͤnzte, die Erfahrungen
eines Greiſes in ſich zu tragen ſchien. Auf der
Mitte der Bank, deren hohe zierlich gemeißelte
Lehne man durch die Luͤcken bemerkte, ſaß ein
ausgemachter Taugenichts und Hanswurſt, wel¬
cher mit offenbarem Hohne, die Naſe verziehend,
aus dem Bilde ſah, und ſeinen Hohn dadurch
noch beleidigender machte, daß er ſich durch eine
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[188/0198] nicht auf das Maͤdchen, ſondern fixirte den Be¬ ſchauer, indeſſen er ſich zu gleicher Zeit an einen ſilberhaarigen Greis mit kahler Stirn und roͤth¬ lichem Geſicht lehnte. Der Greis ſah ebenfalls auf den Beſchauer und ſchlug dazu ſpoͤttiſch muth¬ willig Schnippchen mit der einen Hand, indeſſen die andere ſich gegen den Tiſch ſtemmte. Er blinzelte ganz verzwickt freundlich mit den Augen und zeigte allen Muthwillen eines Neunzehnjaͤh¬ rigen, indeſſen der Junge, mit trotzig ſchoͤnen Lippen, matt gluͤhenden ſchwarzen Augen und unbaͤndigen Haaren, deren Ebenholzſchwaͤrze durch den verwiſchten Puder glaͤnzte, die Erfahrungen eines Greiſes in ſich zu tragen ſchien. Auf der Mitte der Bank, deren hohe zierlich gemeißelte Lehne man durch die Luͤcken bemerkte, ſaß ein ausgemachter Taugenichts und Hanswurſt, wel¬ cher mit offenbarem Hohne, die Naſe verziehend, aus dem Bilde ſah, und ſeinen Hohn dadurch noch beleidigender machte, daß er ſich durch eine vor den Mund gehaltene Roſe das Anſehen gab, als wolle er denſelben gutmuͤthig verhehlen. Auf dieſen folgte ein ſtattlicher ernſter Mann; dieſer

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/198>, abgerufen am 30.04.2024.