Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

stellten die Grazien dar, und das so anmuthig
schalkhaft, daß sie, kaum auseinander gegangen,
in den Kreis der Damen gelockt wurden, ohne
zu wissen wie, und sich dort auf's liebreichste ge¬
schmeichelt und gehätschelt sahen. Des gleichen
Vorzuges genoß ein schöner Zwerg, der kleinere
Bruder jenes Koboldes auf dem Wagen des
Bergkönigs, und welcher mit klassischem Anstande
den sterbenden Fechter machte in seinem Schellen¬
kleidchen. Dann stellte Erikson den Laokoon vor
durch mächtige Papierschlangen mit zwei jungen
Narren verbunden.

Als er in der beschwerlichen Stellung da saß
und sich nicht rühren durfte, indessen seine kräf¬
tigen Muskeln alle in wunderschönem Spiele sei¬
ner Bewegung gehorchten, sah er, wie Rosalie,
deren Augen unverwandt an ihm gehangen, fast
gewaltsam von Ferdinand weggezogen und durch
die Räume geführt wurde. Er hielt es nun nicht
länger aus, und kaum von den Schlangen los¬
gewickelt, durchstürmte er das Haus und bettelte
sich von befreundeten Gestalten Gewandstücke zu¬
sammen, die sie in der vorgerückten Stunde nun

ſtellten die Grazien dar, und das ſo anmuthig
ſchalkhaft, daß ſie, kaum auseinander gegangen,
in den Kreis der Damen gelockt wurden, ohne
zu wiſſen wie, und ſich dort auf's liebreichſte ge¬
ſchmeichelt und gehaͤtſchelt ſahen. Des gleichen
Vorzuges genoß ein ſchoͤner Zwerg, der kleinere
Bruder jenes Koboldes auf dem Wagen des
Bergkoͤnigs, und welcher mit klaſſiſchem Anſtande
den ſterbenden Fechter machte in ſeinem Schellen¬
kleidchen. Dann ſtellte Erikſon den Laokoon vor
durch maͤchtige Papierſchlangen mit zwei jungen
Narren verbunden.

Als er in der beſchwerlichen Stellung da ſaß
und ſich nicht ruͤhren durfte, indeſſen ſeine kraͤf¬
tigen Muskeln alle in wunderſchoͤnem Spiele ſei¬
ner Bewegung gehorchten, ſah er, wie Roſalie,
deren Augen unverwandt an ihm gehangen, faſt
gewaltſam von Ferdinand weggezogen und durch
die Raͤume gefuͤhrt wurde. Er hielt es nun nicht
laͤnger aus, und kaum von den Schlangen los¬
gewickelt, durchſtuͤrmte er das Haus und bettelte
ſich von befreundeten Geſtalten Gewandſtuͤcke zu¬
ſammen, die ſie in der vorgeruͤckten Stunde nun

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0304" n="294"/>
&#x017F;tellten die Grazien dar, und das &#x017F;o anmuthig<lb/>
&#x017F;chalkhaft, daß &#x017F;ie, kaum auseinander gegangen,<lb/>
in den Kreis der Damen gelockt wurden, ohne<lb/>
zu wi&#x017F;&#x017F;en wie, und &#x017F;ich dort auf's liebreich&#x017F;te ge¬<lb/>
&#x017F;chmeichelt und geha&#x0364;t&#x017F;chelt &#x017F;ahen. Des gleichen<lb/>
Vorzuges genoß ein &#x017F;cho&#x0364;ner Zwerg, der kleinere<lb/>
Bruder jenes Koboldes auf dem Wagen des<lb/>
Bergko&#x0364;nigs, und welcher mit kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chem An&#x017F;tande<lb/>
den &#x017F;terbenden Fechter machte in &#x017F;einem Schellen¬<lb/>
kleidchen. Dann &#x017F;tellte Erik&#x017F;on den Laokoon vor<lb/>
durch ma&#x0364;chtige Papier&#x017F;chlangen mit zwei jungen<lb/>
Narren verbunden.</p><lb/>
        <p>Als er in der be&#x017F;chwerlichen Stellung da &#x017F;<lb/>
und &#x017F;ich nicht ru&#x0364;hren durfte, inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eine kra&#x0364;<lb/>
tigen Muskeln alle in wunder&#x017F;cho&#x0364;nem Spiele &#x017F;ei¬<lb/>
ner Bewegung gehorchten, &#x017F;ah er, wie Ro&#x017F;alie,<lb/>
deren Augen unverwandt an ihm gehangen, fa&#x017F;t<lb/>
gewalt&#x017F;am von Ferdinand weggezogen und durch<lb/>
die Ra&#x0364;ume gefu&#x0364;hrt wurde. Er hielt es nun nicht<lb/>
la&#x0364;nger aus, und kaum von den Schlangen los¬<lb/>
gewickelt, durch&#x017F;tu&#x0364;rmte er das Haus und bettelte<lb/>
&#x017F;ich von befreundeten Ge&#x017F;talten Gewand&#x017F;tu&#x0364;cke zu¬<lb/>
&#x017F;ammen, die &#x017F;ie in der vorgeru&#x0364;ckten Stunde nun<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0304] ſtellten die Grazien dar, und das ſo anmuthig ſchalkhaft, daß ſie, kaum auseinander gegangen, in den Kreis der Damen gelockt wurden, ohne zu wiſſen wie, und ſich dort auf's liebreichſte ge¬ ſchmeichelt und gehaͤtſchelt ſahen. Des gleichen Vorzuges genoß ein ſchoͤner Zwerg, der kleinere Bruder jenes Koboldes auf dem Wagen des Bergkoͤnigs, und welcher mit klaſſiſchem Anſtande den ſterbenden Fechter machte in ſeinem Schellen¬ kleidchen. Dann ſtellte Erikſon den Laokoon vor durch maͤchtige Papierſchlangen mit zwei jungen Narren verbunden. Als er in der beſchwerlichen Stellung da ſaß und ſich nicht ruͤhren durfte, indeſſen ſeine kraͤf¬ tigen Muskeln alle in wunderſchoͤnem Spiele ſei¬ ner Bewegung gehorchten, ſah er, wie Roſalie, deren Augen unverwandt an ihm gehangen, faſt gewaltſam von Ferdinand weggezogen und durch die Raͤume gefuͤhrt wurde. Er hielt es nun nicht laͤnger aus, und kaum von den Schlangen los¬ gewickelt, durchſtuͤrmte er das Haus und bettelte ſich von befreundeten Geſtalten Gewandſtuͤcke zu¬ ſammen, die ſie in der vorgeruͤckten Stunde nun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/304
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/304>, abgerufen am 13.05.2024.