Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

darin aufzehrt und Tag und Nacht nichts Ande¬
res denkt. So viel ich jetzo sehe, wenn Sie
meine Freiheit nicht übel nehmen wollen, steht
es nicht zum Besten mit Ihnen, und erachte ich,
daß Sie in dem Stadium sind, wo die Herren
Künstler allerlei durchmachen müssen, um endlich
mit Ehre und stattlichem Ansehen aus der Noth
hervorzugehen. Unsereines hat wohl auch allerlei
Strapazen auf der Wanderschaft durchzumachen
oder als Anfänger harte Zeit zu erleben; allein
mit der Arbeit können wir, wenn wir nur wollen,
uns jederzeit helfen, und unsere Hände sind im¬
mer so gut wie baares Geld oder gebackenes
Brot und für jede Stunde eine unmittelbare
Selbsthülfe, während es bei Ihnen dazu noch
gutes Glück und allerlei Unerhörtes braucht, wo¬
von ich nichts verstehe. Vorlaute und unver¬
ständige Weibsen und auch eben solche Männer
in unserer Stadt, wo es ruchbar geworden, daß
Ihre Mutter große Summen an Sie gewendet
und ihr eigenes Auskommen dadurch bedeutend
geschmälert hat, haben es sich beikommen lassen,
dieselbe hart zu tadeln hinter ihrem Rücken und

darin aufzehrt und Tag und Nacht nichts Ande¬
res denkt. So viel ich jetzo ſehe, wenn Sie
meine Freiheit nicht uͤbel nehmen wollen, ſteht
es nicht zum Beſten mit Ihnen, und erachte ich,
daß Sie in dem Stadium ſind, wo die Herren
Kuͤnſtler allerlei durchmachen muͤſſen, um endlich
mit Ehre und ſtattlichem Anſehen aus der Noth
hervorzugehen. Unſereines hat wohl auch allerlei
Strapazen auf der Wanderſchaft durchzumachen
oder als Anfaͤnger harte Zeit zu erleben; allein
mit der Arbeit koͤnnen wir, wenn wir nur wollen,
uns jederzeit helfen, und unſere Haͤnde ſind im¬
mer ſo gut wie baares Geld oder gebackenes
Brot und fuͤr jede Stunde eine unmittelbare
Selbſthuͤlfe, waͤhrend es bei Ihnen dazu noch
gutes Gluͤck und allerlei Unerhoͤrtes braucht, wo¬
von ich nichts verſtehe. Vorlaute und unver¬
ſtaͤndige Weibſen und auch eben ſolche Maͤnner
in unſerer Stadt, wo es ruchbar geworden, daß
Ihre Mutter große Summen an Sie gewendet
und ihr eigenes Auskommen dadurch bedeutend
geſchmaͤlert hat, haben es ſich beikommen laſſen,
dieſelbe hart zu tadeln hinter ihrem Ruͤcken und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0223" n="213"/>
darin aufzehrt und Tag und Nacht nichts Ande¬<lb/>
res denkt. So viel ich jetzo &#x017F;ehe, wenn Sie<lb/>
meine Freiheit nicht u&#x0364;bel nehmen wollen, &#x017F;teht<lb/>
es nicht zum Be&#x017F;ten mit Ihnen, und erachte ich,<lb/>
daß Sie in dem Stadium &#x017F;ind, wo die Herren<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;tler allerlei durchmachen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, um endlich<lb/>
mit Ehre und &#x017F;tattlichem An&#x017F;ehen aus der Noth<lb/>
hervorzugehen. Un&#x017F;ereines hat wohl auch allerlei<lb/>
Strapazen auf der Wander&#x017F;chaft durchzumachen<lb/>
oder als Anfa&#x0364;nger harte Zeit zu erleben; allein<lb/>
mit der Arbeit ko&#x0364;nnen wir, wenn wir nur wollen,<lb/>
uns jederzeit helfen, und un&#x017F;ere Ha&#x0364;nde &#x017F;ind im¬<lb/>
mer &#x017F;o gut wie baares Geld oder gebackenes<lb/>
Brot und fu&#x0364;r jede Stunde eine unmittelbare<lb/>
Selb&#x017F;thu&#x0364;lfe, wa&#x0364;hrend es bei Ihnen dazu noch<lb/>
gutes Glu&#x0364;ck und allerlei Unerho&#x0364;rtes braucht, wo¬<lb/>
von ich nichts ver&#x017F;tehe. Vorlaute und unver¬<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndige Weib&#x017F;en und auch eben &#x017F;olche Ma&#x0364;nner<lb/>
in un&#x017F;erer Stadt, wo es ruchbar geworden, daß<lb/>
Ihre Mutter große Summen an Sie gewendet<lb/>
und ihr eigenes Auskommen dadurch bedeutend<lb/>
ge&#x017F;chma&#x0364;lert hat, haben es &#x017F;ich beikommen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
die&#x017F;elbe hart zu tadeln hinter ihrem Ru&#x0364;cken und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0223] darin aufzehrt und Tag und Nacht nichts Ande¬ res denkt. So viel ich jetzo ſehe, wenn Sie meine Freiheit nicht uͤbel nehmen wollen, ſteht es nicht zum Beſten mit Ihnen, und erachte ich, daß Sie in dem Stadium ſind, wo die Herren Kuͤnſtler allerlei durchmachen muͤſſen, um endlich mit Ehre und ſtattlichem Anſehen aus der Noth hervorzugehen. Unſereines hat wohl auch allerlei Strapazen auf der Wanderſchaft durchzumachen oder als Anfaͤnger harte Zeit zu erleben; allein mit der Arbeit koͤnnen wir, wenn wir nur wollen, uns jederzeit helfen, und unſere Haͤnde ſind im¬ mer ſo gut wie baares Geld oder gebackenes Brot und fuͤr jede Stunde eine unmittelbare Selbſthuͤlfe, waͤhrend es bei Ihnen dazu noch gutes Gluͤck und allerlei Unerhoͤrtes braucht, wo¬ von ich nichts verſtehe. Vorlaute und unver¬ ſtaͤndige Weibſen und auch eben ſolche Maͤnner in unſerer Stadt, wo es ruchbar geworden, daß Ihre Mutter große Summen an Sie gewendet und ihr eigenes Auskommen dadurch bedeutend geſchmaͤlert hat, haben es ſich beikommen laſſen, dieſelbe hart zu tadeln hinter ihrem Ruͤcken und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/223
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/223>, abgerufen am 27.04.2024.