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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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oder von seinem allzu überlegenen Thiere bewogen
werden könne, durch ein anderes Sträßlein zu
reiten, als er eigentlich gewollt hat. Ob nun
ein gutes Reiterregiment denkbar wäre, das aus
lauter Offizieren bestände, das heißt aus Leuten,
welche ihren freien Willen zur Grundlage ihrer
Tüchtigkeit machten, und in Betracht, daß Bür¬
gerwehrcavallerie, wo dies der Fall ist, nicht viel
taugt, dies zu beantworten, gehört nicht hierher,
da jedes Gleichniß hinkt, welches man über seine
Bestimmung hinaus verfolgt."

"Wird der Steuermann," fuhr Heinrich fort,
"zufälliger Stürme wegen, die ihn verschlagen kön¬
nen, der Abhängigkeit wegen von günstigen Win¬
den, wegen schlechtbestellten Fahrzeuges und un¬
vermutheter Klippen, wegen verhüllter Leitsterne
und verdunkelter Sonne sagen: es giebt keine
Steuermannskunst! und es aufgeben, nach bestem
Vermögen sein vorgenommenes Ziel zu erreichen?"

Nein, gerade die Unerbittlichkeit, aber auch die
Folgerichtigkeit, Nothwendigkeit der tausend in¬
einandergreifenden Bedingungen in ihrer Klar¬
heit müssen uns reizen, daß Steuer nicht fahren

oder von ſeinem allzu uͤberlegenen Thiere bewogen
werden koͤnne, durch ein anderes Straͤßlein zu
reiten, als er eigentlich gewollt hat. Ob nun
ein gutes Reiterregiment denkbar waͤre, das aus
lauter Offizieren beſtaͤnde, das heißt aus Leuten,
welche ihren freien Willen zur Grundlage ihrer
Tuͤchtigkeit machten, und in Betracht, daß Buͤr¬
gerwehrcavallerie, wo dies der Fall iſt, nicht viel
taugt, dies zu beantworten, gehoͤrt nicht hierher,
da jedes Gleichniß hinkt, welches man uͤber ſeine
Beſtimmung hinaus verfolgt.«

»Wird der Steuermann,« fuhr Heinrich fort,
»zufaͤlliger Stuͤrme wegen, die ihn verſchlagen koͤn¬
nen, der Abhaͤngigkeit wegen von guͤnſtigen Win¬
den, wegen ſchlechtbeſtellten Fahrzeuges und un¬
vermutheter Klippen, wegen verhuͤllter Leitſterne
und verdunkelter Sonne ſagen: es giebt keine
Steuermannskunſt! und es aufgeben, nach beſtem
Vermoͤgen ſein vorgenommenes Ziel zu erreichen?«

Nein, gerade die Unerbittlichkeit, aber auch die
Folgerichtigkeit, Nothwendigkeit der tauſend in¬
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[78/0088] oder von ſeinem allzu uͤberlegenen Thiere bewogen werden koͤnne, durch ein anderes Straͤßlein zu reiten, als er eigentlich gewollt hat. Ob nun ein gutes Reiterregiment denkbar waͤre, das aus lauter Offizieren beſtaͤnde, das heißt aus Leuten, welche ihren freien Willen zur Grundlage ihrer Tuͤchtigkeit machten, und in Betracht, daß Buͤr¬ gerwehrcavallerie, wo dies der Fall iſt, nicht viel taugt, dies zu beantworten, gehoͤrt nicht hierher, da jedes Gleichniß hinkt, welches man uͤber ſeine Beſtimmung hinaus verfolgt.« »Wird der Steuermann,« fuhr Heinrich fort, »zufaͤlliger Stuͤrme wegen, die ihn verſchlagen koͤn¬ nen, der Abhaͤngigkeit wegen von guͤnſtigen Win¬ den, wegen ſchlechtbeſtellten Fahrzeuges und un¬ vermutheter Klippen, wegen verhuͤllter Leitſterne und verdunkelter Sonne ſagen: es giebt keine Steuermannskunſt! und es aufgeben, nach beſtem Vermoͤgen ſein vorgenommenes Ziel zu erreichen?« Nein, gerade die Unerbittlichkeit, aber auch die Folgerichtigkeit, Nothwendigkeit der tauſend in¬ einandergreifenden Bedingungen in ihrer Klar¬ heit muͤſſen uns reizen, daß Steuer nicht fahren

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/88>, abgerufen am 29.04.2024.