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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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hier den Angreifern entgegenstellte, bestand mehr
aus alten und ganz jungen unerwachsenen Leuten,
von Priestern, Küstern und selbst Weibern ange¬
feuert. Aber sie zogen sich dennoch immer dichter
zusammen und nachdem erst einige unter ihnen
verwundet waren, stellte gerade dieser dunkle
Saum erschreckter alter Menschen, Weiber und
Priester, die sich zusammen den Landsturm nann¬
ten, das aufgebrachte und beleidigte Gebiet vor
und die Glocken schrieen den Zorn über alles
Getöse hinweg weit in das Land hinaus. Aber
der drohende Saum zog sich immer enger und
enger um die fechtenden Parteigänger, einige
entschlossene und erfahrene Alte gingen voran
und es dauerte nicht mehr lange, so waren die
Freischärler gefangen. Sie ergaben sich ohne
Weiteres, als sie sahen, daß sie Alles gegen sich
hatten, was hier wohnte. Wenn man im offenen
Kriege vom Reichsfeind gefangen wird, so ist
das ein Unstern wie ein anderer und kränkt den
Mann nicht tiefer; aber von seinen Mitbürgern
als ein gewaltthätiger politischer Widersacher ge¬
fangen zu werden, ist so demüthigend und krän¬
kend, als irgend etwas auf Erden sein kann.

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hier den Angreifern entgegenſtellte, beſtand mehr
aus alten und ganz jungen unerwachſenen Leuten,
von Prieſtern, Küſtern und ſelbſt Weibern ange¬
feuert. Aber ſie zogen ſich dennoch immer dichter
zuſammen und nachdem erſt einige unter ihnen
verwundet waren, ſtellte gerade dieſer dunkle
Saum erſchreckter alter Menſchen, Weiber und
Prieſter, die ſich zuſammen den Landſturm nann¬
ten, das aufgebrachte und beleidigte Gebiet vor
und die Glocken ſchrieen den Zorn über alles
Getöſe hinweg weit in das Land hinaus. Aber
der drohende Saum zog ſich immer enger und
enger um die fechtenden Parteigänger, einige
entſchloſſene und erfahrene Alte gingen voran
und es dauerte nicht mehr lange, ſo waren die
Freiſchärler gefangen. Sie ergaben ſich ohne
Weiteres, als ſie ſahen, daß ſie Alles gegen ſich
hatten, was hier wohnte. Wenn man im offenen
Kriege vom Reichsfeind gefangen wird, ſo iſt
das ein Unſtern wie ein anderer und kränkt den
Mann nicht tiefer; aber von ſeinen Mitbürgern
als ein gewaltthätiger politiſcher Widerſacher ge¬
fangen zu werden, iſt ſo demüthigend und krän¬
kend, als irgend etwas auf Erden ſein kann.

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[169/0181] hier den Angreifern entgegenſtellte, beſtand mehr aus alten und ganz jungen unerwachſenen Leuten, von Prieſtern, Küſtern und ſelbſt Weibern ange¬ feuert. Aber ſie zogen ſich dennoch immer dichter zuſammen und nachdem erſt einige unter ihnen verwundet waren, ſtellte gerade dieſer dunkle Saum erſchreckter alter Menſchen, Weiber und Prieſter, die ſich zuſammen den Landſturm nann¬ ten, das aufgebrachte und beleidigte Gebiet vor und die Glocken ſchrieen den Zorn über alles Getöſe hinweg weit in das Land hinaus. Aber der drohende Saum zog ſich immer enger und enger um die fechtenden Parteigänger, einige entſchloſſene und erfahrene Alte gingen voran und es dauerte nicht mehr lange, ſo waren die Freiſchärler gefangen. Sie ergaben ſich ohne Weiteres, als ſie ſahen, daß ſie Alles gegen ſich hatten, was hier wohnte. Wenn man im offenen Kriege vom Reichsfeind gefangen wird, ſo iſt das ein Unſtern wie ein anderer und kränkt den Mann nicht tiefer; aber von ſeinen Mitbürgern als ein gewaltthätiger politiſcher Widerſacher ge¬ fangen zu werden, iſt ſo demüthigend und krän¬ kend, als irgend etwas auf Erden ſein kann. 11*

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/181>, abgerufen am 29.04.2024.