Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

Grafen; er mehrte und verzierte das gedeihlichste Haus¬
wesen trotz der Bosheit, mit welcher eine neidische Ver¬
waltung stets seine Besoldungen verkürzen wollte. Endlich
kaufte er sogar zwei kostbare Uhren, "die der Künstler
Habrecht gemacht hatte", und einen herrlichen silbernen
Pokal, welchen vordem der Kaiser Maximilian der Zweite
seinem Großvater zum Gnadenzeichen geschenkt und die
Ungunst der Zeiten der Familie geraubt. Aber dem hoch¬
würdigen Prälaten erlaubt das Wohlergehen, das Ehren¬
denkmal wieder an sich zu bringen und aufzurichten. Als
er zu sterben kam, empfahl er seine Seele inmitten von
sieben hochgelehrten, glaubensstarken Geistlichen in die
Hände Gottes. Unlang vorher hatte er freilich den
letzten Abschnitt seiner Selbstbiographie mit den Worten
geschlossen: "Was ich übrigens durch die tückischen Füchse,
meine treulosen Gefährten, die Schlangenbrut, litt, wird
das Tagebuch des nächsten Jahres, so Gott will, erzählen."
Gott schien es nicht gewollt zu haben.

Diese ergötzliche Wendung mußte der Besitzerin des
Buches gefallen; denn sie hatte neben die Stelle ein zier¬
liches Vergißmeinnicht an den Rand gemalt. Aus allen
Bänden ragten zahlreiche Papierstreifchen und bewiesen,
daß jene fleißig gelesen wurden.

Auf einem andern Tische lagen in der That die Pläne
zu den Anlagen, in welchen Reinhart sich verirrt hatte,
und andere neu angefangene.

Diese Pläne waren nicht etwa auf kleine ängstliche

Grafen; er mehrte und verzierte das gedeihlichſte Haus¬
weſen trotz der Bosheit, mit welcher eine neidiſche Ver¬
waltung ſtets ſeine Beſoldungen verkürzen wollte. Endlich
kaufte er ſogar zwei koſtbare Uhren, „die der Künſtler
Habrecht gemacht hatte“, und einen herrlichen ſilbernen
Pokal, welchen vordem der Kaiſer Maximilian der Zweite
ſeinem Großvater zum Gnadenzeichen geſchenkt und die
Ungunſt der Zeiten der Familie geraubt. Aber dem hoch¬
würdigen Prälaten erlaubt das Wohlergehen, das Ehren¬
denkmal wieder an ſich zu bringen und aufzurichten. Als
er zu ſterben kam, empfahl er ſeine Seele inmitten von
ſieben hochgelehrten, glaubensſtarken Geiſtlichen in die
Hände Gottes. Unlang vorher hatte er freilich den
letzten Abſchnitt ſeiner Selbſtbiographie mit den Worten
geſchloſſen: „Was ich übrigens durch die tückiſchen Füchſe,
meine treuloſen Gefährten, die Schlangenbrut, litt, wird
das Tagebuch des nächſten Jahres, ſo Gott will, erzählen.“
Gott ſchien es nicht gewollt zu haben.

Dieſe ergötzliche Wendung mußte der Beſitzerin des
Buches gefallen; denn ſie hatte neben die Stelle ein zier¬
liches Vergißmeinnicht an den Rand gemalt. Aus allen
Bänden ragten zahlreiche Papierſtreifchen und bewieſen,
daß jene fleißig geleſen wurden.

Auf einem andern Tiſche lagen in der That die Pläne
zu den Anlagen, in welchen Reinhart ſich verirrt hatte,
und andere neu angefangene.

Dieſe Pläne waren nicht etwa auf kleine ängſtliche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0051" n="41"/>
Grafen; er mehrte und verzierte das gedeihlich&#x017F;te Haus¬<lb/>
we&#x017F;en trotz der Bosheit, mit welcher eine neidi&#x017F;che Ver¬<lb/>
waltung &#x017F;tets &#x017F;eine Be&#x017F;oldungen verkürzen wollte. Endlich<lb/>
kaufte er &#x017F;ogar zwei ko&#x017F;tbare Uhren, &#x201E;die der Kün&#x017F;tler<lb/>
Habrecht gemacht hatte&#x201C;, und einen herrlichen &#x017F;ilbernen<lb/>
Pokal, welchen vordem der Kai&#x017F;er Maximilian der Zweite<lb/>
&#x017F;einem Großvater zum Gnadenzeichen ge&#x017F;chenkt und die<lb/>
Ungun&#x017F;t der Zeiten der Familie geraubt. Aber dem hoch¬<lb/>
würdigen Prälaten erlaubt das Wohlergehen, das Ehren¬<lb/>
denkmal wieder an &#x017F;ich zu bringen und aufzurichten. Als<lb/>
er zu &#x017F;terben kam, empfahl er &#x017F;eine Seele inmitten von<lb/>
&#x017F;ieben hochgelehrten, glaubens&#x017F;tarken Gei&#x017F;tlichen in die<lb/>
Hände Gottes. Unlang vorher hatte er freilich den<lb/>
letzten Ab&#x017F;chnitt &#x017F;einer Selb&#x017F;tbiographie mit den Worten<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en: &#x201E;Was ich übrigens durch die tücki&#x017F;chen Füch&#x017F;e,<lb/>
meine treulo&#x017F;en Gefährten, die Schlangenbrut, litt, wird<lb/>
das Tagebuch des näch&#x017F;ten Jahres, &#x017F;o Gott will, erzählen.&#x201C;<lb/>
Gott &#x017F;chien es nicht gewollt zu haben.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e ergötzliche Wendung mußte der Be&#x017F;itzerin des<lb/>
Buches gefallen; denn &#x017F;ie hatte neben die Stelle ein zier¬<lb/>
liches Vergißmeinnicht an den Rand gemalt. Aus allen<lb/>
Bänden ragten zahlreiche Papier&#x017F;treifchen und bewie&#x017F;en,<lb/>
daß jene fleißig gele&#x017F;en wurden.</p><lb/>
          <p>Auf einem andern Ti&#x017F;che lagen in der That die Pläne<lb/>
zu den Anlagen, in welchen Reinhart &#x017F;ich verirrt hatte,<lb/>
und andere neu angefangene.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Pläne waren nicht etwa auf kleine äng&#x017F;tliche<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0051] Grafen; er mehrte und verzierte das gedeihlichſte Haus¬ weſen trotz der Bosheit, mit welcher eine neidiſche Ver¬ waltung ſtets ſeine Beſoldungen verkürzen wollte. Endlich kaufte er ſogar zwei koſtbare Uhren, „die der Künſtler Habrecht gemacht hatte“, und einen herrlichen ſilbernen Pokal, welchen vordem der Kaiſer Maximilian der Zweite ſeinem Großvater zum Gnadenzeichen geſchenkt und die Ungunſt der Zeiten der Familie geraubt. Aber dem hoch¬ würdigen Prälaten erlaubt das Wohlergehen, das Ehren¬ denkmal wieder an ſich zu bringen und aufzurichten. Als er zu ſterben kam, empfahl er ſeine Seele inmitten von ſieben hochgelehrten, glaubensſtarken Geiſtlichen in die Hände Gottes. Unlang vorher hatte er freilich den letzten Abſchnitt ſeiner Selbſtbiographie mit den Worten geſchloſſen: „Was ich übrigens durch die tückiſchen Füchſe, meine treuloſen Gefährten, die Schlangenbrut, litt, wird das Tagebuch des nächſten Jahres, ſo Gott will, erzählen.“ Gott ſchien es nicht gewollt zu haben. Dieſe ergötzliche Wendung mußte der Beſitzerin des Buches gefallen; denn ſie hatte neben die Stelle ein zier¬ liches Vergißmeinnicht an den Rand gemalt. Aus allen Bänden ragten zahlreiche Papierſtreifchen und bewieſen, daß jene fleißig geleſen wurden. Auf einem andern Tiſche lagen in der That die Pläne zu den Anlagen, in welchen Reinhart ſich verirrt hatte, und andere neu angefangene. Dieſe Pläne waren nicht etwa auf kleine ängſtliche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/51
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/51>, abgerufen am 29.04.2024.