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Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.

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Brigitte.
Ach, und erzählte, und fand kein Ende zu erzäh-
len: wie der Engel ihn, bei der Hand, durch die
Nacht geleitet; wie er sanft des Mädchens Schlaf-
kämmerlein eröffnet, und alle Wände mit seinem Glanz
erleuchtend, zu ihr eingetreten sei; wie es dagelegen,
das holde Kind, mit nichts, als dem Hemdchen an-
gethan, und die Augen bei seinem Anblick groß auf-
gemacht, und gerufen habe, mit einer Stimme, die
das Erstaunen beklemmt: "Mariane!" welches jemand
gewesen sein müsse, der in der Nebenkammer geschla-
fen; wie sie darauf, vom Purpur der Freude über
und über schimmernd, aus dem Bette gestiegen, und sich
auf Knieen vor ihm niedergelassen, das Haupt gesenkt,
und: mein hoher Herr! gelispelt; wie der Engel ihm
darauf, daß es eine Kaisertochter sei, gesagt, und
ihm ein Maal gezeigt, das dem Kindlein röthlich auf
dem Nacken verzeichnet war, -- wie er, von unendli-
chem Entzücken durchbebt, sie eben beim Kinn gefaßt,
um ihr ins Antlitz zu schauen: und wie die unselige
Magd nun, die Mariane, mit Licht gekommen, und
die ganze Erscheinung bei ihrem Eintritt wieder ver-
schwunden sei.
Kunigunde.
Und nun meinst du, diese Kaisertochter sei ich?
Brigitte.
Wer sonst?
Brigitte.
Ach, und erzählte, und fand kein Ende zu erzäh-
len: wie der Engel ihn, bei der Hand, durch die
Nacht geleitet; wie er ſanft des Mädchens Schlaf-
kämmerlein eröffnet, und alle Wände mit ſeinem Glanz
erleuchtend, zu ihr eingetreten ſei; wie es dagelegen,
das holde Kind, mit nichts, als dem Hemdchen an-
gethan, und die Augen bei ſeinem Anblick groß auf-
gemacht, und gerufen habe, mit einer Stimme, die
das Erſtaunen beklemmt: „Mariane!“ welches jemand
geweſen ſein müſſe, der in der Nebenkammer geſchla-
fen; wie ſie darauf, vom Purpur der Freude über
und über ſchimmernd, aus dem Bette geſtiegen, und ſich
auf Knieen vor ihm niedergelaſſen, das Haupt geſenkt,
und: mein hoher Herr! gelispelt; wie der Engel ihm
darauf, daß es eine Kaiſertochter ſei, geſagt, und
ihm ein Maal gezeigt, das dem Kindlein röthlich auf
dem Nacken verzeichnet war, — wie er, von unendli-
chem Entzücken durchbebt, ſie eben beim Kinn gefaßt,
um ihr ins Antlitz zu ſchauen: und wie die unſelige
Magd nun, die Mariane, mit Licht gekommen, und
die ganze Erſcheinung bei ihrem Eintritt wieder ver-
ſchwunden ſei.
Kunigunde.
Und nun meinſt du, dieſe Kaiſertochter ſei ich?
Brigitte.
Wer ſonſt?
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[83/0089] Brigitte. Ach, und erzählte, und fand kein Ende zu erzäh- len: wie der Engel ihn, bei der Hand, durch die Nacht geleitet; wie er ſanft des Mädchens Schlaf- kämmerlein eröffnet, und alle Wände mit ſeinem Glanz erleuchtend, zu ihr eingetreten ſei; wie es dagelegen, das holde Kind, mit nichts, als dem Hemdchen an- gethan, und die Augen bei ſeinem Anblick groß auf- gemacht, und gerufen habe, mit einer Stimme, die das Erſtaunen beklemmt: „Mariane!“ welches jemand geweſen ſein müſſe, der in der Nebenkammer geſchla- fen; wie ſie darauf, vom Purpur der Freude über und über ſchimmernd, aus dem Bette geſtiegen, und ſich auf Knieen vor ihm niedergelaſſen, das Haupt geſenkt, und: mein hoher Herr! gelispelt; wie der Engel ihm darauf, daß es eine Kaiſertochter ſei, geſagt, und ihm ein Maal gezeigt, das dem Kindlein röthlich auf dem Nacken verzeichnet war, — wie er, von unendli- chem Entzücken durchbebt, ſie eben beim Kinn gefaßt, um ihr ins Antlitz zu ſchauen: und wie die unſelige Magd nun, die Mariane, mit Licht gekommen, und die ganze Erſcheinung bei ihrem Eintritt wieder ver- ſchwunden ſei. Kunigunde. Und nun meinſt du, dieſe Kaiſertochter ſei ich? Brigitte. Wer ſonſt?

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Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/89>, abgerufen am 30.04.2024.