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Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Berlin, 1811.

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Hab ich, Gott tödt mich, mit dem Wetternamen
Auf meiner Zunge nicht Versteck gespielt!" --
Ich sag', Herr Richter Adam, weiß er nicht --?
"Der Teufel soll mich holen, nein!" spricht er. --
Steht denn der Nam' hier im Attest noch nicht?
"Ob er in dem Attest --?" -- Ja, hier im Scheine.
"Ich weiß nicht, wie du heute bist," spricht er.
"Du hörst's, ich sucht' und fand ihn nicht, als ich
Heut Nachmittag bei mir den Schein hier mit
Dem Physikus zusammen fabricirte."
Das ist ja aber dann kein Schein, sprech' ich.
Das ist, nehm er's mir übel nicht, ein Wisch, das!
Ich brauch' ein ordentlich Attest, Herr Richter. --
"Die ist, mein Seel, heut," spricht er, "ganz von
Sinnen.
Der Schein ist fertig, ge- und unterschrieben,
Datirt, besiegelt auch, und in der Mitte
Ein Platz, so groß just, wie ein Tümpel, offen;
Den füll ich jetzt mit Dinte aus, so ist's
Ein Schein, nach allen Regeln, wie du brauchst." --
Doch ich: wo will er in der Nacht, Herr Richter,
Hier unterm Birnbaum auch den Platz erfüllen? --
"Gott's Menschenkind auch, unvernünftiges!"
Spricht er; "du hast ja in der Kammer Licht,
Und Dint und Feder führ' ich in der Tasche.
Fort! Zwei Minuten braucht's, so ist's geschehn.

Ru-
Hab ich, Gott toͤdt mich, mit dem Wetternamen
Auf meiner Zunge nicht Verſteck geſpielt!“ —
Ich ſag’, Herr Richter Adam, weiß er nicht —?
„Der Teufel ſoll mich holen, nein!“ ſpricht er. —
Steht denn der Nam’ hier im Atteſt noch nicht?
„Ob er in dem Atteſt —?“ — Ja, hier im Scheine.
„Ich weiß nicht, wie du heute biſt,“ ſpricht er.
„Du hoͤrſt’s, ich ſucht’ und fand ihn nicht, als ich
Heut Nachmittag bei mir den Schein hier mit
Dem Phyſikus zuſammen fabricirte.“
Das iſt ja aber dann kein Schein, ſprech’ ich.
Das iſt, nehm er’s mir uͤbel nicht, ein Wiſch, das!
Ich brauch’ ein ordentlich Atteſt, Herr Richter. —
„Die iſt, mein Seel, heut,“ ſpricht er, „ganz von
Sinnen.
Der Schein iſt fertig, ge- und unterſchrieben,
Datirt, beſiegelt auch, und in der Mitte
Ein Platz, ſo groß juſt, wie ein Tuͤmpel, offen;
Den fuͤll ich jetzt mit Dinte aus, ſo iſt’s
Ein Schein, nach allen Regeln, wie du brauchſt.“ —
Doch ich: wo will er in der Nacht, Herr Richter,
Hier unterm Birnbaum auch den Platz erfuͤllen? —
„Gott’s Menſchenkind auch, unvernuͤnftiges!“
Spricht er; „du haſt ja in der Kammer Licht,
Und Dint und Feder fuͤhr’ ich in der Taſche.
Fort! Zwei Minuten braucht’s, ſo iſt’s geſchehn.

Ru-
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[160/0166] Hab ich, Gott toͤdt mich, mit dem Wetternamen Auf meiner Zunge nicht Verſteck geſpielt!“ — Ich ſag’, Herr Richter Adam, weiß er nicht —? „Der Teufel ſoll mich holen, nein!“ ſpricht er. — Steht denn der Nam’ hier im Atteſt noch nicht? „Ob er in dem Atteſt —?“ — Ja, hier im Scheine. „Ich weiß nicht, wie du heute biſt,“ ſpricht er. „Du hoͤrſt’s, ich ſucht’ und fand ihn nicht, als ich Heut Nachmittag bei mir den Schein hier mit Dem Phyſikus zuſammen fabricirte.“ Das iſt ja aber dann kein Schein, ſprech’ ich. Das iſt, nehm er’s mir uͤbel nicht, ein Wiſch, das! Ich brauch’ ein ordentlich Atteſt, Herr Richter. — „Die iſt, mein Seel, heut,“ ſpricht er, „ganz von Sinnen. Der Schein iſt fertig, ge- und unterſchrieben, Datirt, beſiegelt auch, und in der Mitte Ein Platz, ſo groß juſt, wie ein Tuͤmpel, offen; Den fuͤll ich jetzt mit Dinte aus, ſo iſt’s Ein Schein, nach allen Regeln, wie du brauchſt.“ — Doch ich: wo will er in der Nacht, Herr Richter, Hier unterm Birnbaum auch den Platz erfuͤllen? — „Gott’s Menſchenkind auch, unvernuͤnftiges!“ Spricht er; „du haſt ja in der Kammer Licht, Und Dint und Feder fuͤhr’ ich in der Taſche. Fort! Zwei Minuten braucht’s, ſo iſt’s geſchehn. Ru-

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Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Berlin, 1811, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_krug_1811/166>, abgerufen am 29.04.2024.